Kernaussagen
1. Ein Simulationstraining in virtueller Realität verschafft Auszubildenden für Magen- und Darmspiegelungen möglicherweise einen Vorteil bei der eigenständigen Durchführung von Endoskopien im oberen und unteren Magen-Darm-Trakt – im Vergleich zu einer Ausbildung ohne solches Training.
2. Wir haben keine abschließende Evidenz dafür gefunden, dass ein Simulationstraining in virtueller Realität für angehende Fachkräfte in der Endoskopie einen Vorteil gegenüber dem Training an Patient*innen bietet.
Was ist ein Simulationstraining in virtueller Realität und wie kann es in der Magen- und Darmendoskopie eingesetzt werden?
Bei einer Spiegelung des Magen-Darm-Trakts wird ein biegsamer Schlauch mit einer kleinen Kamera an der Spitze vorsichtig in den Körper eingeführt. So kann das Innere von Magen oder Darm genau angesehen und untersucht werden. Üblicherweise wird dies in klinischen Einrichtungen unter der Betreuung einer erfahrenen Fachärztin bzw. eines erfahrenen Facharztes für Endoskopie gelehrt. Beim Simulationstraining in virtueller Realität (VR) entsteht mithilfe von Computertechnologie eine dreidimensionale Lernumgebung, in der Teilnehmende ihre Fähigkeiten sicher und ohne Risiko für Patient*innen trainieren können. Diese Simulationen bilden reale Situationen und Abläufe im Gesundheitswesen nach. Durch den Einsatz realer Geräte wie eines Endoskops wird das virtuelle Erlebnis noch greifbarer und interaktiver. Simulationstraining kann jedoch teuer sein. Daher muss gewährleistet sein, dass die von Auszubildenden erlernten Kompetenzen aus dem Simulationstraining auch auf reale Eingriffe übertragbar sind.
Was wollten wir herausfinden?
Wir wollten untersuchen, ob ein Simulationstraining in virtueller Realität das herkömmliche Training an Patient*innen in der gastrointestinalen Endoskopie sinnvoll ergänzen oder sogar ersetzen kann. Unser primäres Ziel war zu untersuchen, ob ein Simulationstraining in virtueller Realität den „composite score of competency“ beeinflusst – einen zusammengesetzten Wert, der die erlernte Kompetenz der Teilnehmenden widerspiegelt.
Wie gingen wir vor?
Wir haben nach Studien gesucht, die den Nutzen von Simulationstraining in virtueller Realität untersuchten – im Vergleich zu keinem Training, zu Training an Patient*innen oder zu anderen Formen des VR-basierten Simulationstrainings. Wir haben die Ergebnisse der verschiedenen Studien zusammengefasst und verglichen. Unser Vertrauen in die Evidenz haben wir auf der Grundlage von Faktoren wie Studienmethoden und Größe der Studien bewertet.
Was fanden wir heraus?
Wir berücksichtigten 20 Studien mit 500 Teilnehmenden und insgesamt 3.975 durchgeführten Endoskopien. In zehn Studien wurde Simulationstraining in virtueller Realität mit keinem Training verglichen, in fünf Studien mit der Endoskopie an Patient*innen, in einer Studie mit einer alternativen Form des Endoskopie-Simulationstrainings und in vier Studien wurden zwei unterschiedliche Ansätze des Simulationstrainings in virtueller Realität gegenübergestellt. Zwölf Studien befassten sich mit der Koloskopie, bei der der gesamte Dickdarm untersucht wird. Drei weitere Studien untersuchten die Sigmoidoskopie, die sich auf den unteren Abschnitt des Dickdarms beschränkt. Fünf Studien wiederum betrachteten die Endoskopie des oberen Magen-Darm-Trakts, bei der Speiseröhre, Magen und Dünndarm untersucht werden. Bei den Teilnehmenden handelte es sich um Auszubildende in der Medizin sowie um Pflegefachpersonen mit begrenzter oder keiner Erfahrung in der Endoskopie.
Hauptergebnisse
Endoskopie-Simulationstraining in virtueller Realität im Vergleich zu keinem Training
Bei Auszubildenden führt ein VR-Training möglicherweise zu keinem oder nur einem geringen Unterschied im „composite score of competency“. Allerdings sind Auszubildende, die mit Hilfe von VR-Simulationen trainieren, wahrscheinlich besser in der Lage, Eingriffe selbstständig durchzuführen. Es ist unklar, ob ein VR-Simulationstraining dazu beiträgt, dass Auszubildende Eingriffe schneller durchführen, die Innenseite des Darms besser einsehen, bei den Patient*innnen weniger Unwohlsein auslösen oder insgesamt besser bewertet werden – da die vorliegende Evidenz sehr unsicher ist. In beiden Gruppen wurden keine unerwünschten oder schädlichen Ereignisse gemeldet.
Endoskopie-Simulationstraining in virtueller Realität im Vergleich zu herkömmlichem Training an Patient*innen
Von den Studien, die VR-Simulation mit herkömmlichem Training verglichen, gab nur eine Studie einen zusammengesetzten Kompetenzwert für die Teilnehmenden an, aber lieferte nicht genügend Daten, um die Ergebnisse zu analysieren. Es ist unklar, ob VR-Simulationstraining im Vergleich zum herkömmlichen Training an Patient*innen die Fähigkeit von Auszubildenden verbessert, Eingriffe selbstständig und schneller durchzuführen, die Darmschleimhaut umfassender einzusehen oder das Unwohlsein der Patient*innen zu verringern. Die vorhandene Evidenz ist sehr unsicher, sodass auch unklar bleibt, ob dadurch eine bessere Gesamtbewertung der Leistung erzielt wird. In keiner der beiden Gruppen wurden unerwünschte Ereignisse berichtet.
Was schränkt die Aussagekraft der Evidenz ein?
Bei vielen Endpunkten ist die Evidenz unsicher. Einige Studien lieferten nur unzureichende oder gar keine Angaben dazu, nach welchen Kriterien die Auszubildenden den Gruppen zugeteilt wurden und ob die Personen, die die Endpunkte erfassten, über die Gruppenzugehörigkeit informiert waren. Dies könnte die Bewertung der Auszubildenden beeinflusst haben. Außerdem war die Zahl der Teilnehmenden und Endoskopien für einige Endpunkte zu gering. Zukünftige Studien sollten berücksichtigen, welche Lerntheorien den Simulationstrainingsprogrammen zugrunde liegen und am besten funktionieren.
Wie aktuell ist die Evidenz?
Die Evidenz ist auf dem Stand vom 18. Oktober 2023.
B. Schindler, M. Zeitler, freigegeben durch Cochrane Deutschland