Kernaussagen
- Bei Frauen mit Brustkrebs kann eine hormonelle, vorübergehende Ausschaltung der Eierstockfunktion möglicherweise das Risiko verringern, dass die Chemotherapie die Eierstöcke schädigt. Das bedeutet, dass die Behandlung möglicherweise hilft, die Funktion der Eierstöcke zu erhalten. Das Vertrauen in die Evidenz ist jedoch niedrig.
- Es ist unklar, welche Methode zur Erhaltung der Fruchtbarkeit bei Frauen vor den Wechseljahren mit Brustkrebs, die eine Chemotherapie erhalten sollen, am besten geeignet ist.
- Weitere Forschung zu diesem Thema ist notwendig.
Was bedeutet Erhaltung der Fruchtbarkeit und warum ist sie wichtig?
Frauen mit Krebs werden häufig mit einer Chemotherapie behandelt. Eine Chemotherapie kann die Eierstöcke schädigen und die Fruchtbarkeit verringern oder Unfruchtbarkeit verursachen. Für krebskranke Frauen ist der Erhalt der Fruchtbarkeit, d.h. ihrer Fähigkeit, schwanger zu werden, wichtig für ihre zukünftigen Familienplanung. Zwei Methoden werden üblicherweise verwendet.
1. Eine Möglichkeit ist die hormonelle Stimulation der Eierstöcke in Kombination mit einem Medikament zum Schutz der Eierstockfunktion. Dabei werden Eizellen oder befruchtete Eizellen (Embryonen) entnommen und eingefroren, um sie später verwenden zu können. Diese Methode wird als kontrollierte ovarielle Stimulation mit Gonadotropinen bezeichnet.
2. Eine andere Möglichkeit ist eine hormonelle Behandlung mit sogenannten GnRH-Agonisten (Gonadotropin-Releasing-Hormon-Agonisten). Sie soll die Funktion der Eierstöcke vorübergehend unterdrücken, um sie während der Chemotherapie zu schützen.
Was wollten wir herausfinden?
Wir wollten herausfinden, wie sich die beiden wichtigsten Methoden zur Erhaltung der Fruchtbarkeit bei Frauen mit Krebs auswirken und ob sie Nebenwirkungen haben. Da Brustkrebs die weltweit häufigste Krebserkrankung bei Frauen ist, bildet er den Schwerpunkt dieses Reviews.
Wie gingen wir vor?
Wir suchten nach Studien mit Frauen vor den Wechseljahren (also Frauen, die ihre Monatsblutung noch regelmäßig bekommen), die an Krebs erkrankt waren und eine Chemotherapie erhielten.
Wir haben Studien für drei verschiedene Vergleiche untersucht.
Vergleich 1: Hier wurde eine hormonelle Stimulation der Eierstöcke in Kombination mit einem Medikament zum Schutz der Eierstöcke untersucht. Dabei wurden Eizellen oder Embryonen entnommen und eingefroren, um sie später verwenden zu können. Diese Methode wurde verglichen mit einem Scheinmedikament (Placebo), der üblichen Behandlung, keiner Behandlung oder einem anderen Schutzpräparat.
Vergleich 2: Hier wurde eine hormonelle Behandlung untersucht, die die Funktion der Eierstöcke vorübergehend unterdrückt. Diese wurde verglichen mit einem Scheinmedikament (Placebo), der üblichen Behandlung, keiner Behandlung oder einer anderen Hormontherapie.
Vergleich 3: Hier wurde eine hormonelle Stimulation der Eierstöcke in Kombination mit einem Medikament zum Schutz der Eierstöcke untersucht. Dabei wurden Eizellen oder Embryonen entnommen und eingefroren, um sie später verwenden zu können. Diese Methode wurde verglichen mit einer hormonellen Behandlung, die die Funktion der Eierstöcke vorübergehend unterdrückt.
Wir fassten die Ergebnisse der Studien zusammen, verglichen sie und bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz anhand von Faktoren wie Studienmethoden und Studiengröße.
Was fanden wir?
Wir fanden 23 Studien; zwei Studien für Vergleich 1 und 23 Studien für Vergleich 2. Wir haben keine Studien für den Vergleich 3 gefunden.
An den Studien nahmen insgesamt 2647 Frauen vor den Wechseljahren teil, die an Krebs erkrankt waren und eine Chemotherapie erhielten. 2366 von ihnen hatten Brustkrebs, 311 eine andere Krebsart.
Vergleich 1
Es ist unklar, welchen Einfluss die Stimulation der Eierstöcke und der Einsatz von Schutzmedikamenten auf die Anzahl der gewonnenen Eizellen bei Frauen mit Brustkrebs haben. In zwei Studien wurden zwei verschiedene Schutzmedikamente miteinander verglichen: Letrozol und Tamoxifen. Wahrscheinlich gibt es keinen Unterschied zwischen beiden Medikamenten in der Anzahl der gewonnenen Eizellen.
Es wurde keine verlässliche Evidenz gefunden, dass eine Stimulation der Eierstöcke oder der Einsatz von Schutzmedikamenten andere wichtige Ergebnisse beeinflusst – wie etwa das Risiko für ein Versagen der Eierstöcke, die Chance auf eine Lebendgeburt, das Überleben oder Nebenwirkungen.
Vergleich 2
Bei Frauen mit Brustkrebs kann eine vorübergehende hormonelle Unterdrückung der Eierstockfunktion möglicherweise deutlich das Risiko für ein Versagen der Eierstöcke senken. Das bedeutet, dass die Behandlung die Funktion der Eierstöcke möglicherweise aufrechterhalten kann.
Bei Frauen mit Brustkrebs hat die vorübergehende hormonelle Unterdrückung der Eierstockfunktion möglicherweise nur einen geringen oder keinen Einfluss darauf, ob sie zehn Jahre lang ohne Rückfall leben (krankheitsfreies Überleben) oder insgesamt überleben (Gesamtüberleben). Ob sich die Behandlung auf die Zahl der Lebendgeburten bei Frauen mit Brustkrebs auswirkt, ist sehr unsicher.
Auch zu den möglichen Auswirkungen einer vorübergehenden hormonellen Unterdrückung der Eierstockfunktion auf schwangerschaftsbezogene Probleme – wie Fehlgeburten, Frühgeburten, Komplikationen bei der Geburt oder freiwillige Schwangerschaftsabbrüche – ist die Evidenz sehr unsicher.
Bei den untersuchten Frauen traten sowohl unerwünschte Nebenwirkungen der Chemotherapie auf – wie Erschöpfung, Übelkeit und ein erhöhtes Infektionsrisiko durch eine zu geringe Anzahl weißer Blutkörperchen (Leukopenie) – als auch andere Beschwerden wie vermehrtes Schwitzen, Hitzewallungen und Kopfschmerzen. Die vorübergehende hormonelle Unterdrückung der Eierstockfunktion führt wahrscheinlich zu einer Zunahme nicht schwangerschaftsbedingter unerwünschter Ereignisse.
Vergleich 3
Wir haben keine Evidenz für diesen Vergleich gefunden.
Frauen mit anderen Krebsarten als Brustkrebs
Für Frauen mit anderen Krebsarten können keine Schlussfolgerungen gezogen werden, da die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz sehr niedrig ist.
Was schränkt die Evidenz ein?
Für Vergleich 1 ist die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz moderat bis niedrig, da es nicht genügend Studien gibt und die Studien sehr klein sind.
Für Vergleich 2 ist die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für Frauen mit Brustkrebs niedrig (bis sehr niedrig), da die Studien sehr klein sind und es nur wenige Fälle von Schwangerschaften und Lebendgeburten gab. Außerdem lieferten einige Studien nicht alle Informationen, an denen wir interessiert waren, und einige Studien wurden früher als geplant beendet.
Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?
Die Evidenz ist auf dem Stand von November 2023.
B. Schindler, A. Zink, freigegeben durch Cochrane Deutschland