Welche Tests sind am genauesten zur Diagnose eines Vitamin-A-Mangels?

Kernaussagen

- Die beiden gebräuchlichsten Tests (Serum- oder Plasma-Retinol und retinolbindendes Protein) können einen Vitamin-A-Mangel bei Risikopersonen in der ambulanten und klinischen Versorgung nicht zuverlässig identifizieren.

- Dies könnte dazu führen, dass bei Verwendung dieser Tests das Ausmaß eines Vitamin-A-Mangels in der Bevölkerung über- oder unterschätzt wird und Einzelpersonen eine falsche Diagnose erhalten.

Einschätzungen zur Testgenauigkeit sollten sich verbessern, wenn mehr Studien verfügbar sind.

Warum ist es wichtig, das Screening auf Vitamin A zu verbessern?

Vitamin A, auch "Retinol" genannt, ist ein lebenswichtiger Nährstoff. Vitamin A kommt in der Leber, in Eiern, in Milchprodukten sowie in vielen grünen und orangefarbenen Obst- und Gemüsesorten vor. Ein Mangel an Vitamin A ist ein häufiges Gesundheitsproblem – insbesondere in Ländern mit niedrigem Einkommen. Menschen mit Vitamin-A-Mangel können unter Wachstumsstörungen, einer geschwächten Immunabwehr, Nachtblindheit und Erblindung leiden. Sie haben ein höheres Risiko, an Infektionen zu erkranken. Besonders gefährdet sind Kleinkinder und schwangere Frauen.

Um entscheiden zu können, ob eine Behandlung mit Vitamin-A-Ergänzungsmitteln für Einzelpersonen und Gemeinschaften sinnvoll ist, muss bestimmt werden, wie verbreitet ein Vitamin-A-Mangel ist. Dafür braucht man zuverlässige Tests. Wenn ein Vitamin-A-Mangel nicht erkannt wird, kann es sein, dass Betroffene keine oder zu spät Vitamin-A-Ergänzungsmittel bekommen. Der Mangel kann sich dann verschlimmern und zu Narben am Auge und Sehstörungen führen. Eine falsche Diagnose eines Vitamin-A-Mangels kann dazu führen, dass Menschen Vitamin-A-Präparate bekommen, obwohl sie diese nicht brauchen. Das erhöht das Risiko, mehr Vitamin A aufzunehmen als empfohlen.

Welche Tests messen den Vitamin-A-Status?

Die genauesten Tests zur Bestimmung des Vitamin-A-Spiegels sind die Leberbiopsie und die sogenannte Retinol-Isotop-Verdünnung. Diese gelten als Referenz-Tests. Bei einer Leberbiopsie wird eine kleine Gewebeprobe aus der Leber entnommen und im Labor unter dem Mikroskop untersucht. Bei der Retinol-Isotop-Verdünnung wird eine geringe Dosis Vitamin A verabreicht und anschließend eine Blutprobe untersucht. Diese Tests sind mit einem Eingriff in den Körper verbunden, teuer, zeitaufwändig und erfordern spezielles Fachwissen.

Andere Tests zur Bestimmung des Vitamin-A-Spiegels sind einfacher, günstiger und schneller – aber womöglich weniger genau. Sie werden mit den Referenz-Tests verglichen, um ihre Aussagekraft zu prüfen. Solche Tests nennt man „Index-Tests“. Diese Tests suchen in einer Blutprobe nach Anzeichen für Vitamin A, sogenannten Biomarkern. Die häufigsten Tests sind "Serum- oder Plasma-Retinol" (SR) und "Serum- oder Plasma-Retinol-Bindungsprotein" (RBP). Ein positives Testergebnis weist auf einen Vitamin-A-Mangel hin, ein negatives Ergebnis weist darauf hin, dass kein Mangel vorliegt.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten herausfinden, wie genau die Index-Tests im Vergleich zu den Referenz-Tests sind, um bei Menschen mit Risiko für einen Vitamin-A-Mangel einen solchen festzustellen.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten nach Studien, in denen untersucht wurde, wie genau die Index-Tests im Vergleich zu Referenz-Tests sind, und fassten die Ergebnisse zusammen.

Was fanden wir?

Wir schlossen 40 Studien ein, die mindestens einen Index-Test und einen Referenz-Test verglichen. Die Studien fanden in Nord-, Mittel- und Südamerika, Europa, Süd- und Südostasien sowie Afrika statt. Die Teilnehmenden waren zwischen 1 Monat und über 80 Jahre alt. Der Anteil der Personen mit Vitamin-A-Mangel lag im Durchschnitt zwischen 4% und 60%. Die folgenden Ergebnisse wurden anhand einer Beispielgruppe von 1000 Personen berechnet.

SR versus Retinol-Isotop-Verdünnung (23 Studien)

Von 1000 Personen , darunter 100 (10 %) , bei denen einen Vitamin-A-Mangel mittels Retinol-Isotop-Verdünnung festgestellt wurde, zeigte das SR-Ergebnis bei 82 Personen einen Vitamin-A-Mangel an. 72 dieser Personen wurden fälschlich als Personen mit Vitamin-A-Mangel eingestuft. Von den 918 Personen , deren SR-Ergebnis auf keinen Vitamin-A-Mangel hinwies, wurden 90 fälschlich als nicht an Vitamin-A-Mangel leidend eingestuft. Unser Vertrauen in diese Ergebnisse ist gering bis sehr gering.

SR versus Leber-Vitamin A (16 Studien)

Von 1000 Personen , darunter 100 (10 %) , bei denen ein Vitamin-A-Mangel durch Messung der Vitamin-A-Konzentration in der Leber bestimmt wurde, wies das SR-Ergebnis bei 206 Personen auf einen Vitamin-A-Mangel hin. Davon wurden 153 fälschlich als Personen mit Vitamin-A-Mangel eingestuft. Von den 794 Personen mit einem SR-Ergebnis, das auf keinen Vitamin-A-Mangel hinwies, wurden 47 fälschlich als nicht betroffen eingestuft. Die Vertrauenswürdigkeit dieser Ergebnisse reicht von sehr gering bis moderat.

RBP versus Retinol-Isotop-Verdünnung (8 Studien)

Von 1000 Personen , darunter 100 (10 %) , bei denen ein Vitamin-A-Mangel durch Retinol-Isotop-Verdünnung festgestellt wurde, wies das RBP-Ergebnis von 266 Personen auf einen Vitamin-A-Mangel hin. Davon wurden 216 fälschlich als Personen mit Vitamin-A-Mangel eingestuft. Von den 734 Personen mit einem RBP-Ergebnis, das auf keinen Vitamin-A-Mangel hinweist, wurden 50 fälschlich als nicht betroffen eingestuft. Diese Ergebnisse sind von geringer bis moderater Vertrauenswürdigkeit.

Was schränkt die Aussagekraft der Evidenz ein?

Unser Vertrauen in die Evidenz ist aus mehreren Gründen eingeschränkt. Die meisten Studien waren klein und enthielten nur wenige Informationen darüber, wie sie durchgeführt wurden. Deshalb konnten wir nicht gut einschätzen, wie zuverlässig ihre Methoden waren. Die Studien hatten nicht das Ziel, die Genauigkeit der Index-Tests zu untersuchen. Deshalb ist Vorsicht bei der Interpretation ihrer Ergebnisse geboten. Schließlich haben wir nicht zu allen Tests Informationen gefunden.

Wie aktuell ist dieser Review?

Die Evidenz ist auf dem Stand von August 2022.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

A. Zink, M. Zeitler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

This Cochrane review was originally created in English. The accuracy of the translation is the responsibility of the translation team producing it. The translation is produced with care and follows standard processes to ensure quality control. However, in case of mismatches, inaccurate or inappropriate translations, the English original prevails.

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