Welchen Nutzen und welche Risiken haben Impfstoffe zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten bei Erwachsenen mit Blutkrebs?

Kernaussagen

- Es gibt nur begrenzte Evidenz dafür, dass Impfstoffe bei Erwachsenen mit Blutkrebs präventiv wirksam sind – insbesondere in Bezug auf patientenrelevante Endpunkte. Die einbezogenen Studien konzentrierten sich ausschließlich auf Herpes-Zoster-, COVID-19- und Grippeimpfstoffe. Keine der Studien bewertete die Lebensqualität.

- Im Vergleich zu Placebo verringern Herpes-Zoster-Impfstoffe möglicherweise das Auftreten der Infektion. Ihr Einfluss auf die Gesamtsterblichkeit (Tod jeglicher Ursache) ist wahrscheinlich minimal oder nicht nachweisbar. Sie führen kurzfristig zu unerwünschten Wirkungen, verursachen jedoch wahrscheinlich innerhalb von 12 Monaten nach der Impfung keine Zunahme schwerwiegender unerwünschter Wirkungen. Langfristige Wirkungen auf andere Endpunkte sind unklar.

- Für COVID-19 und Grippeimpfstoffe ist die Evidenz zur Messung der Infektionshäufigkeit sehr unsicher. Bei Menschen mit Blutkrebs wurden unerwünschte Wirkungen nur unzureichend berichtet oder nicht analysiert.

- Künftige Studien sollten Impfstoffe für ein breiteres Spektrum von Infektionen untersuchen und sich auf Endpunkte konzentrieren, die für die Betroffenen wichtig sind, wie die Lebensqualität und die langfristige Sicherheit.

Welche Rolle spielen Impfstoffe bei Menschen mit Blutkrebs?

Impfstoffe schützen Menschen vor Infektionen, indem sie das Immunsystem darauf trainieren, schädliche Keime zu erkennen und zu bekämpfen. Sie können auch das Risiko von schweren Erkrankungen, Krankenhausaufenthalten und das Sterberisiko verringern. Für Menschen mit Blutkrebs könnten Impfstoffe besonders wichtig sein, weil ihr Immunsystem schwächer ist. Menschen mit Blutkrebs haben häufig ein erhöhtes Risiko, bei Infektionen wie Grippe, Lungenentzündung oder COVID-19 schwere Komplikationen zu erleiden. Die Impfung als vorbeugende Maßnahme zielt darauf ab, das Infektionsrisiko zu verringern, das Risiko von Komplikationen zu senken und die Lebensqualität von Menschen mit Blutkrebs zu verbessern.

Was wollten wir herausfinden?

Unser Ziel war es, zu verstehen, welchen Einfluss Impfstoffe als präventive Maßnahme auf zentrale gesundheitliche Endpunkte bei Erwachsenen mit Blutkrebs haben. Insbesondere wollten wir wissen, ob Impfstoffe die Zahl der Infektionen und die Zahl der Todesfälle aus jeglicher Ursache verringern. Uns interessierte auch, ob die Impfstoffe die Lebensqualität verbessern und ob sie unerwünschte Wirkungen verursachen. Dazu gehören schwerwiegende unerwünschte Wirkungen wie ein Krankenhausaufenthalt und unerwünschte Wirkungen wie Schmerzen oder Rötungen an der Injektionsstelle sowie systemische (den ganzen Körper betreffende) Reaktionen wie Fieber, Müdigkeit oder Hautausschlag.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten nach Studien, in denen Impfstoffe entweder mit einem Placebo (also einer Scheinimpfung, die eine echte Impfung lediglich imitiert) oder mit keiner Impfung verglichen wurden. Wir suchten auch nach Studien, die unterschiedliche Impfstofftypen oder Dosierungen miteinander verglichen. Wir haben ein breites Spektrum von Infektionskrankheiten berücksichtigt: COVID-19, Diphtherie, Haemophilus influenzae Typ b (Hib-Infektion), Hepatitis B, Herpes zoster, Influenza, Neisseria meningitidis (Meningitis), Pertussis (Keuchhusten), Polio, Streptococcus pneumoniae (Lungenentzündung) und Tetanus.

Wir fassten die Ergebnisse der Studien zusammen und bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz, wobei wir Faktoren wie Studiendesign, Methoden und Stichprobengröße berücksichtigten.

Was fanden wir?

Wir fanden sechs Studien, an denen 25.886 Erwachsene mit verschiedenen Blutkrebsarten teilnahmen und in denen Impfstoffe zur Vorbeugung von Infektionen mit dem Varizella-Zoster-Virus (Herpes-zoster-Infektion, „Gürtelrose“), COVID-19 oder Influenza (Grippe) untersucht wurden. In den Studien wurden keine Angaben zur Lebensqualität gemacht. Die meisten Studien wurden von Pharmaunternehmen oder Forschungseinrichtungen finanziert und in mehreren Ländern durchgeführt. Für die weiteren Infektionskrankheiten, die für unseren Review von Interesse waren, konnten wir keine geeigneten Studien identifizieren.

Hauptergebnisse

Bei vier der sechs gefundenen Studien handelte es sich um "randomisierte kontrollierte Studien", die für die Beantwortung der von uns gestellten Fragen am besten geeignet sind. Die im Folgenden dargestellten Ergebnisse stammen aus diesen vier Studien.

Impfstoffe gegen Herpes zoster (Gürtelrose)

Herpes-Zoster-Impfungen bei Erwachsenen mit Blutkrebs:

- verringern möglicherweise das Risiko einer Gürtelrose bis zu 21 Monate nach der letzten Impfung (2 Studien, 3067 Personen);

- führen wahrscheinlich zu keinem oder nur einem geringen Unterschied bei der Sterblichkeit bis zu 28 Tagen nach der letzten Impfung (1 Studie, 2548 Personen);

- führen zu etwas mehr unerwünschten Wirkungen innerhalb von 30 Tagen nach der Impfung (2 Studien, 3110 Personen);

- erhöhen wahrscheinlich nicht oder nur minimal das Auftreten von schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen innerhalb von 12 Monaten nach der Impfung (1 Studie, 562 Personen); und

- führen zu verstärkten Hautreaktionen an der Injektionsstelle und systemische Reaktionen innerhalb von 28 Tagen nach der Impfung (1 Studie, 2548 Personen).

COVID-19-Impfstoffe

Für Erwachsene mit Blutkrebs:

- sind zu den Wirkungen des BNT162b2-Impfstoffs auf das Risiko einer COVID-19-Infektion anhand der vorliegenden Evidenz keine Schlussfolgerungen möglich (1 Studie, 95 Personen); und

- erhöht der Impfstoff BNT162b2 wahrscheinlich das Auftreten unerwünschter Wirkungen innerhalb der sechs Monate nach der zweiten Dosis. Dabei gibt es jedoch möglicherweise nur geringe oder gar keine Unterschiede bei der Anzahl von schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen (1 Studie, 2328 Personen in einer gemischten Studiengruppe, d. h. mit soliden und Blutkrebsarten).

Grippe-Impfstoffe

Für Erwachsene mit Blutkrebs:

- wurde in keiner Studie ein Grippeimpfstoff im Vergleich zu Placebo oder keinem Impfstoff untersucht; und

- verglich eine Studie mit 122 Personen die Wirkung von zwei Dosen eines trivalenten, inaktivierten Hochdosis-Influenza-Impfstoffs mit der einer altersabhängig dosierten Einzeldosis. Die Ergebnisse sind sehr unsicher.

Was schränkt die Evidenz ein?

Unser Vertrauen in die Ergebnisse ist begrenzt. Die Studien befassten sich nicht mit allen Infektionskrankheiten oder Endpunkten, an denen wir interessiert waren, und es gab Probleme mit den Studienmethoden, insbesondere mit der Berichterstattung über die Ergebnisse.

Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?

Die Evidenz beruht auf Literaturrecherchen mit Stand Dezember 2024.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

M. Zeitler, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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