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Welche Nutzen und Risiken hat die Behandlung mit Kortikosteroiden bei Kindern und Erwachsenen mit Sepsis?

Kernaussagen

- Im Vergleich zu Placebo oder der üblichen Versorgung senken Kortikosteroide wahrscheinlich das Risiko, innerhalb der ersten 28 Tagen oder im Krankenhaus zu sterben. Auf das Risiko, innerhalb von drei Monaten zu sterben, haben sie möglicherweise nur geringe oder keine Auswirkungen.

- Es ist unklar, welche Wirkungen eine kontinuierliche intravenöse Infusion von Kortikosteroiden im Vergleich zu einzelnen, schnellen Injektionen in die Vene hat.

- Künftige Studien sollten den Nutzen und Schaden von Kortikosteroiden bei bestimmten Gruppen untersuchen, zum Beispiel bei Kindern, bei Patient*innen mit Sepsis ohne Schock oder mit einer milden Form eines septischen Schocks, bei Patient*innen mit akutem Atemnotsyndrom (ARDS) sowie bei verschiedenen Infektionsarten. Auch die Frage, wie Kortikosteroide am besten verabreicht werden, muss in weiteren Studien untersucht werden. Dabei geht es zum Beispiel um die Auswahl des Wirkstoffs (beispielsweise seine „mineralokortikoide Wirkung“, also ob er Natrium und Flüssigkeit im Körper hält und Kalium ausscheidet oder nicht), den besten Zeitpunkt für den Behandlungsbeginn, die richtige Dosis und Behandlungsdauer, die Verabreichungsform (kontinuierliche Infusion oder einzelne Boli) und darum, ob die Behandlung langsam ausgeschlichen werden sollte. Künftige Studien sollten auch die langfristigen Wirkungen von Kortikosteroiden untersuchen, also Wirkungen auf das Überleben und mögliche Komplikationen mehr als ein Jahr nach der Behandlung.

Was ist eine Sepsis?

Eine Sepsis (auch Blutvergiftung oder Blutstrominfektion genannt) ist eine Komplikation einer Infektion. Hierbei kommt es durch eine fehlregulierte Reaktion des körpereigenen Abwehrsystems zu Organversagen. Typische Anzeichen sind schnelle Atmung, niedriger Blutdruck und Verwirrtheit. Bei einer Sepsis kann die Wirkung der körpereigenen Kortikosteroide beeinträchtigt sein. Diese Hormone helfen dem Körper normalerweise dabei, Bakterien, Viren und fremdartige Substanzen zu erkennen und sich dagegen zu wehren.

Was sind medikamentöse Kortikosteroide?

Kortikosteroide sind Medikamente, die eingesetzt werden, um übermäßige Entzündungsreaktionen im Körper zu verringern. Allerdings können diese Medikamente auch unerwünschte Wirkungen haben, zum Beispiel erhöhte Blutzucker- oder Salzwerte, Infektionen, Magenblutungen, Unruhe oder Verwirrtheit sowie Muskelschwäche in Armen und Beinen. Kortikosteroide werden seit vielen Jahren zur Behandlung verschiedener Infektionen eingesetzt.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten herausfinden:

- welche Vorteile der Einsatz von Kortikosteroiden für Kinder und Erwachsene mit Sepsis hat, und

- welche Methoden zur Verabreichung dieser Behandlung am besten geeignet sind – und für welche Patient*innengruppen sie sich besonders eignen.

Wir wollten außerdem herausfinden, ob Kortikosteroide auch unerwünschte Wirkungen verursachen können.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten nach Studien, in denen folgende Behandlungen miteinander verglichen wurden:

- Kortikosteroide, die über die Vene verabreicht werden, im Vergleich zu einer Scheinbehandlung, die kein Arzneimittel enthält, aber genauso aussieht wie Kortikosteroide, oder zur üblichen Behandlung; oder

- Kortikosteroide, die kontinuierlich über die Vene verabreicht werden, im Vergleich zu solchen, die in einzelnen schnellen Injektionen gegeben werden (sogenannte Boli).

Wir fassten die Ergebnisse der Studien zusammen, verglichen sie miteinander und beurteilten unser Vertrauen in die Evidenz anhand von Faktoren wie der Studienmethoden und der Studiengröße.

Was fanden wir?

Dieser Review fasst die Ergebnisse von 87 Studien mit insgesamt 24.336 Teilnehmenden zusammen. Die größte der eingeschlossenen Studien untersuchte 3.800 Personen, die kleinste 21. In 83 Studien wurden Kortikosteroide mit einer Behandlung ohne Kortikosteroide verglichen – in 59 Studien mit einer Scheinbehandlung (Placebo) und in 24 Studien mit der Standardversorgung. In vier Studien wurde die kontinuierliche Verabreichung von Kortikosteroiden mit einer schnellen Injektion in regelmäßigen Abständen (Bolusgabe alle sechs oder acht Stunden) verglichen. 33 Studien wurden in Europa durchgeführt, 15 in Nordamerika, 22 in Asien, jeweils sechs im Nahen Osten und in Afrika sowie drei in Lateinamerika. Vier Studien fanden in mehreren Ländern statt.

Drei Studien wurden von einem Arzneimittelhersteller finanziert, 27 durch öffentliche Stellen oder gemeinnützige Organisationen und sechs sowohl durch einen Arzneimittelhersteller als auch durch öffentliche oder gemeinnützige Geldgeber. In 25 Studien wurde die Finanzierungsquelle nicht angegeben.

Im Vergleich zu Placebo oder zur üblichen Behandlung senken Kortikosteroide das Sterberisiko nach 28 Tagen wahrscheinlich um 10% (72 Studien mit 22.915 Teilnehmenden). Es wurde kein Unterschied in der Wirkung zwischen Kindern und Erwachsenen beobachtet. Langfristig – über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten – haben Kortikosteroide möglicherweise nur geringe oder keine Auswirkungen auf das Sterberisiko. Diese Ergebnisse sind jedoch weniger zuverlässig. Kortikosteroide verringern wahrscheinlich das Risiko, während des Krankenhausaufenthalts zu sterben. Kortikosteroide verkürzen möglicherweise die Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation und im Krankenhaus. Möglicherweise hat die Gabe von Kortikosteroiden nur einen geringfügigen oder keinen Einfluss auf das Risiko einer Superinfektion (einer zusätzlichen Infektion). Es ist unklar, ob Kortikosteroide einen Effekt auf das Risiko für Muskelschwäche haben. Die Evidenz dazu ist sehr unsicher.

Es ist unklar, ob eine kontinuierliche Infusion von Kortikosteroiden über die Vene wirksamer ist als einzelne schnelle Injektionen (sogenannte Bolusgaben). Vier Studien lieferten Daten zu diesem Vergleich. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz war bei allen untersuchten Endpunkten sehr niedrig.

Was schränkt die Aussagekraft der Evidenz ein?

- Kortikosteroide im Vergleich zu Placebo oder zur Standardversorgung

Wir haben moderates Vertrauen in die Evidenz, dass Kortikosteroide das Sterberisiko innerhalb von 28 Tagen senken. Zwischen den Studien gab es Unterschiede bei den Teilnehmenden, den verwendeten Kortikosteroiden, der Art der Verabreichung und der zusätzlichen medikamentösen Behandlung.

- Kontinuierliche Infusion im Vergleich zu Bolusgaben von Kortikosteroiden

Wir haben sehr wenig Vertrauen in die Evidenz, ob sich das Sterberisiko innerhalb von 28 Tagen zwischen der kontinuierlichen Verabreichung von Kortikosteroiden und wiederholten Bolusgaben unterscheidet. Für diesen Vergleich fanden wir nur vier Studien mit jeweils nur wenigen Teilnehmenden.

Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?

Es wurden Studien bis Dezember 2023 berücksichtigt.

Anmerkungen zur Übersetzung

A. Zink, M. Zeitler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

Citation
Annane D, Briegel J, Granton D, Bellissant E, Bollaert PE, Keh D, Kupfer Y, Pirracchio R, Rochwerg B. Corticosteroids for treating sepsis in children and adults. Cochrane Database of Systematic Reviews 2025, Issue 6. Art. No.: CD002243. DOI: 10.1002/14651858.CD002243.pub5.