Verbesserung des Zugangs zu Nahrungsmitteln in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen

Fragestellung des Reviews

Wir untersuchten die Auswirkungen von Interventionen auf kommunaler Ebene zu Verbesserung des Zugangs zu nahrhaften Lebensmitteln in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen auf Menschen, Haushalte und die Gemeinde.

Hintergrund

Ernährungssicherheit besteht, wenn die Menschen physischen, sozialen und wirtschaftlichen Zugang zu ausreichenden, sicheren und nahrhaften Lebensmitteln haben, um gesund zu sein. Die Zahl der Menschen, die nicht genug zu essen haben, nimmt seit 2015 weltweit zu. Die meisten dieser Menschen leben in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, insbesondere in Asien und Afrika. Wenn man keinen Zugang zu nahrhaften Lebensmitteln hat, entweder weil man nicht genug Geld hat oder weil man in der Nähe des Wohnortes nicht einkaufen oder Lebensmittel finden kann, beeinträchtigt dies die Gesundheit und die sozioökonomische Situation der Menschen und Gesellschaften, sowohl kurz- als auch langfristig. Strategien, die sich auf Gemeinschaften konzentrieren, könnten wichtig sein, um den Zugang zu Nahrungsmitteln in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu verbessern.

Studienmerkmale

Wir fanden 59 Studien, die verschiedene Interventionen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen bewerteten. Sie schlossen 214 bis 169.485 Teilnehmer und 300 bis 124.644 Haushalte ein, hauptsächlich in Afrika und Lateinamerika. Viele Studien untersuchten Geldtransfers. Das sind Wohlfahrtsprogramme, bei denen den Haushalten Geld zur Verfügung gestellt wird. Davon bewerteten 21 Studien bedingungslose Geldtransfers, bei denen es keine Bedingungen für den Erhalt des Geldes gibt, und 14 Studien bewerteten bedingte Geldtransfers, bei denen bestimmte Bedingungen erfüllt werden müssen, um das Geld zu erhalten. Siebzehn Studien befassten sich mit einkommensfördernden Interventionen (z.B. Viehwirtschaft oder Selbsthilfegruppen), vier Studien mit Nahrungsmittelgutscheinen, vier Studien mit der Bereitstellung von Nahrungsmittel- und Ernährungssubventionen und zwei Studien mit Maßnahmen der sozialen Unterstützung, wie z.B. durch Ersparnisse und Kreditprogramme für Dörfer und durch Zuschussprogramme der Gemeinde.

Zeitpunkt der Suche

Die Evidenz ist auf dem Stand von Februar 2020.

Hauptergebnisse

Interventionen, die die Kaufkraft steigerten:

Bedingungslose Geldtransfers verbessern die Ernährungssicherheit und wirken sich kaum oder gar nicht auf die kognitiven Funktionen (Gedanken und Verständnis) und die Entwicklung aus (Evidenz von hoher Qualität), könnten die Ernährungsvielfalt erhöhen (Vielfalt der Lebensmittel, die Menschen oder Haushalte aus verschiedenen Nahrungsmittelgruppen essen) und Verkümmerung (schlechtes Wachstum) verringern (Evidenz von niedriger Qualität). Es ist sehr ungewiss, ob bedingungslose Geldtransfers den Anteil der Haushaltsausgaben für Lebensmittel reduzieren und Auszehrung verringern. Was die unerwünschten Endpunkte betrifft, so deutet die Evidenz einer Studie darauf hin, dass bedingungslose Geldtransfers den Anteil übergewichtiger Säuglinge verringern.

Bedingte Geldtransfers machen wenig bis gar keinen Unterschied im Anteil der Haushaltsausgaben für Nahrungsmittel und verbessern die kognitive Funktion bei Kindern geringfügig (Evidenz von hoher Qualität), verbessern wahrscheinlich die Ernährungsvielfalt geringfügig (Evidenz von moderater Qualität) und könnten wenig bis gar keinen Unterschied beim Verkümmern oder Auszehren (geringes Körpergewicht) ausmachen (Evidenz von niedriger Qualität). Die Evidenz zu unerwünschten Endpunkten (zwei Studien) zeigt, dass bedingte Geldtransfers keinen Einfluss auf den Anteil übergewichtiger Kinder haben.

Strategien zur Schaffung von Einkommen ändern wenig oder gar nichts an der Verkümmerung oder Auszehrung (Evidenz von moderater Qualität), könnten wenig bis gar keinen Unterschied in der Ernährungssicherheit bewirken und die Ernährungsvielfalt bei Kindern, aber nicht bei Haushalten verbessern (Evidenz von niedriger Qualität).

Interventionen, die sich mit Nahrungsmittelpreisen befassten:

Essensgutscheine verringern wahrscheinlich die Verkümmerung (Evidenz von moderater Qualität), könnten die Vielfalt der Ernährung leicht verbessern und zu geringen bis keinen Unterschieden bei der Auszehrung führen (Evidenz von niedriger Qualität).

Nahrungsmittel- und Ernährungssubventionen könnten die Ernährungsvielfalt bei Schulkindern verbessern (Evident von niedriger Qualität). Wir sind sehr unsicher über die Auswirkungen auf die Ausgaben der Haushalte für gesunde Lebensmittel im Verhältnis zu den Gesamtausgaben für Lebensmittel (Evidenz von sehr niedriger Qualität).

Interventionen, die sich auf das soziale Umfeld bezogen:

Interventionen zur sozialen Unterstützung, wie z.B. Gemeinschaftszuschüsse, machen wahrscheinlich wenig bis gar keinen Unterschied in Bezug auf Auszehrung (Evidenz von moderater Qualität) und könnten wenig oder gar keinen Unterschied in Bezug auf die Verkümmerung ausmachen (Evidenz von niedriger Qualität). Wir sind sehr unsicher, was die Auswirkungen von Ersparnissen und Krediten von den Dörfern auf die Ernährungssicherheit oder die Ernährungsvielfalt betrifft (Evidenz von sehr niedriger Qualität).

Keine der eingeschlossenen Studien befasste sich mit der Interventionskategorie der Infrastrukturveränderungen, und keine der eingeschlossenen Studien berichtete über einen der primären Endpunkte: die Prävalenz der Unterernährung.

Zu den Einschränkungen des Reviews gehören u.a., dass nicht alle notwendigen Informationen darüber vorliegen, was gemessen wurde (Endpunkte), dass Urteile darüber gefällt werden mussten, welche Endpunktmessungen zu berichten sind, und dass die Ergebnisse aller Studien, die über denselben Endpunkt berichten, nicht zusammengeführt werden können. Eine weitere Einschränkung bestand darin, dass wir nicht in der Lage waren, herauszufinden, welche spezifischen Merkmale einer Intervention die wirksame Durchführung der Intervention ermöglichen oder behindern.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Es gibt vielfältige Evidenz dafür, dass bedingungslose Geldtransfers die Ernährungssicherheit verbessern können. Einkommensfördernde Maßnahmen scheinen keinen Unterschied bei der Ernährungssicherheit zu bewirken, aber die Evidenz ist unklar für andere Interventionsformen. Bedingte Geldtransfers, bedingungslose Geldtransfers, einkommensfördernde Interventionen sowie Interventionen, die helfen, die Auswirkungen von Lebensmittelpreisen durch Lebensmittelgutscheine und Subventionen zu minimieren, können potenziell die Ernährungsvielfalt verbessern. Bedingungslose Geldtransfers und Essensgutscheine könnten einen potenziellen Einfluss auf Wachstumsverzögerungen haben; aber an Bedingungen geknüpfte Geldtransfers, einkommensfördernde Interventionen oder Interventionen im sozialen Umfeld scheinen keinen Unterschied hinsichtlich Auszehrung oder Wachstumsverzögerung zu bewirken. An Bedingungen geknüpfte Geldtransfers scheinen sich positiv auf die kognitive Funktion und Entwicklung auszuwirken. Dies ist bei bedingungslosen Geldtransfers nicht der Fall, was möglicherweise auf den Schulbesuch, die Nutzung des Gesundheitssystems und sonstigen mit bedingten Geldtransfers verbundenen Auflagen zurückzuführen ist.

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Hintergrund: 

Nach Jahrzenten des Rückgangs (seit 2005) verzeichnet die weltweite Prävalenz der Unterernährung eine Umkehrung und ist seit 2015 wieder auf das Niveau der Jahre 2010 bis 2011 angestiegen. Die Prävalenz ist am höchsten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommensniveau, insbesondere in Afrika und Asien. Ernährungsunsicherheit und damit verbundene Unterernährung wirken sich kurz- und langfristig nachteilig auf die Gesundheit und die sozioökonomische Entwicklung von Individuen, einschließlich Kindern, sowie Gesellschaften aus. Entscheidend für die Gewährleistung der Ernährungssicherheit ist der Zugang zu Nahrungsmitteln, in physischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Interventionen auf lokaler Ebene könnten wichtig sein, um den Zugang zu Nahrungsmitteln in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommensniveau zu verbessern.

Zielsetzungen: 

Als Ziel des Reviews sollten die Wirkungen von Interventionen auf lokaler Ebene bestimmt werden, wie man den Zugang zu nährstoffreichen Lebensmitteln in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommensniveau verbessern kann. Dies gilt sowohl für die gesamte lokale Bevölkerung als auch für benachteiligte oder gefährdete Einzelpersonen oder Gruppen innerhalb einer Community, wie z.B. Säuglinge, Kinder und Frauen, ältere, arme oder arbeitslose Menschen oder Minderheiten.

Suchstrategie: 

Wir suchten in 16 elektronischen Datenbanken nach relevanten Studien , einschließlich Studienregistern, für den Zeitraum 1980 bis September 2019 und aktualisierten die Suche in sechs wichtigen Datenbanken im Februar 2020. Wir haben keine Einschränkungen hinsichtlich Sprache und Publikationsstatus vorgenommen.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien (RCTs), cluster-randomisierte kontrollierte Studien (cRCTs) und prospektive kontrollierte Studien (PCS) ein. Die Studienteilnehmenden konnten aus alle Bevölkerungsgruppen sein, sowohl Erwachsene als auch Kinder, die in Communities in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommensniveau leben. Sie sollten an Interventionen auf lokaler Ebene, die den Zugang zu Nahrungsmitteln verbessern sollten, teilnehmen. Wir schlossen Studien aus, die nur Teilnehmende mit bestimmten Krankheiten oder Einschränkungen eingeschlossen hatten (z.B. stark unterernährte Kinder).

Die eingeschlossenen Interventionen wurden grob in folgende Kategorien eingeteilt: Verbesserung der Kaufkraft (z.B. Maßnahmen zur Einkommenssteigerung, Bargeldtransferprogramme), Unterstützung für Lebensmittelkosten (z.B. Gutscheine und Subventionen), Verbesserung der Infrastruktur und des Transports, die sich auf den physischen Zugang zu Lebensmittelgeschäften auswirken, Ansätze innerhalb des sozialen Umfelds und Bereitstellung sozialer Unterstützung (z.B. soziale Unterstützung durch Familie, Nachbarn oder Regierungsstellen).

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Autoren überprüften anhand der Einschlusskriterien unabhängig voneinander Titel und Abstracts sowie die Volltexte der potenziell in Frage kommenden Studien. Unstimmigkeiten wurden durch Diskussion oder Hinzuziehen der Meinung eines dritten Autors gelöst, falls dies erforderlich wurde.

Für jede der eingeschlossenen Studien extrahierten zwei Autoren unabhängig voneinander die Daten und ein dritter Autor entschied bei Unstimmigkeit. Jedoch wurden Endpunktbezogene Daten nur von einem Autor extrahiert und von einem Biostatistiker gegengeprüft.

Wir bewerteten das Risiko für Bias aller Studien mit Hilfe des Effective Practice and Organization of Care (EPOC) risk of bias tool für Studien mit einer separaten Kontrollgruppe.

Wir führten Meta-Analysen durch, wenn es mindestens zwei Studien mit Interventionen innerhalb der gleichen Kategorie gab, die das gleiche Messverfahren für Endpunkte verwendet hatten und wenn diese Ergebnismaße ausreichend homogen waren. Wo wir in der Lage waren eine Meta-Analyse durchzuführen, haben wir das Random-Effects-Modell verwendet, um eine eventuell vorhandene Heterogenität besser mitzuberücksichtigen. In den Fällen, in denen wir keine Meta-Analysen durchführen konnten, haben wir eine Synthese mit Hilfe des sogenannten „Vote Countings“ (d.h. eine Studie mit einem positiven Ergebnis wird hierbei als positive Stimme gewertet) auf Basis der Effektrichtung durchgeführt.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen 59 Studien mit 214 bis 169.485 Teilnehmenden und 300 bis 124.644 Haushalten ein, hauptsächlich aus Afrika und Lateinamerika, die sich mit den folgenden sechs Interventionstypen befassten (drei Studien untersuchten zwei verschiedene Arten von Interventionen).

Interventionen, die die Kaufkraft steigerten:

Bedingungslose Geldtransfers (16 cRCTs, zwei RCTs, drei PCSs): Wir fanden Evidenz mit hoher Vertrauenswürdigkeit, dass bedingungslose Geldtransfers die Ernährungssicherheit verbessern und keinen oder nur einen geringen Einfluss auf die kognitive Funktion und Entwicklung nehmen. Auch fanden wir Evidenz mit niedriger Vertrauenswürdigkeit, dass bedingungslose Geldtransfers möglicherweise die Ernährungsvielfalt erhöhen und Wachstumsverzögerungen bei Kindern reduzieren könnten. Die Evidenz bezüglich der Wirkungen von bedingungslosen Geldtransfers auf den Anteil der Haushaltsausgaben für Lebensmittel und den Endpunkt Auszehrung war sehr unsicher. Was die unerwünschten Endpunkte betrifft, so deutet die Evidenz einer Studie darauf hin, dass bedingungslose Geldtransfers den Anteil übergewichtiger Säuglinge verringern.

Bedingte Geldtransfers (neun cRCTs, fünf PCSs): Wir fanden Evidenz mit hoher Vertrauenswürdigkeit, dass an Bedingungen geknüpfte Transfers zu einem geringen bis keinem Unterschied beim Anteil der Haushaltsausgaben für Nahrungsmittel führen und dass sie die kognitiven Funktionen bei Kindern leicht verbessern; Evidenz mit moderater Vertrauenswürdigkeit, dass diese wahrscheinlich die Ernährungsvielfalt leicht verbessern und Evidenz mit niedriger Vertrauenswürdigkeit, dass sie einen geringen bis gar keinen Unterschied bei Wachstumsverzögerungen oder Auszehrung bewirken.bewirken. Die Evidenz zu unerwünschten Ereignissen (zwei Studien) zeigt, dass bedingte Bargeldtransfers keinen Einfluss auf den Anteil an übergewichtigen Kindern haben.

Einkommensfördernde Interventionen (sechs cRCTs, 11 PCSs): Wir fanden Evidenz mit moderater Vertrauenswürdigkeit, dass einkommensfördernde Interventionen wahrscheinlich keinen oder nur einen geringen Unterschied bezüglich Wachstumsverzögerung oder Auszehrung bewirken; und Evidenz mit niedriger Vertrauenswürdigkeit, dass sie zu einem geringen bis gar keinem Unterschied hinsichtlich Ernährungssicherheit führen oder dass sie zwar die Ernährungsvielfalt bei Kindern, jedoch nicht von Haushalten, verbessern können.

Interventionen, die sich mit Nahrungsmittelpreisen befassten:

Essensgutscheine (drei cRCTs, ein RCT): Wir fanden Evidenz mit moderater Vertrauenswürdigkeit, dass Essensgutscheine wahrscheinlich Wachstumsverzögerung reduzieren kann; und Evidenz mit niedriger Vertrauenswürdigkeit, dass diese die Ernährungsvielfalt leicht verbessern können und zu einem geringen bis keinem Unterschied bei dem Endpunkt Auszehrung führen.

Nahrungsmittel- und Ernährungssubventionen (eine cRCT, drei PCSs): Wir fanden Evidenz mit niedriger Vertrauenswürdigkeit, dass Nahrungsmittel- und Ernährungssubventionen die Ernährungsvielfalt bei Schulkindern verbessern können. Die Evidenz verbleibt sehr unklar in Bezug auf die Auswirkungen auf die Haushaltsausgaben für gesunde Lebensmittel als Anteil an den Gesamtausgaben für Lebensmittel (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Interventionen, die sich auf das soziale Umfeld bezogen:

Interventionen zur sozialen Unterstützung (eine cRCT, eine PCS): Wir fanden Evidenz mit moderater Vertrauenswürdigkeit, dass Zuschussprogramme der Gemeinde wahrscheinlich keinen oder nur einen geringen Unterschied hinsichtlich Auszehrung bewirken; Evidenz mit niedriger Vertrauenswürdigkeit, dass diese möglicherweise keinen oder nur einen geringen Unterschied beim Endpunkt Wachstumsverzögerung ausmachen. Inwiefern sich Sparmaßnamen und Kreditprogramme einzelner Dörfer auf die Ernährungssicherheit oder die Ernährungsvielfalt auswirken, bleibt von der Evidenz her unklar.

Keine der eingeschlossenen Studien befasste sich mit der Interventionskategorie der Infrastrukturveränderungen. Darüber hinaus berichtete keine der Studien bezüglich eines bestimmten primären Endpunktes dieses Reviews: Prävalenz der Unterernährung.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

T. Heise, M. Zelck, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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