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Welchen Nutzen und welche Risiken haben langwirksame Natrexon-Arzneiformen bei der Behandlung der Opioidabhängigkeit?

Kernaussagen

- Insgesamt ist unklar, ob Personen, die mit langwirksamen Natrexon-Arzneiformen behandelt werden, seltener illegale Opioide wie Heroin konsumieren als Personen, die mit Opioid-Agonisten wie Buprenorphin oder Methadon behandelt werden.

- Personen, die mit langwirksamen Natrexon-Arzneiformen behandelt werden, konsumieren seltener illegale Opioide als Personen, die die herkömmliche Standardbehandlung erhalten. Möglicherweise ist das auch der Fall verglichen mit oralem Naltrexon und Placebo.

- Eine Behandlung mit langwirksamen Naltrexon-Arzneiformen ist möglicherweise etwas weniger sicher als eine Behandlung mit Opioid-Agonisten, aber wahrscheinlich sicherer als eine herkömmliche Standardbehandlung.

- Medizinisches Fachpersonal und Betroffene sollten die Verfügbarkeit und die Eigenschaften der Behandlungsoptionen abwägen. Langwirksame Natrexon-Arzneiformen können die Abstinenz unterstützen, ohne die individuelle Freiheit einzuschränken, erfordern jedoch eine Entgiftung. Für eine fundierte Einschätzung der langfristigen Sicherheit und Therapietreue ist jedoch weitere Evidenz notwendig.

Was ist eine Opioidabhängigkeit?

Opioide Substanzen, einschließlich Heroin und verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln wie Oxycodon, bergen das Risiko einer Abhängigkeit und schwerwiegender gesundheitlicher Folgen. Die Behandlung einer Abhängigkeit besteht häufig darin, diese Opioide durch „sicherere“ Opioide wie Methadon oder Buprenorphin zu ersetzen. Es gibt aber auch andere Behandlungsoptionen, beispielsweise eine psychologische Therapie oder das Medikament Naltrexon. Die erfolgreiche Bewältigung einer Opioidabhängigkeit stellt nach wie vor eine erhebliche Herausforderung dar – nicht zuletzt wegen ihrer Komplexität und der hohen Rückfall- sowie Überdosierungsgefahr.

Was wollten wir herausfinden?

In diesem Review sollte die Behandlung mit langwirksamen Natrexon-Arzneiformen (z.B. Depotinjektionen) mit anderen Behandlungen oder dem Verzicht auf eine Behandlung bei Opioidabhängigkeit verglichen werden. Naltrexon ist nicht zu verwechseln mit Naloxon, einem kurzwirksamen Medikament, das zur Behandlung einer Opioidüberdosis eingesetzt wird. Zu den anderen Behandlungen zählen die Gabe „sichererer“ Opioid-Agonisten (wie Methadon oder Buprenorphin), oralem Naltrexon (Tabletten zum Einnehmen), Placebo (eine Scheinbehandlung ohne Wirkstoff, die jedoch äußerlich dem echten Medikament gleicht), die herkömmliche Standardbehandlung sowie psychosoziale Therapien, z. B. Psychotherapie, Psychoedukation und Selbsthilfegruppen, die sowohl psychologische als auch soziale Aspekte psychischer Erkrankungen adressieren.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten in wissenschaftlichen Datenbanken nach Studien bis Dezember 2023. Wir identifizierten 22 randomisierte kontrollierte Studien (Studien, in denen die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip einer von zwei oder mehr Behandlungs- oder Kontrollgruppen zugewiesen wurden), an denen 3416 Erwachsene und Jugendliche mit einer Opioidabhängigkeit teilnahmen. Vierundsiebzig Prozent der Studienteilnehmenden waren männlich; das Durchschnittsalter lag bei 40 Jahren. Zwölf der 22 Studien wurden in den USA oder Kanada durchgeführt, fünf in Russland, drei in Norwegen und jeweils eine im Vereinigten Königreich und in Australien. Die wichtigsten von uns untersuchten Endpunkte waren der Opioidkonsum und die Sicherheit der Behandlung.

In drei Studien wurden langwirksame Natrexon-Arzneiformen mit Opioid-Agonisten verglichen, in fünf mit oralem Naltrexon, in sechs mit Placebo, in neun mit der herkömmlichen Standardbehandlung und in einer mit psychosozialen Maßnahmen.

Was fanden wir?

Bei einem Vergleich von langwirksamen Natrexon-Arzneiformen und Opioid-Agonisten nimmt der Konsum illegaler Opioide wahrscheinlich unter Naltrexon leicht zu. Vergleicht man hingegen langwirksame Natrexon-Arzneiformen mit der herkömmlichen Standardbehandlung, so zeigt sich, dass Naltrexon den Konsum illegaler Opioide reduziert. Im Vergleich mit oralem Naltrexon geht der illegale Opioidkonsum möglicherweise zurück, und verglichen mit Placebo gibt es möglicherweise nur einen geringen oder gar keinen Unterschied. Wir fanden keine Studien, die langwirksame Natrexon-Arzneiformen mit psychosozialen Behandlungen verglichen und einen unserer primären Endpunkte untersuchten.

Insgesamt ist unklar, ob die Therapietreue bei langwirksamen Natrexon-Arzneiformen besser ist als bei anderen Behandlungen oder im Vergleich zu Placebo.

Hinsichtlich der Akzeptanz der Behandlung ist unklar, ob mehr Menschen eine Therapie mit langwirksamen Natrexon-Arzneiformen beginnen als eine Behandlung mit Opioid-Agonisten. Im Vergleich zu oralem Naltrexon oder Placebo gibt es möglicherweise nur einen geringen oder gar keinen Unterschied in Bezug auf den Anteil der Personen, die eine Behandlung beginnen. Im Vergleich zur herkömmlichen Standardbehandlung beginnen möglicherweise weniger Menschen eine Behandlung mit langwirksamen Natrexon-Arzneiformen.

Im Vergleich zur Behandlung mit Opioid-Agonisten erhöhen langwirksame Natrexon-Arzneiformen möglicherweise schwerwiegende unerwünschte oder schädliche Ereignisse leicht. Es ist unklar, ob langwirksame Natrexon-Arzneiformen zu mehr oder weniger schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen führen als orales Naltrexon. Im Vergleich zu Placebo gibt es möglicherweise nur einen geringen oder gar keinen Unterschied in dem Anteil der Personen, die schwerwiegende unerwünschte Ereignisse erleben. Langwirksame Natrexon-Arzneiformen reduzieren wahrscheinlich schwerwiegende unerwünschte Ereignisse im Vergleich zur herkömmlichen Standardbehandlung.

Was schränkt die Evidenz ein?

Insgesamt haben wir ein begrenztes Vertrauen in die Evidenz. Einer der Gründe dafür ist, dass die Teilnehmenden höchstwahrscheinlich wussten, welchen Behandlungen sie zugewiesen wurden, auch wenn die Forschenden in vielen Fällen versuchten, die zugewiesene Behandlung für Teilnehmende und Behandelnde zu verbergen. Opioidabhängigkeit geht mit starkem Verlangen („Craving“) nach der Droge und einem erhöhten Rückfallrisiko während einer Behandlung einher. Teilnehmende, die während der Behandlung Craving erlebten oder sogar versuchten, Drogen wie Heroin zu konsumieren, konnten daran erkennen, welcher Art von Behandlung sie zugeteilt worden waren. Ein weiterer entscheidender Grund für unser begrenztes Vertrauen in die Evidenz ist die Tatsache, dass die Anzahl der Studien und der daran teilnehmenden Personen oft zu gering war, um präzise Ergebnisse zu erhalten. Weitere Gründe für unser verringertes Vertrauen waren uneinheitliche Studienergebnisse sowie nationale Behandlungsleitlinien in einigen Studien, die eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Länder erschweren.

Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand von Dezember 2023.

Anmerkungen zur Übersetzung

M. Zeitler, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

Zitierung
Kornør H, Lobmaier PPK, Kunøe N. Sustained-release naltrexone for opioid dependence. Cochrane Database of Systematic Reviews 2025, Issue 5. Art. No.: CD006140. DOI: 10.1002/14651858.CD006140.pub3.

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