Medikamente, die auf das abnormale Protein Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor bei hochgradigen, aggressiven Hirntumoren abzielen

Hintergrund

Glioblastome sind sehr aggressive Hirntumore. Sie entwickeln sich häufig schnell und mit verheerenden Auswirkungen, abhängig davon, in welchem Teil des Gehirns sie sich befinden. Sie treten häufig, ohne jegliche „Warnzeichen“, bei Menschen auf, deren Leistungsfähigkeit zuvor gut und hoch gewesen ist. Es gibt keine bekannten Risikofaktoren. Die Auswirkungen auf Menschen mit Glioblastomen, ihre Familie, Freunde und die Gesellschaft sind höchst problematisch. Die Standardbehandlung umfasst die operative Entfernung des Tumors mit einer anschließenden kombinierten Chemo- und Strahlentherapie, gefolgt von einer weiteren sechsmonatigen Chemotherapie. Diese Strategie zielt lediglich darauf ab, die Erkrankung zu kontrollieren und einzudämmen und ihre Wiederkehr hinauszuzögern, da sie bislang nicht geheilt werden kann.

Wissenschaftler haben Genveränderungen in Glioblastom-Gewebeproben entdeckt und untersucht, was zu klinischen Studien zur Überprüfung neuer medikamentöser Therapien durchgeführt hat. Das Protein Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor (Epidermal Growth Factor Receptor, kurz EGFR), das normalerweise das Zellwachstum reguliert, ist bei Glioblastomen in etwa 30 % bis 60 % der Fälle abnormal. Diese Abnormalität kann zu einem ungebremsten Zellwachstum und ungebremster Zellteilung führen und das aggressive Potenzial des Tumors steigern. Derzeit ist bekannt, dass die Überlebenszeit von Menschen mit Glioblastomen und abnormalem EGFR kürzer sein kann.

Es sind einige klinische Studien mit Arzneimitteln, die auf dieses Protein abzielen, durchgeführt worden. Ziel dieses Reviews war es, die gesamte verfügbare Evidenz zu erfassen und die Risiken und den Nutzen dieser Art von Therapie bei Glioblastomen zu ermitteln, insbesondere im Hinblick darauf, ob Anti-EGFR-Medikamente das Überleben verbessern können und gleichzeitig eine verträgliche Therapie ohne Nebenwirkungen darstellen.

Methoden

Wir suchten bis April 2020 in medizinischen Datenbanken nach randomisierten kontrollierten Studien (einer Studienart, bei der die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip einer von zwei oder mehr Behandlungsgruppen zugeteilt werden), in denen Anti-EGFR-Therapien bei Patienten mit Glioblastomen untersucht wurden.

Hauptergebnisse

Insgesamt wurde kein Nutzen hinsichtlich einer Verbesserung des Gesamtüberlebens durch eine Anti-EGFR-Therapie bei Personen mit neu diagnostizierten Glioblastomen oder wiederkehrendem Auftreten festgestellt. Die Durchführung von Anti-EGFR-Therapien war nicht mit einem erhöhten Auftreten von Nebenwirkungen wie niedrigen Werten bei den Leukozyten (weißen Blutkörperchen) oder Thrombozyten (Blutplättchen) verbunden. Es gab einige zu erwartende Nebenwirkungen wie Hautausschläge und Durchfall, die jedoch nicht schwerwiegend waren und die Lebensqualität der Teilnehmenden nicht zu beeinträchtigen schienen. Die Anti-EGFR-Therapie führte bei Personen, bei denen das Glioblastom neu diagnostiziert worden war, nicht zu einer Verzögerung des Fortschreitens, jedoch wurde bei Patienten mit wiederkehrender Erkrankung eine Verbesserung beobachtet.

Schlussfolgerungen

Derzeit liegt keine ausreichende Evidenz vor, die die Durchführung einer Anti-EGFR-Therapie bei neu diagnostizierten oder wiederkehrenden Glioblastomen stützt. Obwohl sich die Therapie im Allgemeinen nicht von anderen Anti-EGFR-Therapien unterscheidet, können bei ABT-414 erhebliche Nebenwirkungen am Auge auftreten. Insgesamt scheinen Anti-EGFR-Therapien die Lebensqualität nicht zu beeinträchtigen. Der künftige Einsatz einer Anti-EGFR-Therapie bei der Behandlung von Glioblastomen bedarf weiterer Untersuchungen. Zukünftige Forschung sollte gefördert werden und auf Menschen mit Glioblastomen mit bekannten abnormalen EGFR-Rezeptoren fokussieren.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

B. Fiess, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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