Dosis-eskalierte Strahlentherapie zur Heilung von Männern mit örtlich begrenztem Prostatakrebs

Reviewfrage

Wie verhält sich eine höhere Strahlendosis im Vergleich zu einer niedrigeren Dosis bei der Behandlung von Prostatakrebs, der auf die Prostata beschränkt ist? 

Hintergrund

Die Behandlung von Prostatakrebs umfasst Operation, Strahlentherapie, Hormontherapie und Chemotherapie. Die Strahlentherapie (RT) ist eine Behandlungsmethode, bei der hochenergetische Strahlen gezielt eingesetzt werden, um Krebszellen zu zerstören. Bei der sogenannten Dosis-eskalierten Strahlentherapie (RT) wird die Strahlendosis im Vergleich zur herkömmlichen (konventionellen) Therapie erhöht, um die Krebszellen effektiver zu zerstören. Allerdings kann dies auch zu verstärkten Nebenwirkungen führen, da die erhöhte Strahlenbelastung umliegende Organe wie die Blase und das Rektum beeinträchtigen kann. Wir haben diesen Review durchgeführt, um die beiden Arten von Strahlentherapien miteinander zu vergleichen. 

Studienmerkmale

Wir fanden neun Studien mit 5437 Männern, in denen eine Dosis-eskalierte RT mit einer konventionellen RT verglichen wurde. Die meisten der Patienten waren in ihren späten 60ern bis frühen 70ern, und die meisten von ihnen hatten Prostatakrebs im Frühstadium.

Hauptergebnisse

Im Vergleich zur konventionellen RT-Dosis hat die Dosis-eskalierte RT wahrscheinlich nur minimale oder gar keine Auswirkungen auf das Risiko, an Prostatakrebs zu sterben. Wahrscheinlich hat sie langfristig auch nur minimale oder gar keine Auswirkungen auf schwere unerwünschte Wirkungen im Darm oder an der Blase. Wahrscheinlich gibt es auch nur einen minimalen oder gar keinen Unterschied im Risiko, an irgendeiner Ursache zu sterben oder an einer Ausbreitung auf andere Organe (wie die Knochen oder Lymphknoten) zu erkranken. Abhängig von der jeweiligen Messung der langfristigen Lebensqualität hat die Dosis-eskalierte RT wahrscheinlich nur minimale oder gar keine Wirkungen auf die körperliche Gesundheit und möglicherweise nur minimale oder gar keine Wirkungen auf die mentale Gesundheit.

Vertrauenswürdigkeit der Evidenz

Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für alle wichtigen Ergebnisse war moderat oder niedrig. Die tatsächlichen Wirkungen könnten sich von den in diesem Review festgestellten Wirkungen unterscheiden.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Im Vergleich zur konventionellen RT führt die Dosis-eskalierte RT wahrscheinlich zu einem minimalen oder gar keinem Unterschied in der Zeit bis zum Tod durch Prostatakrebs, der Zeit bis zum Tod aus jeglicher Ursache, der Zeit bis zur Fernmetastasierung und den RT-Toxizitäten (außer der späten GI-Toxizität). Eine Dosis-eskalierte RT erhöht zwar möglicherweise die späte gastrointestinale Gesamttoxizität, führt aber möglicherweise zu einem minimalen oder gar keinem Unterschied in der mentalen Lebensqualität und wahrscheinlich zu einem minimalen oder gar keinem Unterschied in der körperlichen Lebensqualität.

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Hintergrund: 

Zu den Behandlungen bei klinisch lokalisiertem Prostatakarzinom gehören die radikale Prostatektomie, externe Strahlentherapie, Brachytherapie, aktive Überwachung, Hormontherapie und kontrolliertes Abwarten. Bei der externen Strahlentherapie (RT) ist zu erwarten, dass sich die onkologischen Endpunkte mit zunehmender Strahlendosis verbessern. Allerdings können auch die strahlenbedingten Wirkungen auf umliegende kritische Organe zunehmen.

Zielsetzungen: 

Bewertet werden die Wirkungen einer dosiseskalierten RT im Vergleich zu einer RT mit konventioneller Dosis zur kurativen Behandlung von klinisch lokalisiertem und lokal fortgeschrittenem Prostatakrebs.

Suchstrategie: 

Wir haben bis zum 20. Juli 2022 eine umfassende Suche in mehreren Datenbanken, einschließlich Studienregistern und anderen Quellen für graue Literatur, durchgeführt. Wir machten keine Einschränkungen hinsichtlich Sprache oder Publikationsstatus.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen parallel-armige randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) zur definitiven RT bei Männern mit klinisch lokalisiertem und lokal fortgeschrittenem Adenokarzinom der Prostata ein. Bei der RT handelte es sich um eine Dosis-eskalierte RT (Äquivalentdosis in 2 Gy [EQD2] ≥ 74 Gy, in weniger als 2,5 Gy pro Fraktion) gegenüber einer herkömmlichen RT (EQD2 < 74 Gy, mit 1,8 Gy oder 2,0 Gy pro Fraktion). Zwei Autor*innen klassifizierten unabhängig voneinander Studien für die Aufnahme oder den Ausschluss.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Autor*innen haben die Daten der eingeschlossenen Studien unabhängig voneinander zusammengefasst. Die statistischen Analysen wurden unter Verwendung eines Random-effects-Modells durchgeführt und gemäß dem Cochrane-Handbuch für systematische Reviews von Interventionen interpretiert. Wir haben die GRADE-Bewertung verwendet, um die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz der RCTs einzustufen.

Hauptergebnisse: 

Wir haben neun Studien mit 5437 Männern in eine Analyse einbezogen, die die Dosis-eskalierte RT mit der konventionellen RT zur Behandlung von Prostatakrebs vergleicht. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag zwischen 67 und 71 Jahren. Fast alle Männer hatten ein lokalisiertes Prostatakarzinom (cT1-3N0M0).

Primäre Endpunkte

Die Dosis-eskalierte RT führt wahrscheinlich zu einem minimalen oder gar keinem Unterschied in der Zeit bis zum Tod durch Prostatakrebs (Hazard Ratio [HR] 0,83, 95% KI 0,66 bis 1,04; I2= 0%; 8 Studien; 5231 Teilnehmer; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit). Unter der Annahme, dass das Risiko, nach 10 Jahren an Prostatakrebs zu sterben, in der Gruppe mit konventioneller RT-Dosis 4 pro 1000 beträgt, entspricht dies 1 Mann weniger pro 1000 (1 weniger bis 0 mehr), der in der Gruppe mit Dosis-eskalierter RT an Prostatakrebs stirbt.

Die Dosis-eskalierte RT führt wahrscheinlich zu einem minimalem oder gar keinem Unterschied bei der schweren RT-Toxizität Grad 3 oder höheren späteren gastrointestinaler (GI) Toxizität (RR 1,72, 95% KI 1,32 bis 2,25; I2 = 0%; 8 Studien; 4992 Teilnehmer; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit); 23 mehr Männer pro 1000 (10 mehr bis 40 mehr) in der Gruppe der Dosis-eskalierten RT unter der Annahme einer schweren späten GI-Toxizität von 32 pro 1000 in der Gruppe der konventionellen RT. Die Dosis-eskalierte RT führt wahrscheinlich zu einem minimalen oder gar keinem Unterschied bei der schweren späten urogenitalen (GU) Toxizität (RR 1,25, 95% KI 0,95 bis 1,63; I2 = 0%; 8 Studien; 4962 Teilnehmer; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit); 9 mehr Männer pro 1000 (2 weniger bis 23 mehr) in der Gruppe der Dosis-eskalierten RT unter der Annahme einer schweren späten GU-Toxizität von 37 pro 1000 in der Gruppe der konventionellen RT.

Sekundäre Endpunkte

Die Dosis-eskalierte RT führt wahrscheinlich zu einem minimalen oder gar keinem Unterschied in der Zeit bis zum Tod jeglicher Ursache (HR 0,98, 95% KI 0,89 bis 1,09; I2= 0%; 9 Studien; 5437 Teilnehmer; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit). Geht man von einem Sterberisiko von 101 pro 1000 nach 10 Jahren in der Gruppe mit konventioneller Strahlendosis aus, so entspricht dies 2 Männern pro 1000 (11 weniger bis 9 mehr), die in der Gruppe mit Dosis-eskalierter RT an einer beliebigen Ursache sterben.

Die Dosis-eskalierte RT führt wahrscheinlich zu einem minimalen oder gar keinem Unterschied in der Zeit bis zum Auftreten einer Fernmetastasierung (HR 0,83, 95% KI 0,57 bis 1,22; I2= 45%; 7 Studien; 3499 Teilnehmer; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit). Geht man von einem Risiko für Fernmetastasen von 29 pro 1000 in der Gruppe mit konventioneller Dosis nach 10 Jahren aus, entspricht dies 5 weniger Männern pro 1000 (12 weniger bis 6 mehr), die in der Gruppe mit Dosis-eskalierter RT Fernmetastasen entwickeln.

Dosis-eskalierte RT kann die späte GI-Toxizität insgesamt erhöhen (RR 1,27, 95% KI 1,04 bis 1,55; I2= 85%; 7 Studien; 4328 Teilnehmer; Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit); 92 mehr Männer pro 1000 (14 mehr bis 188 mehr) in der Gruppe mit Dosis-eskalierter RT unter der Annahme einer gesamten späten GI-Toxizität von 342 pro 1000 in der Gruppe mit konventioneller Dosis. Die Dosis-eskalierte RT führt jedoch möglicherweise zu einem geringen bis gar keinem Unterschied bei der späten GU-Toxizität insgesamt (RR 1,12, 95% CI 0,97 bis 1,29; I2= 51%; 7 Studien; 4298 Teilnehmer; Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit); 34 mehr Männer pro 1000 (9 weniger bis 82 mehr) in der Gruppe der Dosis-eskalierten RT unter der Annahme einer späten GU-Toxizität von insgesamt 283 pro 1000 in der Gruppe der konventionellen RT.

Auf der Grundlage einer langfristigen Nachbeobachtung (bis zu 36 Monate) führt eine Dosis-eskalierte RT möglicherweise oder wahrscheinlich zu einem minimalen oder gar keinem Unterschied in der Lebensqualität unter Verwendung des 36-Item Short Form Survey; körperliche Gesundheit (MD -3,9, 95% KI -12,78 bis 4,98; 1 Studie; 300 Teilnehmer; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit) bzw. psychische Gesundheit (MD -3,6, 95% KI -83,85 bis 76,65; 1 Studie; 300 Teilnehmer; Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit).

Anmerkungen zur Übersetzung: 

DGU, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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