Screening auf Typ-2-Diabetes mellitus

Fragestellung

Welche gesundheitlichen Auswirkungen hat ein Screening (eine Untersuchung) auf Typ-2- Diabetes mellitus im Vergleich zu keinem Screening?

Hintergrund

Typ-2-Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselstörung, die durch einen hohen Blutzuckerspiegel gekennzeichnet ist und zu Folgeschäden wie Nieren- und Augenerkrankungen führen kann. Er kann sich bei Menschen jeden Alters entwickeln, wobei in der Regel Erwachsene ab 65 Jahren am häufigsten betroffen sind. Zu Beginn kann er durch Ernährung und Bewegung behandelt werden. Anfangs kann Typ-2-Diabetes mellitus symptomlos sein, oder mit nur wenigen Symptomen einhergehen, und daher unentdeckt bleiben. Screening von scheinbar gesunden Menschen könnte zur frühzeitigen Feststellung und Behandlung von Typ-2-Diabetes mellitus führen, sowie das Entstehen von Folgeschäden verhindern oder verzögern.

Studienmerkmale

Wir fanden eine randomisierte kontrollierte Studie (eine klinische Studie, bei der die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip einer von zwei oder mehr Behandlungsgruppen zugeteilt werden), bei der 20.184 stark gefährdete Personen aus 33 Allgemeinpraxen in Ostengland entweder zur Untersuchung auf Typ-2-Diabetes eingeladen wurden oder nicht (die ADDITION-Cambridge-Studie). Geeignete Teilnehmer mussten einen erhöhten Diabetes-Risiko-Score aufweisen, durften jedoch keinen bestätigten Diabetes haben. Der Diabetes-Risiko-Score zur Identifizierung von stark gefährdeten Personen beinhaltete Variablen die das Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index (BMI), die Einnahme von verordneten Steroiden und blutdrucksenkenden Medikamenten umfassten. Praxen waren zur Teilnahme an der Studie geeignet, wenn sie Daten zur Berechnung des Risiko-Scores von mindestens 70 % ihrer Patienten zur Verfügung stellen konnten. Insgesamt nahmen 11.737 Personen tatsächlich am Screening teil, während die Gruppe ohne Screening aus 4137 Teilnehmern bestand. In beiden Gruppen waren 36 % der Teilnehmer Frauen; das Durchschnittsalter der Teilnehmer betrug 58,2 Jahre in der Screening-Gruppe und 57,9 Jahre in der Gruppe ohne Screening. In beiden Gruppen nahm fast die Hälfte der Teilnehmer Medikamente gegen Bluthochdruck ein.

Diese Evidenz ist auf dem Stand von Mai 2019.

Hauptergebnisse

Wir sind uns unsicher über die Auswirkungen des Typ-2-Diabetes mellitus-Screenings auf den Tod durch jegliche Ursache und den Tod durch diabetesbedingte Ursachen (die einzigen Endpunkte, die für unsere Untersuchung von Bedeutung sind und für die die Studienautoren zuverlässige Daten geliefert haben). Die eingeschlossene Studie berichtete weder über Nebenwirkungen des Screenings, neu aufgetretene Typ-2-Diabetes Fälle, die gesundheitsbezogene Lebensqualität, glykiertes Hämoglobin A1c (HbA1c) als Langzeitmessung der Glukosekontrolle, noch über sozioökonomische Folgen (wie Kosten des Screenings, Einsatz von Medikamenten, Anzahl von Arztbesuchen).

Vertrauenswürdigkeit der Evidenz

Wir stützten die Bewertung der Vertrauenswürdigkeit der Evidenz nur auf eine Studie. Die allgemeine Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse dieser Studie ist niedrig, da die Ergebnisse nicht präzise sind, d.h. sie könnten sich in jede Richtung ändern, wenn neue Studien veröffentlicht werden.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Wir sind unsicher über die Auswirkungen des Screenings auf Typ-2-Diabetes auf die Gesamtmortalität und die diabetesbedingte Mortalität. Nur aus einer Studie war Evidenz verfügbar. Wir sind daher nicht in der Lage, eindeutige Schlussfolgerungen bezüglich der gesundheitsbezogenen Endpunkte eines frühen Typ-2-Diabetes mellitus-Screenings zu ziehen. Darüber hinaus wurden in der eingeschlossenen Studie nicht alle im Review vorgegebenen Endpunkte bewertet (diabetesbedingte Morbidität, Inzidenz von Typ-2-Diabetes, gesundheitsbezogene Lebensqualität, unerwünschte Ereignisse, sozioökonomische Auswirkungen).

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Hintergrund: 

Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselstörung, die durch Hyperglykämie gekennzeichnet und mit einer hohen gesundheitlichen Belastung durch mikro- und makrovaskuläre Folgeschäden verbunden ist. Sie bleibt oftmals unentdeckt. Screening von scheinbar gesunden Menschen könnte zur frühzeitigen Feststellung und Behandlung von Typ-2-Diabetes mellitus führen, sowie das Entstehen von Folgeschäden verhindern oder verzögern.

Zielsetzungen: 

Es sollten die Auswirkungen eines Screenings auf Typ-2-Diabetes mellitus untersucht werden.

Suchstrategie: 

Wir durchsuchten CENTRAL, MEDLINE, LILACS sowie die WHO ICTRP und ClinicalTrials.gov, wobei die letzte Suche in allen Datenbanken im Mai 2019 durchgeführt wurde. Wir nahmen keine Einschränkungen hinsichtlich der Sprache vor.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien ein, in denen über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten die Wirkung eines Diabetes-Screenings (Massen-, zielgerichtetes oder opportunistisches Screening) bei Erwachsenen und Kindern ohne bekannten Diabetes mellitus im Vergleich zu keinem Diabetes-Screening, untersucht wurde.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autoren prüften unabhängig voneinander Titel und Abstracts auf potenzielle Relevanz, überprüften die Volltexte potenziell relevanter Studien, extrahierten Daten und führten eine Bewertung des Risikos für Bias mit dem Cochrane-"Risk of bias"-Tool durch. Wir beurteilten die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz mithilfe des GRADE-Ansatzes.

Hauptergebnisse: 

Wir überprüften 4651 Titel und Abstracts, die durch die Recherche identifiziert wurden, und bewerteten 92 Volltexte/Aufzeichnungen hinsichtlich der Erfüllung der Einschlusskriterien. Wir schlossen eine Cluster-randomisierte Studie ein, die ADDITION-Cambridge-Studie, an der 20.184 Teilnehmer aus 33 Allgemeinpraxen in Ostengland teilnahmen und in der die Auswirkungen zwischen Einladung zum Diabetes-Screening und Nicht-Einladung stark gefährdeter Personen untersucht wurden. Der Diabetes-Risiko-Score wurde verwendet, um stark gefährdete Personen zu identifizieren. Er umfasste folgende Variablen: Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index und die Einnahme von verordneten Steroiden und blutdrucksenkenden Medikamenten. Siebenundzwanzig Praxen wurden nach dem Zufallsprinzip in die Screening-Gruppe (11.737 Teilnehmer, die tatsächlich am Screening teilnahmen) und fünf Praxen in die Gruppe ohne Screening (4137 Teilnehmer) zugeteilt. In beiden Gruppen waren 36 % der Teilnehmer Frauen; das Durchschnittsalter der Teilnehmer betrug 58,2 Jahre in der Screening-Gruppe und 57,9 Jahre in der Gruppe ohne Screening. Fast die Hälfte der Teilnehmer in beiden Gruppen nahm blutdrucksenkende Medikamente ein. Die Ergebnisse der ersten Phase dieser Studie deuten darauf hin, dass ein Screening im Vergleich zu keinem Screening für Typ-2-Diabetes keinen eindeutigen Unterschied für die Gesamtmortalität zeigte (Hazard Ratio (HR) 1,06, 95 % Konfidenzintervall (KI) 0,90 bis 1,25, niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Screening auf Typ-2-Diabetes mellitus im Vergleich zu keinem Screening zeigte ein HR von 1,26, 95 % KI 0,75 bis 2,12 (niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) für diabetesbedingte Mortalität (basierende darauf, ob Diabetes als Todesursache auf dem Totenschein angegeben wurde). Die Diabetesbedingte Morbidität und gesundheitsbezogene Lebensqualität wurden nur in einer Teilstichprobe berichtet, die keinen wesentlichen Unterschied zwischen der Screening-Intervention und der Kontrolle gezeigt wurden. Die eingeschlossene Studie berichtete nicht über unerwünschte Ereignisse, die Inzidenz von Typ-2-Diabetes, glykiertes Hämoglobin A1c (HbA1c) und sozioökonomische Auswirkungen.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

M. Davia, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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