Wirkt Testosteron bei Männern mit Erektionsproblemen?

Hintergrund

Testosteron ist ein wichtiges männliches Hormon. Es wird häufig bei Männern mit niedrigem Testosteronspiegel eingesetzt, die Erektionsprobleme haben. Es ist jedoch unklar, wie wirksam diese Behandlung ist und ob sie unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen) verursacht, insbesondere auf die Herzgesundheit.

Kernaussagen

Kurzfristig hat die Testosteronersatztherapie keine oder nur geringe Auswirkungen auf die Erektionsfähigkeit, die sexuelle Zufriedenheit und die kardiovaskuläre Sterblichkeit; Nebenwirkungen treten nur wenige auf.

Die langfristigen Wirkungen dieser Therapie auf die Erektionsfähigkeit sind nach wie vor ungewiss, und es fehlen auch langfristige Daten zur sexuellen Zufriedenheit und zur kardiovaskulären Sterblichkeit.

Diese Ergebnisse können als Grundlage für künftige klinische Leitlinien und Entscheidungen im Gesundheitswesen dienen.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten wissen, welche Wirkungen eine Testosteronersatztherapie bei Männern mit Erektionsproblemen hat.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten umfassend nach Studien zu Männern mit niedrigem Testosteronspiegel. In diesen Studien wurden die Wirkungen von Testosteron mit Placebo oder anderen Medikamenten zur Verbesserung der Erektion verglichen.

Was fanden wir?

Wir schlossen 43 Studien mit 11.419 Teilnehmern ein, in denen Testosteron mit einem Placebo verglichen wurde, aber auch Studien, in denen Testosteron mit Phosphodiesterase-5-Hemmern (einer Gruppe von Medikamenten zur Verbesserung der Erektion) verglichen wurde. Wir fanden auch Studien, in denen beide Gruppen (Testosteron und Placebo) auch Phosphodiesterase-5-Hemmer erhielten.

Hauptergebnisse

Kurzfristig zeigt Testosteron im Vergleich zu einem Placebo allenfalls geringfügige Veränderungen der Erektionsfähigkeit, der sexuellen Zufriedenheit und der kardiovaskulären Mortalität.

Werden nur methodisch hochwertige Studien betrachtet, bleiben die Ergebnisse konsistent: Sie zeigen keine oder nur geringfügige Verbesserungen der Erektionsfähigkeit und der sexuellen Zufriedenheit. Die Daten deuten darauf hin, dass auch die kardiovaskuläre Sterblichkeit nicht wesentlich beeinflusst wird.

Langfristig bestehen jedoch erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der Wirkungen der Testosteronersatztherapie auf die Erektionsfähigkeit. Leider gab es keine Studien, die Informationen zur sexuellen Zufriedenheit oder zur langfristigen kardiovaskulären Mortalität lieferten.

Was schränkt die Evidenz ein?

Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz ist für die meisten kurzfristigen Endpunkte moderat. Das heißt unser Vertrauen ist moderat, dass die Ergebnisse wahrscheinlich nahe an der wahren Wirkung liegen. Für die langfristigen Endpunkte ist die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz sehr begrenzt, das heißt weitere Studien könnten die Schlussfolgerungen ändern.

Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand vom 29. August 2023.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Kurzfristig hat TRT im Vergleich zu einem Placebo wahrscheinlich nur geringe bis gar keine Wirkungen auf die erektile Funktion, die sexuelle Lebensqualität oder die kardiovaskuläre Mortalität. Sie führt wahrscheinlich zu einem geringen bis gar keinem Unterschied bei Behandlungsabbrüchen aufgrund von unerwünschten Ereignissen, prostatabezogenen Ereignissen oder LUTS. Langfristig sind die Wirkungen von TRT auf die erektile Funktion im Vergleich zu Placebo sehr unsicher; wir fanden keine Daten zu den Wirkungen auf die sexuelle Lebensqualität oder die kardiovaskuläre Mortalität.

Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz variierte von moderat, was bedeutet, dass die ermittelte Effektgröße voraussichtlich der tatsächlichen Wirkung nahekommt, bis hin zu sehr niedrig, was darauf hindeutet, dass die tatsächliche Wirkung wahrscheinlich erheblich abweicht. Die Ergebnisse dieses Reviews sollten als Grundlage für künftige Leitlinien und die Entscheidungsfindung im klinischen Kontext dienen.

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Hintergrund: 

In Leitlinien für die klinische Praxis wird eine Testosteronersatztherapie (TRT) für Männer mit sexueller Funktionsstörung und Testosteronmangel empfohlen. Oft wird die Testosteronersatztherapie (TRT) auch Männern angeboten, die keinen Testosteronmangel haben. In den Studien dazu wird häufig nicht klar angegeben, wie hoch der Testosteronspiegel der Teilnehmer ist oder ob sie typische Symptome eines Testosteronmangels haben. In diesem Review wird der potenzielle Nutzen und Schaden einer TRT bei Männern mit sexuellen Funktionsstörungen untersucht.

Zielsetzungen: 

Ziel dieses Reviews war die Bewertung der Wirkungen einer Testosteronersatztherapie im Vergleich zu Placebo oder anderen medikamentösen Behandlungen bei Männern mit sexueller Dysfunktion.

Suchstrategie: 

Wir führten eine umfassende Suche ohne Einschränkungen hinsichtlich der Sprache der Veröffentlichung oder des Veröffentlichungsstatus bis zum 29. August 2023 in CENTRAL (der Cochrane Library), MEDLINE, EMBASE sowie in den Studienregistern ClinicalTrials.gov und der International Clinical Trials Registry Platform der Weltgesundheitsorganisation durch.

Auswahlkriterien: 

Wir haben randomisierte, kontrollierte Studien (RCTs) berücksichtigt, die Männer (im Alter von 40 Jahren oder älter) mit sexueller Dysfunktion umfassten. Ausgeschlossen wurden Männer mit primärem oder sekundärem Hypogonadismus. Wir verglichen Testosteron oder Testosteron zusammen mit Phosphodiesterase-5-Hemmern (PDEI5I) mit Placebo oder PDE5I allein.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Autor*innen sichteten unabhängig voneinander die Literatur, bewerteten das Risiko von Verzerrungen, extrahierten Daten und bewerteten die Sicherheit der Evidenz nach GRADE unter Verwendung eines minimal kontextualisierten Ansatzes. Die statistischen Analysen wurden unter Verwendung eines Random-Effects-Modells durchgeführt und gemäß der Cochrane-Standardmethodik interpretiert. Vordefinierte primäre Endpunkte waren selbstberichtete erektile Dysfunktion, bewertet mit einem validierten Score, sexuelle Lebensqualität, bewertet mit einem validierten Score, und kardiovaskuläre Mortalität. Sekundäre Endpunkte waren Behandlungsabbruch aufgrund von unerwünschten Ereignissen, prostatabezogene Ereignisse und Symptome des unteren Harntrakts (LUTS). Wir unterschieden zwischen kurzfristigen (bis zu 12 Monate) und langfristigen (> 12 Monate) Endpunkten.

Hauptergebnisse: 

Wir identifizierten 43 Studien mit 11.419 randomisierten Teilnehmern in drei Vergleichsgruppen: Testosteron versus Placebo, Testosteron versus PDE5I und Testosteron zusammen mit PDE5I versus PDE5I allein. Dieser Abstract konzentriert sich auf den wichtigsten Vergleich von Testosteron mit Placebo.

Testosteron versus Placebo (bis zu 12 Monate)

Auf der Grundlage einer vordefinierten Sensitivitätsanalyse von Studien mit geringem Verzerrungsrisiko und einer Analyse, bei der Daten aus den ähnlichen Mess-Scores International Index of Erectile Function (IIEF-EF) und IIEF-5 kombiniert wurden, führt die TRT wahrscheinlich zu geringen bis keinen Unterschieden in der erektilen Funktion, die mit dem IIEF-EF bewertet wird (mittlerer Unterschied (MD) 2,37, 95 %-Konfidenzintervall (KI) 1,67 bis 3,08; I² = 0 %; 6 RCTs, 2016 Teilnehmer; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) auf einer Skala von 6 bis 30, wobei höhere Werte eine bessere erektile Funktion widerspiegeln. Wir gingen von einem minimalen klinisch bedeutsamen Unterschied von 4 oder größer aus. Die TRT führt wahrscheinlich nur zu einer geringen oder keiner Veränderung der sexuellen Lebensqualität, gemessen mit der Aging Males' Symptoms Skala (MD -2,31, 95%-KI -3,63 bis -1,00; I² = 0%; 5 RCTs, 1030 Teilnehmer; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) mit einer Skala von 17 bis 85, wobei höhere Werte eine schlechtere sexuelle Lebensqualität widerspiegeln. Wir gingen von einem minimalen klinisch bedeutsamen Unterschied von 10 oder größer aus. Auch hinsichtlich der kardiovaskulären Mortalität führt TRT wahrscheinlich zu einem geringen oder keinem Unterschied (Risikoverhältnis (RR) 0,83, 95 %-KI 0,21 bis 3,26; I² = 0 %; 10 RCTs, 3525 Teilnehmer; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Ausgehend von zwei kardiovaskulären Todesfällen in der Placebogruppe und einem angenommenen minimalen klinisch bedeutsamen Unterschied von 3 % würde dies keinen zusätzlichen Todesfällen pro 1000 Männer entsprechen (95 %-KI einer weniger bis 4 mehr). TRT führt wahrscheinlich auch nur zu einem geringen oder gar keinem Unterschied beim Absetzen der Behandlung aufgrund von unerwünschten Ereignissen, prostatabezogenen Ereignissen oder LUTS.

Testosteron versus Placebo (länger als 12 Monate)

Die längerfristigen Wirkungen der TRT auf die mit dem IIEF-EF bewertete erektile Dysfunktion sind sehr unsicher (MD 4,20, 95%-KI -2,03 bis 10,43; 1 Studie, 42 Teilnehmer; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Wir haben keine Studien gefunden, die über die sexuelle Lebensqualität oder die kardiovaskuläre Mortalität berichten. Die Auswirkungen von Testosteron auf den Abbruch der Behandlung aufgrund von unerwünschten Ereignissen sind sehr unsicher. Wir haben keine Studien gefunden, die über prostatabezogene Ereignisse oder LUTS berichteten.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

B. Schindler, L. Gorenflo, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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