Nicht-nutritive Süßungsmittel bei Diabetes Mellitus

Fragestellung

Sind nicht-nutritive Süßungsmittel bei Menschen mit Diabetes vorteilhaft oder schädlich?

Hintergrund

Nicht-nutritive Süßungsmittel sind Süßungsmittel mit höherer Süßkraft und geringerem Kaloriengehalt pro Gramm im Vergleich zu Zuckern wie Saccharose (Haushaltszucker) oder Maissirup. Sowohl die Allgemeinbevölkerung als auch Menschen mit Diabetes verwenden nicht-nutritive Süßungsmittel als Ersatz für Zucker, um ihre Kohlenhydrat- und Energiezufuhr zu steuern. Die meisten nicht-nutritiven Süßungsmittel, die für den menschlichen Verzehr zugelassen sind, sind synthetisch (künstliche Süßungsmittel). Allerdings gibt es auch immer mehr natürliche Süßungsmittel für den menschlichen Verzehr. Produkte, die mit nicht-nutritiven Süßungsmitteln gesüßt werden, sind auf dem Markt weit verbreitet: Diät-Getränke, Diät-Joghurts, Desserts und Kaugummis sind die gängigsten Produkte, die sie enthalten. Nicht-nutritive Süßungsmittel sind auch als Tafelsüßstoffe erhältlich, die von Verbrauchern zu Hause zum Süßen von Getränken sowie zum Kochen und Backen verwendet werden können.

Es gibt sehr wenige Informationen über die gesundheitlichen Folgen des verstärkten Konsums von nicht-nutritiven Süßungsmitteln bei Menschen mit Diabetes. Wir wollten herausfinden, ob der Verzehr von nicht-nutritiven Süßungsmitteln bei Menschen mit Diabetes einen Einfluss auf den durchschnittlichen Langzeitblutzuckerspiegel (glykiertes Hämoglobin A1c - HbA1c), das Körpergewicht, Nebenwirkungen, Diabetes-Komplikationen (wie Herzinfarkt, Augen- oder Nierenerkrankungen) und die gesundheitsbezogene Lebensqualität hat.

Studienmerkmale

Wir fanden neun randomisierte kontrollierte Studien (Studien, in denen die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip einer von zwei oder mehr Behandlungsgruppen zugeordnet werden), in denen Menschen mit Diabetes entweder einer Gruppe, die ein nicht-nutritives Süßungsmittel erhielt, oder einer Vergleichsgruppe, zugeordnet wurden. Als Vergleich diente in drei Studien die gewohnte Ernährung mit zusätzlichem Zucker, in fünf Studien ein Placebo (ein Scheinmedikament) und in einer Studie Tagatose (ein nutritives kalorienarmes Süßungsmittel). Insgesamt umfassten die Studien 979 Teilnehmer; die meisten Studien waren klein, mit weniger als 100 Teilnehmern. Die Dauer der Studien reichte von 4 bis zu 10 Monaten.

Diese Evidenz ist auf dem Stand von Mai 2019.

Hauptergebnisse

Es fehlten Daten zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität, Diabetes-Komplikationen, Todesfällen jeglicher Ursache und zu sozioökonomischen Auswirkungen (wie Arbeitsausfall, Besuche beim Hausarzt, Medikamenteneinnahme). Allgemein waren für alle Vergleiche die Daten dürftig. Die verfügbaren Daten zeigten keinen klaren Unterschied zwischen nicht-nutritiven Süßungsmitteln und Zucker, Placebo oder dem nutritiven kalorienarmen Süßungsmittel Tagatose in Bezug auf HbA1c, Körpergewicht und Nebenwirkungen.

Vertrauenswürdigkeit der Evidenz

Wir stuften die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz insgesamt als sehr niedrig ein. Dies liegt vor allem an der geringen Anzahl der eingeschlossenen Studien, der geringen Anzahl der Teilnehmer und den methodischen Einschränkungen der eingeschlossenen Studien.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Die Evidenz hinsichtlich der Auswirkungen des NNS-Konsums im Vergleich zu Konsum von Zucker, Placebo oder eines nutritiven kalorienarmen Süßstoffs auf klinisch relevanten Nutzen oder Schaden bezüglich HbA1c, Körpergewicht und unerwünschte Ereignisse bei Personen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes ist nicht eindeutig und hat eine sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit. Es fehlen Daten zu gesundheitsbezogener Lebensqualität, Diabetes-Komplikationen, Gesamtmortalität und zu sozioökonomischen Auswirkungen.

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Hintergrund: 

Nicht-nutritive Süßungsmittel bei Diabetes Mellitus. Viele Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes verwenden NNS als Ersatz für nutritive Süßungsmittel, um auf ihre Kohlenhydrat- und Energiezufuhr zu steuern. Auswirkungen auf gesundheitsbezogene Endpunkte im Zusammenhang mit der Verwendung von NNS bei Diabetes sind unbekannt.

Zielsetzungen: 

Es sollten die Auswirkungen von nicht-nutritiven Süßungsmitteln bei Menschen mit Diabetes mellitus untersucht werden.

Suchstrategie: 

Wir durchsuchten das Cochrane Central Register of Controlled Trials (CENTRAL), MEDLINE Ovid, Scopus, die WHO ICTRP und ClinicalTrials.gov. Das Datum der letzten Suche in allen Datenbanken (mit Ausnahme von Scopus) war Mai 2019. Scopus durchsuchten wir im Januar 2019. Wir haben keine Einschränkungen hinsichtlich der Sprache vorgenommen.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) mit einer Dauer von vier Wochen und länger ein, in denen bei Personen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes jegliche Art von NNS mit entweder der gewohnten Ernährung, keiner Intervention, einem Placebo, Wasser, einem anderen NNS oder einem nutritiven Süßungsmittel verglichen wurde. Studien mit begleitenden verhaltensverändernden Interventionen, beispielsweise in Bezug auf Ernährung, Bewegung oder beidem, waren einschlussfähig, solange die begleitenden Interventionen in der Interventions- und der Vergleichsgruppe dieselben waren.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autoren überprüften unabhängig voneinander Abstracts, Volltexte und Datensätze, aus Studienregistern, beurteilten die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz und extrahierten Daten. Wir verwendeten ein Random-Effects-Modell, um Metaanalysen durchzuführen und berechneten Effektschätzer als relative Risikos (RRs) für dichotome Endpunkte und Mittelwertdifferenzen (MDs) für kontinuierliche Endpunkte, wobei 95 % Konfidenzintervalle (KIs) verwendet wurden. Wir bewerteten das Risiko für Bias mit Hilfe des „Cochrane Risk of Bias“ Instruments und die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz mit Hilfe des GRADE-Ansatzes.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen neun RCTs ein, in denen insgesamt 979 Personen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes randomisiert wurden. Die Dauer der Intervention reichte von 4 bis 10 Monaten. Für keine dieser Studien konnten wir das Risiko für Bias als gering für alle Domänen bewerten; die meisten der eingeschlossenen Studien berichteten nicht welche Randomisierungsmethode angewandt wurde.

Drei Studien verglichen die Wirkungen eines NNS-haltigen Nahrungsergänzungsmittels mit Zucker: Das glykierte Hämoglobin A1c (HbA1c) war in der NNS-Gruppe um 0,4 % höher (95 % KI -0,5 bis 1,2; P = 0,44; 3 Studien; 72 Teilnehmer; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Die MD in Bezug auf Gewichtsveränderung betrug -0,1 kg (95 % KI -2,7 bis 2,6; P = 0,96; 3 Studien; 72 Teilnehmer; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). In keiner der Studien, die in der Vergleichsgruppe Zucker einsetzten, wurde über unerwünschte Ereignisse berichtet.

In fünf Studien wurden NNS mit einem Placebo verglichen. Die MD für HbA1c betrug 0 %, 95 % KI -0,1 bis 0,1; P = 0,99; 4 Studien; 360 Teilnehmer; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz. Das 95 % Prognoseintervall lag zwischen -0,3 % und 0,3 %. Der Vergleich von NNS und Placebo ergab eine MD für das Körpergewichts von -0,2 kg, 95 % KI -1 bis 0,6; P = 0,64; 2 Studien; 184 Teilnehmer; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz. In drei Studien wurde über die Anzahl der Teilnehmer berichtet, bei denen mindestens ein nicht schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis auftrat: 36/113 Teilnehmer (31,9 %) in der NNS-Gruppe gegenüber 42/118 Teilnehmern (35,6 %) in der Placebo-Gruppe (RR 0,78, 95 % KI 0,39 bis 1,56; P = 0,48; 3 Studien; 231 Teilnehmer; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Eine Studie verglich NNS mit einem nutritiven kalorienarmen Süßungsmittel (Tagatose). HbA1c war in der NNS-Gruppe um 0,3 % höher (95 % KI 0,1 bis 0,4; P = 0,01; 1 Studie; 354 Teilnehmer; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). In dieser Studie wurden keine Angaben zu Änderungen des Körpergewichts und zum Auftreten unerwünschter Ereignisse gemacht.

Die eingeschlossenen Studien enthielten keine Daten zu gesundheitsbezogener Lebensqualität, Diabetes-Komplikationen, Gesamtmortalität oder zu sozioökonomischen Auswirkungen.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

M. Davia, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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