Fragestellung des Reviews
Ist orales Dextrose Gel wirksam und sicher bei der Vorbeugung eines niedrigen Blutzuckerspiegels und der Verringerung langfristiger Behinderungen bei Neugeborenen mit Risiko eines niedrigen Blutzuckerspiegels?
Hintergrund
Das Erkennen von niedrigen Blutzuckerwerten (Glukose) ist wichtig, da sie häufig vorkommen und mit Hirnschäden bei Neugeborenen in Verbindung gebracht werden. Bis zu 15 von 100 Babys haben einen niedrigen Blutzuckerspiegel, und bei Babys mit höherem Risiko (Frühgeburten, Babys, die kleiner oder größer als gewöhnlich sind, oder deren Mütter Diabetes haben), weisst bereits die Hälfte in den ersten Tagen nach der Geburt einen niedrigen Blutzuckerspiegel auf.
Ein niedriger Blutzuckerspiegel kann im Verlauf der Kindheit zu Problemen in schulischer Leistung und bei der Entwicklung führen. Es gibt Hinweise, dass bereits eine einzige Episode mit niedrigem Blutzuckerspiegel oder unerkannte Episoden zu diesen Problemen beitragen können. Daher wäre es sinnvoll, einen niedrigen Blutzuckerspiegel von vorneherein zu verhindern. Zudem werden niedrige Blutzuckerspiegel oft mit Säuglingsanfangsnahrung oder auf der Neugeborenenstationen behandelt, was zur Trennung von Mutter und Baby führt. Sowohl die Behandlungen als auch die Trennung können das Stillen beeinträchtigen.
Dextrose Gel (Zucker) kann auf die Innenseite des Mundes des Babys gerieben werden, wo der Zucker absorbiert werden kann und dazu beiträgt, den Blutzuckerspiegel zu erhöhen und so möglicherweise eine Unterzuckerung zu verhindern.
Studienmerkmale
Wir haben zwei Studien in Ländern mit hohem Einkommen identifiziert, die orales Dextrose Gel mit Placebo Gel (inaktiv) zur Vorbeugung niedriger Blutzuckerwerte bei 2548 Risikokindern verglichen. Die Evidenz in diesem Cochrane Review ist auf dem Stand von Oktober 2020.
Hauptergebnisse
Zwei Studien haben gezeigt, dass präventives orales Dextrose Gel das Risiko eines niedrigen Blutzuckerspiegels bei gefährdeten Neugeborenen verringert. Eine einzige Studie, in der die Ergebnisse von 360 Säuglingen nach zwei Jahren untersucht wurden, ergab, dass die Verabreichung von oralem Dextrose Gel an Risikokinder zur Vorbeugung eines niedrigen Blutzuckerspiegels wahrscheinlich das Risiko einer schweren Behinderung im Alter von zwei Jahren verringert. Jedoch sind weitere Folgestudien erforderlich.
Zwei Studien haben gezeigt, dass orales Dextrose Gel möglicherweise die Wahrscheinlichkeit verringert, während des ersten Krankenhausaufenthalts eine Behandlung wegen eines niedrigen Blutzuckerspiegels zu erhalten. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit eine intravenöse Behandlung wegen eines niedrigen Blutzuckerspiegels zu erhalten oder von der Mutter getrennt zu werden, gering oder unverändert.
Aus zwei Studien geht hervor, dass Säuglinge, denen orales Dextrose Gel verabreicht wird, im Vergleich zu Säuglingen, denen Placebo-Gel verabreicht wird, kein höheres Risiko für unerwünschte Ereignisse (Schäden) wie Ersticken oder Erbrechen aufweisen. Jedoch fehlen Informationen, um zu beurteilen, ob orales Dextrose Gel sicherer ist als keine Behandlung oder andere Therapien. Über das ausschliessliche Stillen nach der Entlassung lagen keine Daten vor.
Wir bewerteten das Risiko einer Verzerrung in den eingeschlossenen Studien als gering, d. h. es ist unwahrscheinlich, dass ein systematischer Fehler bei der Schätzung der Wirkung der Intervention vorliegt.
Künftige Untersuchungen sollten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, bei Frühgeborenen, mit anderen Dextrose Gel Zubereitungen und anderen Vergleichsprodukten ausser Placebo Gel durchgeführt werden. Es gibt drei Studien, die noch nicht klassifiziert sind, und eine laufende Studie, welche die Schlussfolgerungen dieses Reviews ändern könnten, wenn sie veröffentlicht werden.
Vertrauenswürdigkeit der Evidenz
Wir stuften die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für alle Ergebnisse als moderat ein, mit Ausnahme des Risikos eines niedrigen Blutzuckerspiegels (bewertet mit hoher Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) und der Trennung von der Mutter (bewertet als niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).
S. A. Genier, A. Walther freigegeben für Cochrane Schweiz. Unterstützt von Fondation SANA (www.fondation-sana.ch)