Auswirkungen der Anreicherung von Lebensmitteln mit mehreren Mikronährstoffen auf die Gesundheit

Fragestellung des Reviews
Verbessert die Anreicherung mit mehreren Mikronährstoffen die Gesundheit?

Hintergrund
Vitamine und Mineralien sind wichtig für das Wachstum und Körperfunktionen. Mikronährstoffmängel sind in vielen Bevölkerungsgruppen weit verbreitet. Die Anreicherung von Lebensmitteln ist eine Möglichkeit einem Mikronährstoffmängel entgegen zu wirken und die Gesundheit der Allgemeinbevölkerung zu verbessern. Bei der Lebensmittelanreicherung werden Mikronährstoffe verarbeiteten Lebensmitteln zugesetzt. Es existieren Studien zu verschiedenen Formen der Anreicherung: mit einem Mikronährstoff, mit zwei oder mehreren Mikronährstoffen; darunter Zink, Eisen, Selen, Vitamin A, Vitamin B-Komplex, Vitamin C und Vitamin E. Wir überprüften die vorliegende Evidenz zu diesem Thema bezüglich der Auswirkungen von Lebensmittelanreicherung mit mehreren Mikronährstoffen auf die Gesundheit der Allgemeinbevölkerung.

Studienmerkmale
Wir schlossen 43 Studien (48 wissenschaftliche Arbeiten) mit 19.585 Studienteilnehmenden (17.878 Kinder) in diesen Review ein. Die Evidenz ist auf dem Stand von August 2018. Die Mehrzahl der eingeschlossenen Studien bewerteten die Auswirkungen der Lebensmittelanreicherung mit mehreren Mikronährstoffen im Vergleich zu Placebo oder zu keiner Intervention; zwei Studien zogen einen Vergleich zwischen der Lebensmittelanreicherung mit mehreren Mikronährstoffen und jodiertem Salz, eine Studie verglich die Lebensmittelanreicherung mit mehreren Mikronährstoffen mit der Anreicherung von Lebensmitteln ausschließlich in Form von Calcium. Bei den meisten Studien (36 von 43) waren Kinder die Zielgruppe. Zwanzig Studien wurden in Entwicklungsländern durchgeführt. Zu den zur Anreicherung verwendeten Lebensmitteln gehörten Grundnahrungsmittel wie Reis und Mehl, Milchprodukte (einschließlich Milch und Joghurt), milchfreie Getränke, Kekse, Aufstriche sowie Salz. Ein hoher Anteil der Studien wurde durch privatwirtschaftliche Quellen (z.B. Unternehmen die Mikronährstoffe produzieren) finanziert, was in Zusammenhang damit gebracht werden kann, dass in diesen Studien positivere Effekte gefunden wurden als in unabhängig finanzierten Studien.

Hauptergebnisse
Eine Lebensmittelanreicherung mit mehreren Mikronährstoffen könnte Anämie um 32%, Eisenmangelanämie um 72%, Mikronährstoffmängel (darunter Eisenmangel um 56%, Vitamin A-Mangel um 58%, Vitamin B2-Mangel um 64%, Vitamin B6-Mangel um 91% und Vitamin B12-Mangel um 58%) reduzieren. Die Anreicherung mit mehreren Mikronährstoffen könnte auch das Wachstum von Kindern verbessern, gemessen anhand des Gewichts nach Altersgruppe und Gewicht entsprechend der Körpergröße/Körperlänge. Wir sind uns unsicher bezüglich der Wirkung einer Anreicherung mit mehreren Mikronährstoffen auf Zinkmangel und das Wachstum von Kindern, gemessen anhand der Körpergröße/Körperlänge für das entsprechende Alter. Die eingeschlossenen Studien berichteten keine Nebenwirkungen (auch keine Todesfälle und Krankheiten) im Zusammenhang mit der Anreicherung mit mehreren Mikronährstoffen. Wir sind unsicher über die Wirkung der Lebensmittelanreicherung mit mehreren Mikronährstoffen im Vergleich zu jodiertem Salz hinsichtlich Eisenmangelanämie und Vitamin A-Mangel.

Qualität der Evidenz
Die Qualität der Evidenz war niedrig bis sehr niedrig, was auf Limitationen in den Studienmethoden (die das Risiko einer Verzerrung mit sich bringen können), auf eine hohe Heterogenität (Variation der Ergebnisse zwischen den Studien) und auf kleine Stichprobengrößen zurückzuführen war.

Obwohl der Review einige positive Auswirkungen der Lebensmittelanreicherung mit mehreren Mikronährstoffen im Vergleich zu keiner Intervention nahelegt, sollte auch eine Reihe anderer Faktoren berücksichtigt werden. Erstens gibt es keine Informationen über mögliche Nebenwirkungen der Lebensmittelanreicherung mit mehreren Mikronährstoffen. Zweitens konnten wir aufgrund der begrenzten Anzahl von Studien mehrere Subgruppenanalysen nicht durchführen. Daher konnte nicht untersucht werden, ob die Anreicherung mit mehreren Mikronährstoffen in verschiedenen Bevölkerungsgruppen, bei unterschiedlichen Lebensmitteln die angereichert wurden, variabler Dosierung sowie unterschiedlicher Interventionsdauer und geografischer Region wirksamer ist. Wir führten eine Subgruppenanalyse durch, um privatwirtschaftlich und nicht-privatwirtschaftlich finanzierte Studien zu vergleichen. Hierbei stellten wir keinen signifikanten Unterschied zwischen den entsprechenden Ergebnissen fest, obwohl wir diese Ergebnisse mit Vorsicht interpretieren würden. Aufgrund der niedrigen Qualität der Evidenz besteht Unsicherheit bezüglich unsere Ergebnisse.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Die Evidenz dieses Reviews deutet darauf hin, dass eine Anreicherung in Form von mehreren Mikronährstoffen im Vergleich zu Placebo oder keiner Intervention Anämie, Eisenmangelanämie und Mikronährstoffmängel (Eisen, Vitamin A, Vitamin B2 und Vitamin B6) reduzieren kann. Wir sind unsicher hinsichtlich der Auswirkungen der Anreicherung in Form von mehreren Mikronährstoffen auf anthropometrische Maße (z-Scores von: Körpergröße/Körperlänge-für-Alter, Gewicht-für-Alter und Gewicht-für-Körpergröße/Körperlänge). Es lagen keine Daten vor, die auf mögliche unerwünschte Wirkungen der Anreicherung in Form von mehreren Mikronährstoffen hindeuten. Wir konnten zudem keine zuverlässigen Schlussfolgerungen aus mehreren Subgruppenanalysen ziehen, aufgrund einer geringen Anzahl von Studien für eine jeweilige Subgruppe. Wir bleiben vorsichtig in Bezug auf den Umfang der privatwirtschaftlichen Finanzierung in diesem Forschungsfeld und die Möglichkeit, dass diese mit positiveren Ergebnissen hinsichtlich der Effekte verbunden sein könnte, obwohl eine Subgruppenanalyse dieses Reviews keine Auswirkungen der privatwirtschaftlichen Finanzierung nachweisen konnte. Die Ergebnisse des Reviews sind durch Studienlimitationen, Ungenauigkeit, hoher Heterogenität und kleinen Stichprobengrößen beeinflusst. Zudem wurde die Qualität der Evidenz als niedrig bis sehr niedrig bewertet. Daher können aus den Ergebnissen dieses Reviews keine konkreten Schlussfolgerungen abgeleitet werden.

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Hintergrund: 

Vitamine und Mineralstoffe sind für das Körperwachstum und die Aufrechterhaltung eines gesunden Körpers unerlässlich - sie spielen bei der Funktion fast aller Organe eine entscheidende Rolle. Um einen Mikronährstoffmangel zu vermeiden, gibt es mehrere Interventionsmöglichkeiten und die Lebensmittelanreicherung ist eine davon.

Zielsetzungen: 

Es sollten Auswirkungen der Lebensmittelanreicherung mit mehreren Mikronährstoffen auf gesundheitsbezogene Endpunkte der Allgemeinbevölkerung, sowohl bei Männern, Frauen als auch Kindern, bewertet werden.

Suchstrategie: 

Wir führten bis zum 29. August 2018 Suchen in elektronischen Datenbanken durch, darunter das Cochrane Central Register of Controlled Trials (CENTRAL), spezielle Studienregister von Cochrane Effective Practice and Organisation of Care (EPOC) und Cochrane Public Health (CPH); MEDLINE; Embase sowie 20 weitere Datenbanken, darunter Register für klinische Studien. Bei den Suchen fanden keine Einschränkungen bezüglich des abgedeckten Suchzeitraums und hinsichtlich der Sprache statt. Wir überprüften die Referenzlisten eingeschlossener Studien und relevanter systematischer Reviews auf zusätzliche wissenschaftliche Arbeiten, die potenziell für einen Einschluss in Frage hätten kommen können.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien (RCTs), Cluster-RCTs, quasi-randomisierte Studien, kontrollierte Vorher-Nachher Studien (CBA) und Studien mit unterbrochenen Zeitreihenanalysen (ITS) ein, die die Auswirkungen der Lebensmittelanreicherung mit mehreren Mikronährstoffen untersuchten. Zu den primären Endpunkten gehörten Anämie, Mikronährstoffmängel, anthropometrische Maße, Morbidität, Gesamtmortalität und ursachenspezifische Mortalität. Sekundäre Endpunkte umfassten mögliche unerwünschte Wirkungen, die Serumkonzentration spezieller Mikronährstoffe, der Hämoglobinspiegel im Serum sowie Endpunkte zur Entwicklung des Nervensystems und kognitiver Fähigkeiten. Wir schlossen Studien zur Lebensmittelanreicherung sowohl aus Ländern mit hohem Einkommensniveau als auch aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommensniveau ein.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autoren haben unabhängig voneinander die Daten aus in Frage kommenden Studien gescreent, extrahiert und die Studienqualität bewertet. Wir führten statistische Analysen mit Hilfe der Software Review Manager 5 durch. Für die Synthese der Daten verwendeten wir bei Meta-Analysen den Random-Effects Ansatz, da sich die Merkmale der Studienteilnehmenden und die Interventionen deutlich voneinander unterschieden. Wir stellten die Hauptergebnisse dieses Reviews in „Summary of Findings“-Tabellen unter Verwendung des GRADE-Ansatzes dar.

Hauptergebnisse: 

Wir konnten 127 Studien innerhalb des Titel-/Abstract-Screenings als relevant identifizieren und schlossen 43 Studien (48 wissenschaftliche Arbeiten) mit 19.585 Teilnehmenden (17.878 Kinder) in den Review ein. Bis auf drei Studien verglichen alle eingeschlossenen Studien die Anreicherung in Form von mehreren Mikronährstoffen mit einem Placebo oder keiner Intervention. Zwei Studien zogen einen Vergleich zwischen der Lebensmittelanreicherung mit mehreren Mikronährstoffen und jodiertem Salz, eine Studie verglich die Lebensmittelanreicherung mit mehreren Mikronährstoffen mit der Anreicherung von Lebensmitteln ausschließlich mit Calcium. 36 Studien beinhalteten Kinder als Zielgruppe; 20 Studien wurden in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommensniveau durchgeführt. Zu den zur Anreicherung verwendeten Lebensmitteln gehörten Grundnahrungsmittel wie Reis und Mehl, ebenso Milchprodukte (einschließlich Milch und Joghurt), milchfreie Getränke, Kekse, Aufstriche und Salz. 14 Studien wurden vollständig privatwirtschaftlich finanziert, 13 wiesen eine Teilfinanzierung mit privatwirtschaftlichen Geldern auf. Bei 14 Studien lag eine Finanzierung aus nicht-privatwirtschaftlichen Quellen vor und in zwei Studien wurde die Finanzierungsquelle nicht angegeben. Wir bewerteten die im Review dargestellte Qualität der Evidenz als niedrig bis sehr niedrig aufgrund von Limitationen der Studien, Ungenauigkeit, hoher Heterogenität und kleinen Stichprobengrößen.

Die Anreicherung mit mehreren Mikronährstoffen könnte im Vergleich zu Placebo oder keiner Intervention zu einer Reduktion bei Anämie um 32% (Relatives Risiko (RR) 0,68, 95% Konfidenzintervall (KI) 0,56 bis 0,84; 11 Studien, 3746 Teilnehmende; niedrige Qualität der Evidenz), bei Eisenmangelanämie um 72% (RR 0,28, 95% KI 0,19 bis 0,39; 6 Studien, 2189 Teilnehmende; niedrige Qualität der Evidenz), bei Eisenmangel um 56% (RR 0,44, 95% KI 0,32 bis 0,60; 11 Studien, 3289 Teilnehmende; niedrige Qualität der Evidenz); bei Vitamin A-Mangel um 58% (RR 0,42, 95% KI 0,28 bis 0,62; 6 Studien, 1482 Teilnehmende; niedrige Qualität der Evidenz), bei Vitamin B2-Mangel um 64% (RR 0,36, 95% KI 0,19 bis 0,68; 1 Studie, 296 Teilnehmende; niedrige Qualität der Evidenz), bei Vitamin B6-Mangel um 91% (RR 0,09, 95% KI 0,02 bis 0,38; 2 Studien, 301 Teilnehmende; niedrige Qualität der Evidenz), bei Vitamin B12-Mangel um 58% (RR 0,42, 95% KI 0,25 bis 0,71; 3 Studien, 728 Teilnehmende; niedrige Qualität der Evidenz), bei z-Scores von Gewicht-für-Alter (Mittelwertdifferenz (MD) 0,1, 95% KI 0,02 bis 0,17; 8 Studien, 2889 Teilnehmende; niedrige Qualität der Evidenz) und bei z-Scores von Gewicht-für-Körpergröße/Körperlänge (MD 0,1, 95% KI 0,02 bis 0,18; 6 Studien, 1758 Teilnehmende; niedrige Qualität der Evidenz) führen. Wir sind uns unsicher bezüglich der Wirkung der Anreicherung in Form von mehreren Mikronährstoffen auf Zinkmangel (RR 0,84, 95% KI 0,65 bis 1,08; 5 Studien, 1490 Teilnehmende; niedrige Qualität der Evidenz) und z-Scores von Körpergröße/Körperlänge-für-Alter (MD 0,09, 95% KI 0,01 bis 0,18; 8 Studien, 2889 Teilnehmende; niedrige Qualität der Evidenz). Die Mehrzahl der Studien mit den dargestellten Vergleichen umfasste Kinder als Studienpopulation.

Subgruppenanalysen hinsichtlich der Finanzierungsquellen (privatwirtschaftlich versus nicht-privatwirtschaftlich) und der Interventionsdauer zeigten keine Unterschiede in den Effekten, obgleich es sich um eine relativ geringe Anzahl von Studien handelte und der mögliche Zusammenhang zwischen privatwirtschaftlicher Finanzierung und positiveren Ergebnissen bezüglich der Effekte durch Berichte in unterschiedlichen Bereichen der gesundheitsbezogenen Forschungsliteratur bereits nachgewiesen wurde. Wir konnten keine Subgruppenanalysen hinsichtlich der für die Anreicherung genutzten Lebensmittel und der Finanzierung durchführen, da es in jeder dieser Subgruppen zu wenige Studien gab, um aussagekräftige Schlussfolgerungen zu ziehen.

Als wir die in Anreicherung in Form von mehreren Mikronährstoffen mit jodiertem Salz verglichen, wiesen die Ergebnisse hinsichtlich der Wirkung einer solchen Anreicherung eine Unsicherheit bei Anämie (RR 0,86, 95% KI 0,37 bis 2,01; 1 Studie, 88 Teilnehmende; sehr niedrige Qualität der Evidenz), Eisenmangelanämie (RR 0,40, 95% KI 0,09 bis 1.83; 2 Studien, 245 Teilnehmende; sehr niedrige Qualität der Evidenz), Eisenmangel (RR 0,98, 95% KI 0,82 bis 1,17; 1 Studie, 88 Teilnehmende; sehr niedrige Qualität der Evidenz) und Vitamin A-Mangel (RR 0,19, 95% KI 0,07 bis 0,55; 2 Studien, 363 Teilnehmende; sehr niedrige Qualität der Evidenz) auf. In beiden Studien waren Kinder die Zielgruppen.

Nur eine der durchgeführten Studien verglich die Mikronährstoff-Anreicherung in Form von mehreren Mikronährstoffen mit der Anreicherung mit Calcium bei Kindern. Keiner der primären Endpunkte wurde in der Studie berichtet.

Keine der eingeschlossenen Studien berichtete Ergebnisse bezüglich der Endpunkte Morbidität, unerwünschte Ereignisse, Gesamtmortalität und ursachenspezifische Mortalität.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

T. Heise, A. Borchard, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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