Eine gut kontrollierte Studie zeigt etwas Evidenz für die Wirkung von zwei Interventionen bei Sprechapraxie im Kindesalter

Fragestellung
Welche Behandlungen helfen dabei, das Sprechen und die Sprache von Kindern und Jugendlichen mit kindlicher Sprechapraxie (childhood apraxia of speech, CAS) zu verbessern?

Hintergrund
Kindern mit CAS fällt es schwer, Laute und Silben konsistent und genau zu produzieren, um Wörter und Sätze klar und mit korrektem Sprechrhythmus zu sprechen. Infolgedessen kann es schwer sein, Kinder mit CAS zu verstehen; dies hat möglicherweise negative Auswirkungen auf den Schulerfolg und auf Freundschaften mit Gleichaltrigen. CAS betrifft rund 0,1% der Gesamtbevölkerung. Dieser Review vergleicht Forschungsevidenz, um die wirksamsten Therapien für Kinder mit CAS zu finden.

Suchdatum
Die Evidenz ist auf dem Stand vom 6. April 2017.

Studienmerkmale
Wir fanden eine Studie mit 26 Kindern im Alter von 4 bis 12 Jahren mit CAS. Die Kinder hatten leichte bis schwere CAS ohne bekannte Ursache. Die Kinder wurden zufällig (mit einer Methode wie dem Münzwerfen) einer von zwei Behandlungen zugeordnet: dem Nuffield Dyspraxia Programme - Dritte Ausgabe (NDP-3) und der Rapid Syllable Transition Behandlung (ReST). Beide Therapien wurden intensiv in einstündigen Sitzungen, vier Tage die Woche über drei Wochen hinweg, durchgeführt. Die Behandlungen wurden von Studierenden der Sprachtherapie an einer Universitätsklinik durchgeführt. Endpunkte wurden vor der Therapie, unmittelbar nach der Therapie, nach einem Monat und vier Monate nach der Therapie erhoben. Unser Review betrachtete nur die Endpunkte einen Monat nach der Therapie.

Quellen der Studienfinanzierung
Die eingeschlossene Studie wurde finanziert vom Australian Research Council, dem University of Sydney International Development Fund, dem Douglas & Lola Douglas Scholarship on Child and Adolescent Health, dem Nadia Verrall Memorial Scholarship und einem James Kentley Memorial Fellowship.

Hauptergebnisse
Weitere Studien, die diese Ergebnisse wiederholen, würden die verfügbare Evidenz stärken.

Die Studie liefert begrenzte Evidenz dafür, dass NDP-3 die Genauigkeit der Produktion bei geübten Items und die Genauigkeit des verbundenen Sprechens verbessern könnte. Es gibt begrenzte Evidenz dafür, dass NDP-3 einen unbedeutenden Einfluss auf die Konsistenz der Sprachproduktion hat, und dass ReST einen unbedeutenden Einfluss auf die Genauigkeit der Produktion von ungeübten Wörtern hat. Funktionale Kommunikation wurde in der Studie nicht gemessen.

Qualität der Evidenz
Die eingeschlossene Studie war eine randomisierte kontrollierte Studie mit einem insgesamt niedrigen Risiko für Bias. Wir stuften die Qualität der Evidenz aufgrund von unzureichender Präzision um eine Stufe auf moderat herab, da nur eine RCT identifiziert wurde.

Empfehlungen
Es gibt begrenzte Evidenz dafür, dass NDP-3 oder ReST für Kinder mit CAS unbekannter Ursache und ohne Begleitstörungen im Alter von 4 bis 12 Jahren hilfreich sein könnten. Wir konnten nicht herausfinden, ob eine der beiden Behandlungen besser ist, verglichen mit der anderen oder mit keiner Behandlung oder mit herkömmlicher Behandlung. Für andere Behandlungen liegt derzeit keine Evidenz vor.

Weitere RCTs — einschließlich Studien, in denen Behandlungen mit einer Kontrollgruppe ohne Behandlung (Warteliste) verglichen werden — würden die Evidenzgrundlage stärken. Auch bei Kindern mit CAS und anderen Störungen oder Diagnosen ist weitere Forschung erforderlich.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Es gibt begrenzte Evidenz dafür, dass, bei intensiver Darbietung, sowohl NDP-3 als auch ReST eine Verbesserung der Wortgenauigkeit bei 4- bis 12-jährigen Kindern mit CAS bewirken könnten, gemessen an der Genauigkeit der Produktion von geübten und ungeübten Wörtern, der Konsistenz der Sprachproduktion und der Genauigkeit der verbundenen Rede. Funktionale Kommunikation wurde in der Studie nicht gemessen. Von den Autoren der Originalstudie wurden keine formalen Analysen zum Vergleich von NDP-3 und ReST durchgeführt, sodass keine zuverlässige Aussage zur Überlegenheit einer der Behandlungen getroffen werden kann. Auch können wir nicht sagen, ob eine der beiden Behandlungen besser ist, verglichen mit keiner Behandlung oder herkömmlicher Behandlung. Derzeit gibt es keine Evidenz, die die Wirksamkeit anderer Behandlungen für Kinder im Alter von 4 bis 12 Jahren mit idiopathischer CAS ohne andere komorbide neurologische Entwicklungsstörungen unterstützt. Weitere RCTs, die diese Studie replizieren, würden die Evidenzgrundlage stärken. Ebenso werden weitere RCTs für andere Interventionen, in anderen Altersgruppen und Populationen mit CAS und mit Begleitstörungen benötigt.

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Hintergrund: 

Kindliche Sprechapraxie (childhood apraxia of speech, CAS) beeinflusst die Fähigkeit eines Kindes, Laute und Silben präzise und konsistent zu produzieren und Wörter und Sätze mit Genauigkeit und mit korrektem Sprechrhythmus zu produzieren. Es handelt sich um eine seltene Störung, von der nur 0,1% der Gesamtbevölkerung betroffen sind. Es herrscht Einigkeit darüber, dass drei Kernmerkmale diagnostische Gültigkeit haben: (1) inkonsistente Fehlerproduktion sowohl bei Konsonanten als auch bei Vokalen bei wiederholter Produktion von Silben oder Wörtern; (2) verlängerte und beeinträchtigte Koartikulation zwischen Lauten und Silben; und (3) unangemessene Prosodie (ASHA 2007). Es wird angenommen, dass der Störung ein Defizit in der motorischen Programmierung und Planung zugrunde liegt. Das bedeutet, dass Kinder wissen, was sie sagen möchten, jedoch die Fähigkeit beeinträchtigt ist, die feinen und schnellen Bewegungen zu programmieren oder zu planen, die für eine akkurate Sprachproduktion erforderlich sind. Kinder mit CAS können auch Beeinträchtigungen in einem oder mehreren der folgenden Bereiche haben: nicht-sprachliche orale Motorik, Dysarthrie, Sprache, phonologische Enkodierungsstörung, phonologische Bewusstheit oder meta-linguistische Fähigkeiten und Lesefähigkeiten oder Kombinationen davon. Evidenz von hoher Qualität aus randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) fehlt für Interventionen für CAS.

Zielsetzungen: 

Das Ziel dieses Reviews war die Beurteilung der Wirksamkeit von Interventionen, die auf Sprechen und Sprache bei Kindern und Jugendlichen mit CAS abzielen und die von Sprach- und Sprechtherapeuten durchgeführt werden.

Suchstrategie: 

Wir durchsuchten CENTRAL, MEDLINE, Embase, acht weitere Datenbanken und sieben Studienregister bis April 2017. Wir durchsuchten die Referenzlisten eingeschlossener Studienberichte und forderten Informationen über unveröffentlichte Studien von Autoren veröffentlichter Studien und anderen Experten sowie von Informationsgruppen aus den Bereichen Sprachtherapie und Linguistik an.

Auswahlkriterien: 

RCTs und Quasi-RCTs von Kindern im Alter von 3 bis 16 Jahren mit CAS, diagnostiziert von einem Sprachtherapeuten, gruppiert nach Behandlungsarten.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autoren (FL, AM) überprüften unabhängig voneinander Titel und Abstracts, die bei der Suche identifiziert wurden, beschafften Volltextfassungen aller potenziell relevanten Artikel und beurteilten diese hinsichtlich ihrer Eignung. Dieselben beiden Autoren extrahierten die Daten und führten die "Risiko für Bias"- und GRADE-Bewertungen durch. Ein Review-Autor (EM) tabellierte die Ergebnisse von ausgeschlossenen Beobachtungsstudien (Tabelle 1).

Hauptergebnisse: 

Dieser Review umfasst nur eine RCT, die aus Mitteln des Australian Research Council, des University of Sydney International Development Fund, eines Douglas and Lola Douglas Scholarships on Child and Adolescent Health, eines Nadia Verrall Memorial Scholarships und eines James Kentley Memorial Fellowships finanziert wurde. Diese Studie rekrutierte 26 Kinder im Alter von 4 bis 12 Jahren mit leichter bis mittelschwerer CAS unbekannter Ursache und verglich zwei Interventionen: das Nuffield Dyspraxia Programme-3 (NDP-3) und die Rapid Sylllable Transitions Behandlung (ReST). Die Kinder wurden nach dem Zufallsprinzip einer der beiden Behandlungen zugeteilt. Beide Behandlungen wurden intensiv in einstündigen Sitzungen, vier Tage pro Woche über drei Wochen hinweg, in einer Universitätsklinik in Australien durchgeführt. Studierende der Sprachtherapie führten die Behandlungen in englischer Sprache durch. Endpunkte wurden vor der Therapie, unmittelbar nach der Therapie, nach einem Monat und vier Monate nach der Therapie erhoben. Unser Review betrachtete nur die Endpunkte einen Monat nach der Therapie. Mehrere Studienteilnehmer beider Kohorten nahmen die übliche Behandlung durch ihren Sprachtherapeuten zwischen einem Monat und vier Monaten nach der Behandlung wieder auf (NDP-3: 9/13 Teilnehmer; ReST: 9/13 Teilnehmer). Da die Aufrechterhaltung der Behandlungseffekte bis vier Monate nach der Behandlung damit nicht ohne signifikante mögliche Verzerrung analysiert werden konnte, wurde dieser Zeitpunkt für die weitere Analyse in diesem Review nicht berücksichtigt.

Wir beurteilten alle Bereiche bezüglich der Kernendpunkte mit einem niedrigen Risiko für Bias. Wir stuften die Qualität der Evidenz aufgrund von unzureichender Präzision um eine Stufe auf moderat herab, da nur eine RCT identifiziert wurde.

Sowohl die NDP-3- als auch die ReST-Therapie ließen einen Monat nach der Behandlung Verbesserungen erkennen. Für drei Ergebnisse war der Effekt für NDP-3 geringfügig größer als für ReST: Genauigkeit der Produktion bei behandelten Wörtern (NDP-3 mittlere Differenz (MD) = 36,0, ReST MD = 33,9; absolute MD = 2,1 zwischen den Gruppen); Konsistenz der Sprachproduktion, gemessen anhand von 25 realen Wörtern, die dreimal wiederholt wurden, getestet mit dem Inkonsistenz-Subtest des Diagnostic Evaluation of Articulation and Phonology (DEAP) Test (NDP-3 MD = 11,1, ReST MD = 10,9; absolute MD = 0,2 zwischen den Gruppen); und Genauigkeit der verbundenen Rede, überprüft anhand der Wortgenauigkeit beim Nachsprechen von Kombinationen aus mindestens drei Wörtern (NDP-3 MD = 14,3, ReST MD = 11,5; absolute MD = 2,8 zwischen den Gruppen). ReST (MD = 18,3) zeigte einen geringfügig höheren Effekt als NDP-3 (MD = 18,2) für die Genauigkeit der Produktion von ungeübten Wörtern bei einem Monat nach der Behandlung (absolute MD = 0,1 zwischen den Gruppen). Der Endpunkt funktionale Kommunikation wurde in der Studie nicht gemessen.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

PLS: A. de Sunda, F. Körner; Abstract: D. Hinsen, F. Körner, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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