Sind Progestagenbehandlungen zur Verhinderung von Fehlgeburten wirksam?

Wir wollten herausfinden, welche Progestagen-Behandlung am wirksamsten, sichersten und mit den wenigsten Nebenwirkungen verbunden ist, um eine Fehlgeburt bei Frauen mit drohender oder wiederkehrender Fehlgeburt zu verhindern. Wir stützten uns dabei auf Erkenntnisse aus randomisierten kontrollierten Studien. Wir untersuchten die Zahl der Frauen, die eine Lebendgeburt oder eine Fehlgeburt erlitten.

Worum geht es?

Eine Fehlgeburt ist die häufigste Ursache für einen Schwangerschaftsverlust in den ersten 24 Schwangerschaftswochen und eine der häufigsten Komplikationen in der Frühschwangerschaft. Schätzungsweise 15 bis 20 % der Schwangerschaften enden mit einer Fehlgeburt, wobei 25 % der Frauen im Laufe ihres Lebens eine Fehlgeburt erleiden. Das Risiko einer Fehlgeburt kann bei Frauen bestehen, die in der Frühschwangerschaft Blutungen haben oder bei denen es in der Vergangenheit bereits zu Fehlgeburten gekommen ist.

Warum ist dies wichtig ?

Progesteron ist ein wichtiges Schwangerschaftshormon, das zur Aufrechterhaltung einer Schwangerschaft beiträgt. Zur Behandlung von Frauen mit Blutungen in der Frühschwangerschaft wurden verschiedene progesteronähnliche Behandlungen (so genannte Progestagene) eingesetzt. Sie werden auch zur Vorbeugung von Fehlgeburten bei Frauen eingesetzt, die bereits Fehlgeburten erlitten haben. Es besteht Unsicherheit über die Wirksamkeit, die Sicherheit und die Nebenwirkungen der verfügbaren Progestagene zur Verhinderung von Fehlgeburten bei diesen verschiedenen Gruppen von Frauen. Wir wollten herausfinden, ob und wenn ja welche der Behandlungen am wirksamsten und sichersten ist. Wir suchten und analysierten alle relevanten Studien, um diese Frage zu beantworten.

Welche Evidenz fanden wir?

Wir haben im Dezember 2020 nach Evidenz gesucht und sieben Studien mit 5.682 Frauen gefunden. Die meisten Frauen wurden in Krankenhäusern behandelt. Bei den Frauen wurde eine frühe Schwangerschaftsblutung diagnostiziert (bezeichnet als drohende Fehlgeburt), oder sie hatten in der Vergangenheit drei oder mehr Fehlgeburten erlitten (bezeichnet als wiederholte Fehlgeburten). Es wurden vier verschiedene Progestagen-Behandlungen angewandt: vaginales mikronisiertes Progesteron, orales Dydrogesteron, orales mikronisiertes Progesteron und in den Muskel injiziertes 17-α-Hydroxyprogesteron. In sechs der Studien wurden die Behandlungen mit inaktivem Placebo verglichen.

An drei Studien nahmen 4496 Frauen mit drohender Fehlgeburt teil, von denen einige bereits eine Fehlgeburt erlebt hatten. Insgesamt führte die Gabe des vaginalen mikronisierten Progesterons (Evidenz von hoher Qualität) und oralem Dydrogesteron (Evidenz von moderater Qualität) im Vergleich zur Gabe eines Placebo kaum zu einem Unterschied in der Zahl der Frauen, die eine Lebendgeburt hatten. Darüber hinaus untersuchten wir die Frauen, die eine frühere Fehlgeburt erlitten hatten und nun mit einer drohenden Fehlgeburt konfrontiert waren und die vaginales mikronisiertes Progesteron oder Placebo erhielten. Bei Frauen mit einer oder mehreren früheren Fehlgeburten erhöhte vaginales mikronisiertes Progesteron die Lebendgeburtenrate im Vergleich zu Placebo (hochwertige Evidenz). Bei den Frauen, die zuvor keine Fehlgeburten erlitten hatten, aber nun eine Frühschwangerschaftsblutung aufwiesen, zeigte sich keine Verbesserung der Lebendgeburtenrate (hohe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Bei Frauen mit wiederholten Fehlgeburten stützten wir uns auf eine Studie mit 826 Frauen. Insgesamt machte vaginales mikronisiertes Progesteron im Vergleich zu Placebo kaum einen Unterschied bei der Lebendgeburtenrate. Die Evidenz für Dydrogesteron im Vergleich zu Placebo bei Frauen mit wiederholten Fehlgeburten ist von sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz, daher bleiben die Auswirkungen unklar. Es liegen keine Daten zur Bewertung der Wirksamkeit von 17-α-Hydroxyprogesteron oder oralem mikronisiertem Progesteron in Bezug auf das Ergebnis einer Lebendgeburt bei Frauen mit wiederholten Fehlgeburten vor.

Aus den verfügbaren Daten geht hervor, dass es wahrscheinlich keine Unterschiede bei den unerwünschten Ereignissen im Zusammenhang mit vaginalem mikronisiertem Progesteron gibt. Bei vaginalem mikronisiertem Progesteron gab es im Vergleich zu Placebo keinen Unterschied bei Geburtsfehler und Nebenwirkungen. Für alle anderen Behandlungen lagen uns nicht genügend Informationen über Sicherheit und Geburtsfehler vor, um sie zu analysieren.

Was bedeutet das?

Die insgesamt vorliegende Evidenz deutet darauf hin, dass Progestagene bei Frauen mit drohender oder wiederholter Fehlgeburt wahrscheinlich nur einen geringen oder gar keinen Einfluss auf die Lebendgeburtenrate hat. Vaginales mikronisiertes Progesteron kann die Lebendgeburtenrate bei Frauen mit frühen Schwangerschaftsblutungen und einer oder mehreren Fehlgeburten in der Vorgeschichte erhöhen, wobei es wahrscheinlich keinen Unterschied bei den unerwünschten Ereignissen gibt. Über die Wirksamkeit und Sicherheit alternativer Progestagenbehandlungen bei drohenden und wiederkehrenden Fehlgeburten besteht nach wie vor Unsicherheit.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

S.A. Genier, A. Walther, freigegeben durch Cochrane Schweiz. Unterstützt von Fondation SANA (www.fondation‐sana.ch)

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