Können Blutverdünner die Entwicklung von Blutgerinnseln bei Menschen, die aufgrund einer COVID-19-Erkrankung ins Krankenhaus aufgenommen wurden, verhindern?

Kernaussagen

- Hochdosierte Blutverdünner führen bei Patienten, die mit COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert werden, zu einem geringen oder gar keinem Unterschied in der Sterblichkeitsrate und zu einer Zunahme leichter Blutungen im Vergleich zu niedrig dosierten Blutverdünnern. Die Gabe von Blutverdünnern im Vergleich zur Nichtgabe von Blutverdünnern könnte die Sterblichkeitsrate verringern.

- Es ist sehr wahrscheinlich, dass neue Studien nichts an den Erkenntnissen über die Auswirkungen unterschiedlicher Dosierungen von Blutverdünnern auf die Sterblichkeitsrate und kleinere Blutungen ändern werden. Qualitativ hochwertige Studien sind noch erforderlich, um die Notwendigkeit zusätzlicher Atemunterstützung, die Verabreichung von Blutverdünnern im Vergleich zu keiner Verabreichung von Blutverdünnern, den Vergleich verschiedener Blutverdünner und die Verabreichung von Blutverdünnern über einen längeren Zeitraum zu untersuchen.

Was ist COVID-19?

COVID-19 betrifft typischerweise die Lunge und die Atemwege. Zusätzlich zu Atemproblemen treten jedoch bei 16 % der aufgrund einer COVID-19-Erkrankung im Krankenhaus behandelten Personen Probleme mit dem Blut und den Blutgefäßen auf, die zur Bildung von Blutgerinnseln in den Arterien, Venen und der Lunge führen können. Bei fast der Hälfte der Personen, die mit einer schweren COVID-19-Erkrankung auf einer Intensivstation liegen, bilden sich Gerinnsel in den Venen oder Arterien.

Was sind Blutverdünner?

Blutverdünner sind Medikamente, die die Bildung schädlicher Blutgerinnsel verhindern (tiefe Venenthrombose). Möglicherweise gehen sie jedoch mit unerwünschten Wirkungen wie Blutungen einher. Einige Leitlinien empfehlen, Blutverdünner zu verabreichen, wenn Personen mit COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert werden, um die Bildung von Blutgerinnseln zu verhindern, anstatt abzuwarten, ob sich Blutgerinnsel bilden und diese dann mit Blutverdünnern zu behandeln.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten herausfinden, ob die vorbeugende Verabreichung von Blutverdünnern bei Personen, die mit COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert wurden, die Zahl der Todesfälle im Vergleich zu Personen, die keine Behandlung oder eine Behandlung mit einem Placebo erhielten, senkt. Wir wollten außerdem wissen, ob diese Personen weniger Unterstützung bei der Atmung benötigten, ob sich bei ihnen dennoch schädliche Blutgerinnsel bildeten, ob sie Blutungen hatten und ob sie von anderen unerwünschten Ereignissen betroffen waren (zum Beispiel Übelkeit, Erbrechen, Nierenprobleme und Amputationen).

Wie sind wir vorgegangen?

Wir suchten nach Studien, in denen die Wirkung von Blutverdünnern, die Menschen mit COVID-19 im Krankenhaus zur Vorbeugung von Blutgerinnseln verabreicht wurden, untersucht wurde. Die Studien konnten jegliches Design haben, solange sie einen Blutverdünner mit einem anderen Blutverdünner, keiner Behandlung oder einem Placebo (Scheinbehandlung) verglichen. Die Studien konnten an jeglichem Ort der Welt durchgeführt worden sein und die Teilnehmer konnten jeglichen Alters sein, solange sie mit einer bestätigten COVID-19-Erkrankung im Krankenhaus waren. Wir haben die Ergebnisse zusammengefasst, wenn dies sinnvoll war.

Was haben wir gefunden?

Wir schlossen sieben Studien mit 16.185 Personen ein, die mit COVID-19 entweder auf Intensivstationen, in Krankenhäusern oder in Notaufnahmen hospitalisiert wurden. Die Studien stammten aus Brasilien (2), dem Iran (1), Italien (1) und den USA (1), und zwei Studien betrafen mehr als ein Land. Die Studienteilnehmer waren im Durchschnitt zwischen 55 und 68 Jahre alt. Die Studien dauerten zwischen 15 und 90 Tagen und lieferten Erkenntnisse über Todesfälle, Blutungen, Blutgerinnung, Dauer des Krankenhausaufenthalts und unerwünschte Wirkungen. Es gab wenig oder keine Belege für den Bedarf an Atemunterstützung (Hilfe beim Atmen), für Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19 und für die Lebensqualität.

Behandlungs-Dosis von Blutverdünnern im Vergleich zur Vorbeugungs-Dosis (4 Studien, 4647 Menschen)
Bei Menschen, die höhere im Vergleich zu niedrigeren Dosen von Blutverdünnern erhielten, gab es einen geringen bis keinen Unterschied in der Sterblichkeitsrate. Allerdings traten bei Personen, die höhere Dosen einnahmen, häufiger kleinere Blutungen auf als bei Personen, die niedrigere Dosen einnahmen. Bei Personen, die höhere Dosen von Blutverdünnern erhielten, kam es wahrscheinlich seltener zu einer Lungenembolie (Blutgerinnsel in der Lunge oder in einem Blutgefäß, das zur Lunge führt), etwas häufiger zu größeren (schwereren) Blutungen, und die Zeit, die sie im Krankenhaus verbrachten, unterschied sich wahrscheinlich kaum von der der Personen, die niedrigere Dosen von Blutverdünnern erhielten. Bei Personen, die höhere Dosen von Blutverdünnern erhielten, gab es wenig bis keinen Unterschied in der Häufigkeit von tiefen Venenthrombosen und anderen unerwünschten Ereignissen im Vergleich zu denjenigen, die die niedrigere Dosis von Blutverdünnern erhielten.

Blutverdünner im Vergleich mit keiner Behandlung (3 Studien, 11.538 Menschen)
Menschen, die Blutverdünner erhielten, hatten eine geringere Sterblichkeitsrate als Menschen, die keine Blutverdünner erhielten, aber die Beweislage ist sehr unsicher.

Was sind die Einschränkungen der Evidenz?

Wir sind sehr sicher, dass höhere Dosen von Blutverdünnern das Sterberisiko nicht verändern, aber das Risiko von Blutungen bei Patienten, die mit COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert werden, erhöhen.

Obwohl wir nur sehr begrenztes Vertrauen in die Beweislage haben, haben Menschen, die Blutverdünner erhalten, möglicherweise eine niedrigere Sterblichkeitsrate als Menschen, die keine Blutverdünner erhalten haben.

Wie geht es weiter?

Unsere suche ergab 62 laufende Studien mit 35.470 Teilnehmern. Wir planen, die Ergebnisse dieser Studien unserem Review hinzuzufügen, sobald sie veröffentlicht sind.

Wie aktuell ist die Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand vom 14. April 2021.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

M. Davia, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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