Retzius-sparende versus Standard Roboter-assistierte laparoskopische Prostatektomie zur Behandlung des klinisch lokalisierten Prostatakarzinoms.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Die Ergebnisse dieses Reviews deuten darauf hin, dass eine RS-RALP im Vergleich zur Standard-RALP bis sechs Monate nach dem Eingriff möglicherweise in einer verbesserten Kontinenz resultiert. Die Ergebnisse für die Wiederherstellung der Kontinenz 12 Monate nach dem Eingriff sind möglicherweise ähnlich. Ein möglicher Nachteil der RS-RALP ist eine höhere Rate positiver Schnittränder. Wir sind sehr unsicher über den Effekt auf die BCRFS und die Ergebnisse für die Potenz. Es fehlen Daten zu längerfristigen onkologischen und funktionellen Ergebnissen, und es konnten keine der vorab geplanten Subgruppenanalysen zur Evaluation der beobachteten Heterogenität durchgeführt werden. Chirurgen sollten, wenn sie dieses Vorgehen in Betracht ziehen, die Vor- und Nachteile und Limitationen der Evidenz mit Ihren Patienten diskutieren.

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Hintergrund: 

Die Roboter-assistierte laparoskopische Prostatektomie (RALP) wird in der chirurgischen Therapie des klinisch lokalisierten Prostatakarzinoms weitverbreitet angewendet. Sie wird typischerweise in Anlehnung an die offene retropubische Prostatektomie durchgeführt (Standard-RALP), indem der sogenannte Retzius-Raum anterior der Harnblase präpariert wird. Als Alternative ist die Retzius-sparende RALP (RS-RALP) (oder posteriores Vorgehen) beschrieben worden, von der bessere Ergebnisse für die Kontinenz berichtet werden, die jedoch möglicherweise mit einem höheren Risiko für eine inkomplette Resektion und positive Schnittränder („positive surgical margins“, PSM) assoziiert ist.

Zielsetzungen: 

Ziel des Reviews war es, die Ergebnisse der RS-RALP im Vergleich zur Standard-RALP zur Behandlung des klinisch lokalisierten Prostatakarzinoms zu begutachten.

Suchstrategie: 

Wir führten bis Juni 2020 eine umfassende Literatursuche in der Cochrane Library, MEDLINE, Embase, drei anderen Datenbanken, Studienregistern, anderen Quellen grauer Literatur und Kongressberichten durch. Es gab keine Einschränkungen im Hinblick auf die Sprache oder den Publikationsstatus.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen Studien ein, in denen die Teilnehmer randomisiert einer RS-RALP oder Standard-RALP zur Behandlung eines klinisch lokalisierten Prostatakarzinoms zugeteilt wurden.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autoren klassifizierten und extrahierten unabhängig voneinander die Daten aus den eingeschlossenen Studien. Die primären Endpunkte waren: die Wiederherstellung der Urinkontinenz innerhalb einer Woche nach Katheterentfernung, drei Monaten nach Operation, und schwerwiegende unerwünschte Ereignisse. Die sekundären Endpunkte waren: die Wiederherstellung der Urinkontinenz nach Katheterentfernung sechs und 12 Monate nach Operation, die Wiederherstellung der erektilen Potenz 12 Monate nach Operation, positive Schnittränder (PSM), das biochemisch rezidivfreie Überleben (BCRFS) und die auf die Harn- und Sexualfunktion bezogene Lebensqualität. Die statistischen Analysen erfolgten mit einem Random-Effects-Modell. Zur Bewertung der Vertrauenswürdigkeit der Evidenz nutzten wir den GRADE-Ansatz.

Hauptergebnisse: 

Unsere Suche identifizierte sechs aus fünf eigenständigen randomisierten kontrollierten Studien, von denen zwei publiziert waren, eine im Erscheinen („in press“) war und zwei in Form von Kongress-Abstracts vorlagen. Es gab 571 randomisierte Teilnehmer, von denen 502 die Studien abschlossen. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer betrug 64,6 Jahre und der durchschnittliche PSA-Wert betrug 6,9 ng/mL. Ungefähr 54,2% der Teilnehmer hatten eine cT1c-Erkrankung, 38,6% eine cT2a‐b und 7,1 % eine cT2c-Erkrankung.

Primäre Endpunkte

Eine RS-RALP verbessert wahrscheinlich die Kontinenz innerhalb einer Woche nach Katheterentfernung (Risk Ratio (RR) 1,74, 95% Konfidenzintervall (KI) 1,41 bis 2,14; I2 = 0%; Studien = 4; Teilnehmer = 410; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Unter der Annahme, dass 335 pro 1000 Männer mit Standard-RALP zu diesem Zeitpunkt kontinent sind, entspricht dieses Ergebnis 248 mehr je 1000 Männern mit wiederhergestellter Kontinenz (137 mehr bis 382 mehr).

Mit RS-RALP lässt sich die Kontinenz im Vergleich zur Standard-RALP möglicherweise drei Monate postoperativ verbessern (RR 1,33, 95% KI 1,06 bis 1,68; I2= 86%; Studien = 5; Teilnehmer = 526; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Unter der Annahme, dass 750 pro 1000 Männer mit Standard-RALP zu diesem Zeitpunkt kontinent sind, entspricht dieses Ergebnis 224 mehr je 1000 Männern mit wiederhergestellter Kontinenz (41 mehr bis 462 mehr).

Wir sind sehr unsicher hinsichtlich der Effekte der RS‐RALP auf schwerwiegende unerwünschte Ereignisse im Vergleich zur Standard-RALP (RR 1,40, 95% KI 0,47 bis 4,17; Studien = 2; Teilnehmer = 230; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Sekundäre Endpunkte

Es gibt wahrscheinlich wenig bis keinen Unterschied in der Wiederherstellung der Kontinenz 12 Monate postoperativ (RR 1,01, 95% KI 0,97 bis 1,04; I2 = 0%; Studien = 2; Teilnehmer = 222; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Unter der Annahme, dass 750 pro 1000 Männer mit Standard-RALP zu diesem Zeitpunkt kontinent sind, entspricht dieses Ergebnis 10 mehr je 1000 Männern mit wiederhergestellter Kontinenz (29 weniger bis 39 mehr).

Wir sind sehr unsicher hinsichtlich der Wirkung der RS‐RALP auf die Wiederherstellung der erektilen Potenz 12 Monate postoperativ (RR 0,98, 95% KI 0,54 bis 1,80; Studien = 1; Teilnehmer = 55; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Eine RS-RALP könnte die PSMs erhöhen (RR 1,95, 95% KI 1,19 bis 3,20; I2 = 0%; Studien = 3; Teilnehmer = 308; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz), was auf ein höheres Risiko für ein Prostatakarzinom-Rezidiv hindeutet. Unter der Annahme, dass 129 je 1000 Männer mit Standard-RALP positive Schnittränder haben, entspricht dieses Ergebnis 123 mehr je 1000 Männern mit PSM (25 mehr bis 284 mehr).

Wir sind sehr unsicher hinsichtlich des Effekts der RS‐RALP auf BCRFS im Vergleich zur Standard- RALP (Hazard Ratio (HR) 0,45, 95% KI 0,13 bis 1,60; I2 = 32%; Studien = 2; Teilnehmer = 218; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Anmerkungen zur Übersetzung: 

F. Kunath, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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