Vergleich von zwei chirurgischen Behandlungsmöglichkeiten für Nierensteine

Was sind Nierensteine?

Nierensteine sind kleine, feste Ablagerungen von kalziumhaltigem Material, die sich in einer oder beiden Nieren bilden können. Nierensteine entstehen, wenn sich durch eine hohe Konzentration bestimmter Mineralien in den Harnwegen Kristalle bilden. Nierensteine können so groß wie ein Sandkorn oder wie eine Erbse sein. In seltenen Fällen können sie so groß wie Golfbälle sein. Kleine Nierensteine verursachen möglicherweise keine Symptome oder starke Schmerzen. Größere Steine können den Urinabfluss aus der Blase behindern.

Wie werden Nierensteine behandelt?

Menschen mit großen Nierensteinen müssen oft behandelt werden. Zwei gängige Methoden zur Behandlung sind die perkutane Nephrolithotomie (PCNL) und die retrograde intrarenale Chirurgie (RIRS). Bei der PCNL wird ein kleines Röhrchen durch einen kleinen Hautschnitt am Rücken in die Niere eingeführt. Über diesen Zugang werden die Steine mit verschiedenen Instrumenten zerkleinert und entfernt. Bei der RIRS wird ein langer Sichtschlauch durch die Harnröhre (verbindet die Blase mit der Außenseite des Körpers) und den Harnleiter (verbindet die Blase mit der Niere) in die Niere eingeführt, um dann mit verschiedenen Instrumenten die Steine zu zerkleinern und zu entfernen. Wie die beiden Verfahren im Vergleich abschneiden, ist unklar.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten wissen, ob die PCNL bei der Behandlung von Nierensteinen besser ist als die RIRS. Wir waren vor allem an den folgenden Ergebnissen interessiert.

- Vollständige Entfernung der Steine
- Schwerwiegende Komplikationen
- Notwendigkeit eines weiteren Verfahrens zur Entfernung der Steine
- Ungeplante Arztbesuche
- Dauer des Krankenhausaufenthalts
- Verengung (Striktur) oder Verletzung des Harnleiters
- Lebensqualität

Wie gingen wir vor?

Wir haben nach Studien gesucht, in denen die PCNL mit der RIRS bei Erwachsenen mit Nierensteinen jeglicher Größe und in jeglichem Teil der Niere verglichen wurde. Wir verglichen die Ergebnisse der Studien, fassten sie mit statistischen Methoden zusammen und bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz anhand von Faktoren wie den Methoden und der Größe der Studien.

Was fanden wir?

Wir fanden 42 Studien, in denen die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip entweder der PCNL oder RIRS zugeteilt wurden. Insgesamt waren es 4571 Teilnehmende. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden lag zwischen 27,7 und 59,3 Jahren, die durchschnittliche Steingröße lag zwischen 10,1 und 39,1 Millimetern.

Hauptergebnisse

Menschen, die mit PCNL behandelt wurden, sind im Vergleich zu Menschen, die mit RIRS behandelt wurden, nach dem Eingriff mit größerer Wahrscheinlichkeit steinfrei und benötigen seltener einen weiteren Eingriff zur Entfernung verbleibender Steine. Die PCNL erhöht wahrscheinlich nicht das Risiko schwerwiegender Komplikationen, obwohl sie möglicherweise zu einem längeren Krankenhausaufenthalt führt. Wir fanden auch heraus, dass bei Patient*innen, die mit PCNL behandelt wurden, die Wahrscheinlichkeit einer Harnleiterstriktur nicht höher ist als bei Patienten, die mit RIRS behandelt wurden. Wir fanden keine Evidenz zu ungeplanten Arztbesuchen oder zur Lebensqualität.

Was schränkt die Evidenz ein?

Wir haben nur geringes Vertrauen in die Evidenz für die meisten Ergebnisse, vor allem weil die Studien nicht gut geplant oder durchgeführt wurden und weil die Ergebnisse zwischen den Studien stark variierten.

Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand von Mai 2023.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Basierend auf der Evidenz aus 42 Studien fanden die Autoren Hinweise darauf, dass die PCNL im Vergleich mit URS eine höhere Rate an Steinfreiheit und eine niedrigere Notwendigkeit weiterer Eingriffe mit sich bringt, aber wahrscheinlich keine oder nur einen kleinen Effekt auf schwere Komplikationen hat. Die PCNL hat im Vergleich mit URS wahrscheinlich keinen oder nur einen kleinen Effekt auf Ureterstrikturen und führt möglicherweise zu einem längeren Krankenhausaufenthalt. Die Autoren fanden keine Daten zu ungeplanten Wiedervorstellungen oder der Lebensqualität. Aufgrund erheblicher Mängel der eingeschlossenen Studien war die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für die meisten Endpunkte niedrig.

Der maximale Durchmesser der verwendeten Zugangstrokare war in den meisten Studien, welche dies berichteten, kleiner als 24 Fr. Die Autoren schätzen die Ergebnisse dieses Reviews als hilfreich ein zur partizipativen Entscheidungsfindung über Behandlungsoptionen für Personen mit Nierensteinen.

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Hintergrund: 

Nierensteine können Schmerzen, Obstruktion und Infektionen verursachen. Abhängig von ihrer Größe, Lokalisation, Zusammensetzung und anderer patientenbezogener Faktoren, können sie entweder observiert oder mittels extrakorporaler Schockwellenlithotripsie, retrograd-endoskopischer (Ureterorenoskopie), perkutaner Nephrolithotomie oder eine Kombination dieser Verfahren behandelt werden.

Zielsetzungen: 

Ziel des Reviews war, die Effekte perkutaner Nephrolitholapaxie (PCNL) und Ureterorenoskopie (URS) in der Behandlung von Nierensteinen zu vergleichen.

Suchstrategie: 

Es wurde eine umfassende Suche der Cochrane Library, MEDLINE, Embase, Scopus und zwei Studienregister bis zum Stichtag am 23. März 2023 durchsucht. Keine Einschränkungen bestanden bezüglich Sprache oder Publikationsstatus.

Auswahlkriterien: 

Es wurden randomisierte kontrollierte Studien inkludiert, welche PCNL und URS verglichen. PCNL-Studien wurden anhand des maximalen Durchmessers ihrer verwendeten Zugangstrokare in French [Fr] in drei Gruppen unterteilt: ≥ 24 Fr [standard PCNL], 15–23 Fr [mini-PCNL und minimalinvasive PCNL], sowie < 15 Fr [ultra-mini-, mini-micro-, super-mini-, und micro-PCNL].

Datensammlung und ‐analyse: 

Jeweils zwei Reviewautoren führten unabhängig die Selektion und Datenextraktion der eingeschlossenen Studien durch. Primäre Endpunkte waren die Steinfreiheitsrate, schwere Komplikationen und die Notwendigkeit weiterer Eingriffe. Sekundäre Endpunkte waren ungeplante Besuche in einer Notfallambulanz, Dauer des Krankenhausaufenthalts, Harnleiterstrikturen oder -verletzungen sowie Lebensqualität. Die statistischen Analysen wurden mittels Random-Effects-Modell durchgeführt. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz wurde mittels der GRADE-Kriterien bewertet. Hier wählten die Autoren einen minimal kontextualisierten Ansatz mit vordefinierten Schwellenwerten für die Darstellung minimal klinisch relevanter Unterschiede.

Hauptergebnisse: 

Insgesamt wurden 42 Studien mit eine Gesamtpopulation von 4571 randomisierter Patienten inkludiert. 22 Studien waren im Volltext verfügbar und 20 als Abstract. Die durchschnittliche Steingröße betrug 10,1 mm bis 39,1 mm. Bei den meisten Studien wurden keine Interessenskonflikte oder Finanzierungsquellen angegeben. Die Hauptergebnisse der wichtigsten Parameter sind unten angeführt:

Steinfreiheitsrate

PCNL führt möglicherweise im Vergleich mit URS zu einer höheren Steinfreiheitsrate (Risk Ratio (RR) 1,13; 95% Konfidenzintervall (KI) 1,08 - 1,18; 39 Studien; n = 4088; I2 = 71%; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Ausgehend von 770 Patienten, welche nach 1000 durchgeführten URS steinfrei waren, wären zusätzliche 100 Patienten nach 1000 PCNL steinfrei (ein absoluter Unterschied von 10%, wobei der vordefinierte minimal klinisch relevante Unterschied mit 5% festgelegt wurde).

Schwere Komplikationen

PCNL hat im Vergleich mit URS wahrscheinlich keinen oder nur einen kleinen Effekt auf schwere Komplikationen (RR 0,86; 95% KI 0,59 - 1,25; 34 Studien; n = 3649; I2 = 15%; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Ausgehend von 31 schweren Komplikationen bei 1000 URS-Eingriffen wären sechs weniger bei 1000 PCNL-Eingriffen aufgetreten (13 weniger bis sechs mehr; ein absoluter Unterschied von 0,6%, wobei der vordefinierte minimal klinisch relevante Unterschied mit 2% festgelegt wurde).

Notwendigkeit weiterer Eingriffe

PCNL reduziert möglicherweise im Vergleich mit URS die Notwendigkeit weiterer Eingriffe (RR 0,31; 95% KI 0,17 - 0,55; 21 Studien; n = 2005; I2 = 61%; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Ausgehend von 222 weiteren Eingriffen nach 1000 URS-Eingriffen wären 153 weniger bei 1000 PCNL-Eingriffen notwendig gewesen (185 bis 100 weniger; ein absoluter Unterschied von 15,3%, wobei der vordefinierte minimal klinisch relevante Unterschied mit 5% festgelegt wurde).

Ungeplante Wiedervorstellungen

Keine Studien berichteten von ungeplanten Wiedervorstellungen.

Länge des Krankenhausaufenthalts

PCNL führt möglicherweise zu einer längeren Aufenthaltsdauer im Vergleich mit URS (mittlerer Unterschied 1,04 Tage länger; 95% KI 0,27 - 1,81 mehr; 26 Studien; n = 2804; I2 = 100%; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Diese Effektgröße ist mehr als der vordefinierte minimal klinisch relevante Unterschied von einem Tag.

Harnleiterverletzungen oder -strikturen

PCNL hat möglicherweise im Vergleich mit URS keinen oder nur einen kleinen Effekt auf das Auftreten von Ureterstrikturen (RR 0,93; 95% KI 0,39 - 2,21; 13 Studien; n = 1574; I2 = 0%; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Ausgehend von 14 Ureterstrikturen nach 1000 URS-Eingriffen wäre eine weniger bei 1000 PCNL-Eingriffen aufgetreten (neun weniger bis 17 mehr; ein absoluter Unterschied von 0.1%, wobei der vordefinierte minimal klinisch relevante Unterschied mit 2% festgelegt wurde).

Lebensqualität

Über die Lebensqualität wurde in keiner Studie berichtet.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

T. Brugger, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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