Operation beider Augen am selben Tag oder an verschiedenen Tagen: Was ist besser zur Behandlung des Grauen Stars an beiden Augen?

Kernaussagen

- Die derzeit verfügbare Evidenz deutet darauf hin, dass es hinsichtlich der folgenden klinischen Endpunkte möglicherweise keinen bedeutsamen Unterschied zwischen der Operation beider Augen am selben Tag (ISBCS) und der Operation an verschiedenen Tagen (DSBCS) gibt: das Auftreten einer Augeninfektion (Endophthalmitis, eine schwere, das Sehvermögen gefährdende, jedoch seltene Komplikation), Brillenkorrekturen nach der Operation (Brechkraft des Auges bzw. Sehschärfe), Komplikationen, die Sehkraft mit Brillenkorrektur (falls erforderlich), und von den Patienten berichtete Ergebnisse („patient-reported outcome measures“, PROMs; Fragebögen zur Sehkraft).

- Dien derzeit verfügbare Evidenz deutet darauf hin, dass die Kosten der Operation beider Augen an einem Tag im Vergleich zur Operation an verschiedenen Tagen niedriger sind, jedoch gibt es keine Evidenz für das Verhältnis zwischen den Kosten und der Wirksamkeit des Vorgehens (die Kostenwirksamkeit).

- Insgesamt waren der Umfang und Qualität der Evidenz begrenzt.

Was ist Grauer Star und wie wird er behandelt?

Der altersbedingte Graue Star (Katarakt) ist ein natürlicher Alterungsprozess der Augenlinse, bei dem sich die Linse eintrübt und die Sehkraft nachlässt. Die einzige Möglichkeit zur Behandlung des Grauen Stars ist eine Operation. Bei der Operation wird die getrübte Linse entfernt und durch eine künstliche Linse ersetzt, die in das Auge eingesetzt wird. Derzeit unterziehen sich die meisten Menschen einer Kataraktoperation an beiden Augen an verschiedenen Tagen, mit einem Zeitraum von Tagen, Wochen oder sogar Monaten zwischen den Operationen, was als verzögerte sequentielle bilaterale Kataraktchirurgie (delayed sequential bilateral cataract surgery, DSBCS) bezeichnet wird. Es ist jedoch auch möglich, die Kataraktoperation an beiden Augen am selben Tag durchführen zu lassen, was als sofortige sequentielle bilaterale Kataraktchirurgie (immediate sequential bilateral cataract surgery, ISBCS) bezeichnet wird.

Zu den möglichen Vorteilen der ISBCS zählen weniger Termine in Krankenhaus oder Arztpraxis, eine schnellere Erholung der Sehkraft und geringere Kosten für das Gesundheitswesen. Es gibt jedoch auch mögliche Nachteile, wie z. B. das Auftreten von Komplikationen an beiden Augen. Außerdem können die Ergebnisse der Operation des ersten Auges bei einer ISBCS nicht für die Operation des zweiten Auges herangezogen werden, was möglicherweise zu schlechteren Ergebnissen für die Brechkraft des Auges (mit erhöhter Abhängigkeit vom Tragen einer Brille) führen kann.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten herausfinden, ob eine Kataraktoperation an beiden Augen am selben Tag genauso sicher, wirksam und kosteneffektiv ist wie eine Operation an beiden Augen an verschiedenen Tagen.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten nach Studien, in denen die Ergebnisse der Durchführung einer ISBCS im Vergleich mit einer DSBCS untersucht wurden. Zudem suchten wir nach Studien, in denen das Verhältnis zwischen den Kosten und den Ergebnissen einer ISBCS im Vergleich zu einer DSBCS (die Kosteneffektivität) untersucht wurde. Wir verglichen die Ergebnisse der Studien, fassten sie zusammen und bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz anhand von Faktoren wie den Methoden und der Größe der Studien.

Was fanden wir heraus?

Wir fanden 14 Studien, an denen insgesamt 276.260 Personen teilnahmen (7384 mit ISBCS und 268.876 mit DSBCS). Die Studien wurden in Kanada, Tschechien, Finnland, Iran, (Süd-)Korea, Spanien (Kanarische Inseln), Schweden, dem Vereinigten Königreich und den USA durchgeführt. Die meisten Studien dauerten ungefähr drei Monate.

Hauptergebnisse

- Endophthalmitis: Die Art der Operation (ISBCS oder DSBCS) bewirkt möglicherweise (bis zu sechs Wochen nach der Operation) lediglich einen geringen bis keinen Unterschied im Auftreten einer Endophthalmitis in einem Auge. In keiner der Studien wurde das Auftreten einer Endophthalmitis in beiden Augen berichtet, jedoch ist dieses Ereignis höchstwahrscheinlich zu selten, um von den Studien in diesem Review erfasst werden können.

- Refraktive Endpunkte (auf die Brechkraft des Auges bzw. Sehschärfe bezogene Ergebnisse): Wahrscheinlich gibt es ein bis drei Monate nach einer ISBCS im Vergleich zu einer DSBCS lediglich einen geringen bis keinen Unterschied in refraktiven Endpunkten.

- Andere Komplikationen: Möglicherweise gibt es bis zu drei Monate nach einer ISBCS im Vergleich zu einer DSBCS lediglich einen geringen bis keinen Unterschied im Auftreten anderer Komplikationen, jedoch sind wir uns hinsichtlich dieses Ergebnisses sehr unsicher.

- Kosten: Die ökonomischen Studien (wirtschaftlichen Untersuchungen) in diesem Review berichteten über niedrigere Kosten für eine ISBCS im Vergleich zu einer DSBCS. In einer Studie wurde berichtet, dass eine ISBCS im Vergleich einer DSBCS kosteneffektiv ist, jedoch sind uns hinsichtlich dieses Ergebnisses sehr unsicher.

- Bestkorrigierte Sehschärfe in der Ferne (BCDVA; Sehkraft mit Brillenkorrektur, falls erforderlich): Die Art des Eingriffs (ISBCS oder DSBCS) hat ein bis drei Monate nach dem Eingriff möglicherweise lediglich eine geringe bis keine Wirkung auf die BCDVA, jedoch sind wir uns hinsichtlich dieses Ergebnisses sehr unsicher.

- PROMs (von den Patienten berichtete Ergebnisse): Die Art der Operation (ISBCS oder DSBCS) bewirkt einen bis drei Monate nach der Operation wahrscheinlich lediglich einen geringen bis keinen Unterschied in den Ergebnissen von PROMs.

Wo sind die Begrenzungen der Evidenz?

Insgesamt hatten wir ein moderates bis sehr niedriges Vertrauen in die Evidenz (Endophthalmitis: niedriges Vertrauen, refraktive Outcomes: niedriges bis moderates Vertrauen, Komplikationen: kein Vertrauen, Kosten: niedriges bis kein Vertrauen, BCDVA: kein Vertrauen, und PROMs: moderates Vertrauen).

Unser Vertrauen ist begrenzt, weil:

- die Evidenz zur Endophthalmitis auf wenigen Endophthalmitis-Fällen basierte;

- Komplikationen in den Studien auf unterschiedliche Weise ermittelt wurde;

- es nicht genügend Studien gab, um sichere Aussagen über refraktive Ergebnisse und Komplikationen zu machen;

- in den Studien zu Kosten die Kosten für lediglich ein Krankenhaus angegeben wurden und es verschiedene Finanzierungsquellen gab;

- die Studien die BCDVA in verschiedener Weise untersuchten und es nicht genügend Studien gab, um sichere Ergebnisse zu liefern;

- es Bedenken hinsichtlich der Möglichkeit gab, dass die Studienteilnehmenden wussten, welche Behandlung sie erhielten, und nicht alle Studien Daten zu allen Aspekten lieferten, an denen wir interessiert waren (zu den meisten Endpunkten).

Wie aktuell ist die Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand vom 11. Mai 2021.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

D. Jassim, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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