Welche Faktoren beeinflussen die Impfansichten und -gewohnheiten in Bezug auf Routineimpfungen im Kindesalter?

Ziel des Reviews

Mit dieser Synthese qualitativer Evidenz von Cochrane sollten die Faktoren untersucht werden, welche die Impfansichten und -gewohnheiten der Eltern in Bezug auf Routineimpfungen im Kindesalter beeinflussen. Zu diesem Zweck haben wir nach qualitativen Studien über die Impfansichten und -gewohnheiten sowie die Erfahrungen von Eltern gesucht und diese analysiert.

Diese Synthese ergänzt andere Cochrane Reviews, in denen die Wirkung von Strategien zur Verbesserung der Durchimpfung von Kindern untersucht wurde.

Hauptaussagen

Viele Faktoren beeinflussen die Impfansichten und -gewohnheiten der Eltern, einschließlich derer, die mit der individuellen Wahrnehmung, den sozialen Beziehungen und dem weiteren Umfeld, in dem die Eltern leben, zusammenhängen. Wenn Eltern Entscheidungen über die Impfung ihrer Kinder treffen, teilen sie oft nicht nur mit, was sie über Impfstoffe denken, sondern auch, wer sie sind, was ihnen wichtig ist und mit wem sie sich identifizieren.

Was wurde in diesem Review untersucht?

Impfungen im Kindesalter sind eine der wirksamsten Methoden, um schwere Krankheiten und Todesfälle bei Kindern zu verhindern. Weltweit erhalten jedoch viele Kinder nicht alle empfohlenen Impfungen. Dafür gibt es verschiedene mögliche Gründe. Es kann sein, dass Impfstoffe nicht verfügbar sind oder dass Eltern Schwierigkeiten beim Zugang zu Impfdiensten haben. Einige Eltern akzeptieren die verfügbaren Impfstoffe und Impfdienste möglicherweise nicht.

Wir wissen immer noch nicht genau, was die Impfansichten und -gewohnheiten der Eltern im Kindesalter beeinflusst und warum manche Eltern Impfungen für ihre Kinder nicht befürworten. Qualitative Forschung untersucht, wie Menschen die Welt um sich wahrnehmen und erleben. Sie ist daher gut geeignet die vorliegende Thematik zu untersuchen.

Was sind die Hauptergebnisse dieses Reviews?

Wir schlossen 27 Studien in unsere Analyse ein. Die Studien wurden in Afrika, Nord- und Südamerika, Südostasien, Europa und im westlichen Pazifikraum durchgeführt. Sie umfassten städtische und ländliche Gebiete sowie Gebiete mit hohem, mittlerem und niedrigem Einkommen.

Es wurde festgestellt, dass viele komplexe Faktoren die Impfansichten und -gewohnheiten der Eltern in Bezug auf Impfungen beeinflussen, die wir in vier Bereiche unterteilt haben:

Erstens können die Impfansichten und -gewohnheiten der Eltern von ihren allgemeinen Vorstellungen und Gewohnheiten in Bezug auf Gesundheit und Krankheit im Allgemeinen und in Bezug auf ihre Kinder im Besonderen sowie von ihren Vorstellungen über die Rolle der Impfung in diesem Zusammenhang beeinflusst werden. Zweitens werden die Impfansichten und -gewohnheiten vieler Eltern durch die Impfansichten und -gewohnheiten der Menschen in ihrem sozialen Umfeld beeinflusst. Gleichzeitig trugen gemeinsame Impfansichten und -gewohnheiten dazu bei, dass einige Eltern soziale Beziehungen knüpften, die wiederum ihre Ansichten und Gewohnheiten in Bezug auf Impfungen stärkten. Drittens können die Impfvorstellungen und -praktiken der Eltern von allgemeineren politischen Themen und Anliegen beeinflusst werden, insbesondere von ihrem Vertrauen (oder Misstrauen) gegenüber denjenigen, die mit den Impfprogrammen in Verbindung stehen. Zudem können die Impfvorstellungen und -praktiken der Eltern auch durch ihren Zugang zu und ihre Erfahrungen mit Impfdiensten sowie durch das medizinische Personal vor Ort beeinflusst werden.

Wir haben zwei Konzepte entwickelt, um mögliche Ursachen für eine geringere Akzeptanz von Impfungen im Kindesalter zu verstehen.

Das erste Konzept, die "neoliberale Logik", deutet darauf hin, dass viele Eltern, insbesondere in Ländern mit hohem Einkommen, Gesundheits- und Pflegeentscheidungen als individuelle Risiko-, Wahl- und Verantwortungsbereiche verstehen. Einige Eltern empfanden dieses Verständnis als Widerspruch zu den Impfprogrammen, bei denen das allgemeine Risiko und die Gesundheit der Bevölkerung im Vordergrund stehen. Dieser wahrgenommene Konflikt führte dazu, dass einige Eltern die Impfung ihrer Kinder weniger akzeptierten.

Das zweite Konzept, die "soziale Ausgrenzung", deutet darauf hin, dass einige Eltern, insbesondere aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, aufgrund ihrer Erfahrungen mit sozialer Ausgrenzung eine geringere Akzeptanz für Impfungen im Kindesalter zeigten. Soziale Ausgrenzung kann das Vertrauensverhältnis zwischen Regierung und Öffentlichkeit beschädigen, Gefühle der Isolation und des Unmuts hervorrufen und zu Demotivation führen, wenn die öffentlichen Dienstleistungen von schlechter Qualität und schwer zugänglich sind. Diese Faktoren führten wiederum dazu, dass einige Eltern, die sozial ausgegrenzt waren, der Impfung misstrauten, die Impfung als eine Form des Widerstands oder als eine Möglichkeit, Veränderungen herbeizuführen, ablehnten oder die Impfung aufgrund des damit verbundenen Zeitaufwands, der Kosten und der Belastung vermieden.

Wie aktuell ist dieser Review?

Wir suchten nach Studien, welche vor dem 3. Juni 2020 veröffentlicht wurden.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

S. A. Genier, A.Walther, freigegeben durch Cochrane Schweiz. Unterstützt von Fondation SANA (www.fondation-sana.ch).

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