Gewichtsreduzierende Maßnahmen für übergewichtige oder adipöse Menschen mit chronischer Nierenerkrankung

Worum geht es?

Bei übergewichtigen oder adipösen Menschen mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) kann es möglicherweise zu einem schnelleren Fortschreiten der Krankheit zum Nierenversagen kommen als bei Menschen mit einem gesunden Gewicht. Einige Menschen mit fortgeschrittener Nierenerkrankung benötigen möglicherweise eine Behandlung in Form einer Dialyse oder eine Nierentransplantation. Adipositas kann diese Behandlungen erschweren und möglicherweise das Risiko für gesundheitliche Komplikationen erhöhen. Es gibt nur wenige Forschungsarbeiten zu der Frage, ob gewichtsreduzierende Maßnahmen sicher und vorteilhaft sind, um Menschen mit CKD bei der Gewichtsreduktion und Verbesserung ihrer Nierenfunktion zu unterstützen sowie ihre Lebenserwartung zu erhöhen.

Wie sind wir vorgegangen?

Wir führten eine Literatursuche durch, um die Vorteile von gewichtsreduzierenden Maßnahmen bei übergewichtigen oder adipösen Menschen mit CKD zu untersuchen.

Was haben wir gefunden?

Wir haben 17 Studien mit 988 übergewichtigen oder adipösen Erwachsenen mit CKD gefunden, in denen untersucht wurde, ob die Gesundheit der Patienten durch gewichtsreduzierende Maßnahmen verbessert wurde. An den Studien nahmen Erwachsene mit den CKD-Stadien 1 bis 4 oder mit Nierentransplantaten teil. An keiner Studie nahmen Patienten teil, die in regelmäßiger Dialysebehandlung waren oder unterstützende Behandlung erhielten. Gewichtsreduzierende Maßnahmen umfassten Diäten zur Gewichtsreduktion, körperliche Aktivitäten, Appetitzügler und Operationen zur Gewichtsreduktion. Die für uns wichtigsten Ergebnisse waren frühzeitiger Tod, kardiovaskuläre Ereignisse, Gewichtsverlust, Body-Mass-Index (BMI), Taillenumfang, Eiweiß im Urin (Proteinurie) und Blutdruck.

Nach vergleichender Untersuchung der verfügbaren Studien bleibt unklar, ob gewichtsreduzierende Maßnahmen die Lebenserwartung erhöht oder kardiovaskulären Ereignissen, wie Herzkomplikationen oder Schlaganfällen, vorgebeugt haben, da keine der eingeschlossenen Studien diese Ergebnisse gemessen haben. Gewichtsreduzierende Maßnahmen können im Vergleich zu keinen gewichtsreduzierenden Maßnahmen zu höherem Gewichtsverlust führen. Es wurden wenige bis keine Unterschiede bezüglich BMI, Taillenumfang, Proteinurie oder Blutdruck festgestellt. Operationen zur Gewichtsreduzierung führten zu einem stärkeren Gewichtsverlust als nicht-chirurgische Maßnahmen. Viele der in diesem Review eingeschlossenen Studien waren jedoch durch eine geringe Teilnehmerzahl, ein hohes Risiko für Bias und eine nicht eindeutige Berichterstattung der Ergebnismessungen eingeschränkt. Dies führte insgesamt zu einer sehr niedrigen Qualität der Evidenz. Es ist dementsprechend nicht sicher, dass weitere Studien vergleichbare Ergebnisse liefern würden.

Schlussfolgerungen

Die Evidenz ist nicht sehr vertrauenswürdig, weist aber darauf hin, dass Patienten im Vergleich zur Regelversorgung oder Kontrollgruppe durch gewichtsreduzierende Maßnahmen einige gesundheitliche Vorteile erfahren können, wie z. B. eine Gewichtsreduktion. Ob diese Vorteile zur Senkung der kardiovaskulären Ergebnisse und des Todesrisikos beitragen, bleibt unklar und erfordert weitere Studien.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Die Auswirkungen jeglicher Art der Interventionen zur Gewichtsreduktion auf Todesfälle und kardiovaskuläre Ereignisse bei übergewichtigen und adipösen Erwachsenen mit CKD sind ungewiss, da keine Studie über diese Ergebnisgrößen berichtete. Nicht-chirurgische Interventionen zur Gewichtsreduktion (insbesondere Lebensgewohnheiten) scheinen für das Behandlungsziel der Gewichtsreduktion und zur Senkung des LDL-Cholesterins wirksam zu sein. Chirurgische Eingriffe reduzieren wahrscheinlich das Körpergewicht, den Taillenumfang und die Fettmasse. Die derzeitige Evidenz ist durch die geringe Anzahl der eingeschlossenen Studien sowie die erhebliche Heterogenität und das hohe Risiko für Bias in den meisten Studien begrenzt.

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Hintergrund: 

Adipositas und chronische Niereninsuffizienz (CKD) sind Erkrankungen mit einer weltweit hohen Prävalenzrate, die erhebliche Kosten im Gesundheitswesen verursachen. Adipositas ist ein Prädiktor für das Auftreten von CKD sowie für das Fortschreiten der Krankheit zum Nierenversagen. Ob Maßnahmen zur Gewichtsreduzierung sicher und wirksam sind, um das Fortschreiten der Krankheit und die klinischen Ergebnisse, wie z. B. den Tod, zu beeinflussen, bleibt unklar.

Zielsetzungen: 

Das vorliegende Review hat zum Ziel, die Sicherheit und Wirksamkeit von Maßnahmen zur gezielten Gewichtsreduktion bei übergewichtigen und adipösen Erwachsenen mit CKD zu bewerten. Dazu gehören auch Patienten mit terminalem Nierenversagen (ESRD), die eine Nierentransplantation hatten oder auf Dialyse oder unterstützende Behandlung angewiesen sind.

Suchstrategie: 

Das Cochrane Kidney and Transplant Register of Studies ist bis zum 14. Dezember 2020 in Absprache mit einem Informationsspezialisten und mit entsprechenden relevanten Suchbegriffen durchsucht worden. In diesem Register werden geeignete Studien durch Literatursuche in den Datenbanken CENTRAL, MEDLINE und EMBASE sowie in Tagungsberichten, im International Clinical Trials Register (ICTRP) Search Portal und über www.ClinicalTrials.gov ermittelt.

Auswahlkriterien: 

Randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) und Quasi-RCTs mit einer Dauer von mehr als vier Wochen, die über gezielte Interventionen zur Gewichtsreduktion bei Patienten mit CKD in jedem Stadium und in jeder beliebigen Einrichtung zur Gesundheitsversorgung berichteten.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autoren bewerteten unabhängig voneinander die Eignung der Studien und extrahierten die Daten. Zur Bewertung der Vertrauenswürdigkeit der Evidenz wurde der GRADE-Ansatz des Cochrane Risk of Bias Tools angewendet. Zur Auswertung der Wirksamkeit der Behandlung diente eine Metaanalyse mithilfe des Random-Effects-Modells. Wenn eine Metaanalyse nicht möglich war, wurden die Ergebnisse als Risikoverhältnisse (RV) für dichotome Ergebnisse zusammen mit einem Konfidenzintervall (KI) von 95%, als Mittelwertdifferenzen (MD) oder standardisierte Mittelwertdifferenzen (SMD) für kontinuierliche Ergebnisse oder in deskriptiver Form ausgedrückt.

Hauptergebnisse: 

Es wurden 17 RCTs mit einer Gesamtteilnehmerzahl von 988 übergewichtigen oder adipösen Erwachsenen mit CKD berücksichtigt. Die Interventionen zur Gewichtsreduktion und die Vergleichsmaßnahmen variierten in den Studien. Wir haben die Vergleichsgruppen in drei Gruppen eingeteilt: jegliche Intervention zur Gewichtsreduktion im Vergleich zur Regelversorgung oder Kontrolle; jegliche Intervention zur Gewichtsreduktion im Vergleich zur Ernährungsintervention und chirurgischer Eingriff im Vergleich zu nicht-chirurgischer Intervention. Die methodische Qualität der Studien war unterschiedlich. Viele lieferten jedoch zu wenig aussagekräftige Informationen, um das Risiko für Bias beurteilen zu können. In den berücksichtigten Studien wurde weder die Gesamtmortalität, kardiovaskuläre Ereignisse, erfolgreiche Nierentransplantationen, Ernährungszustand, Kosteneffektivität noch die ökonomische Analyse gemessen. In allen 17 Studien sind eine Reihe klinischer Parameter und patientenbezogener Ergebnisse sowie unerwünschter Ereignisse nicht gemessen worden, wodurch die Vergleichbarkeit dieser Ergebnisse eingeschränkt ist.

Studien zufolge, in denen eine beliebige Intervention zur Gewichtsreduktion mit der Regelversorgung oder einer Kontrollgruppe verglichen wurde, können Interventionen zur Gewichtsreduktion zu einem Gewichtsverlust oder einer Senkung des Körpergewichts nach der Intervention führen (6 Studien, 180 Teilnehmer: MD -3,69 kg, 95% KI -5,82 bis -1,57; Follow-Up: 5 Wochen bis 12 Monate; Evidenz mit sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit). Jede Intervention zur Gewichtsreduktion hatte aufgrund der sehr niedrigen Vertrauenswürdigkeit der Evidenz ungewisse Auswirkungen auf den Body-Maß-Index (BMI) (4 Studien, 100 Teilnehmer): MD -2,18 kg/m², 95% KI -4,90 bis 0,54), Taillenumfang (2 Studien, 53 Teilnehmer: MD 0,68 cm, 95% KI -7,6 bis 6,24), Proteinurie (4 Studien, 84 Teilnehmer: 0,29 g/Tag, 95% KI-0,76 bis 0,18), systolischer (4 Studien, 139 Teilnehmer: -3,45 mmHg, 95% KI -9,99 bis 3,09) und diastolischer Blutdruck (4 Studien, 139 Teilnehmer: -2,02 mmHg, 95% KI -3,79 bis 0,24). Jegliche Intervention zur Gewichtsreduktion hatte nur geringe oder gar keine Auswirkungen auf das Gesamtcholesterin, das HDL-Cholesterin (Lipoprotein mit hoher Dichte) und auf Entzündungen. Es kann jedoch zu einer Senkung des LDL-Cholesterins (Lipoprotein mit niedriger Dichte) kommen.

Beim Vergleich der Interventionen zur Gewichtsreduktion (Veränderung der Lebensgewohnheiten oder medikamentöse Behandlung) zu rein gewichtsreduzierenden Diätmaßnahmen hinsichtlich Gewichtsabnahme, BMI, Taillenumfang, Proteinurie und systolischem Blutdruck, traten lediglich geringfügige oder gar keine Unterschiede auf, wohingegen der diastolische Blutdruck wahrscheinlich gesenkt werden konnte. Darüber hinaus haben Studien, in denen die Wirksamkeit verschiedener Arten von Ernährungsmaßnahmen verglichen wurde, keine Überlegenheit einer bestimmten Ernährungsmaßnahme bei der Gewichtsabnahme oder der Senkung des BMI ergeben.

Chirurgische Eingriffe senkten wahrscheinlich das Körpergewicht (1 Studie, 11 Teilnehmer: MD -29,50 kg, 95% KI -36,4 bis -23,35), den BMI (2 Studien, 17 Teilnehmer: MD -10,43 kg/m², 95% KI -13,58 bis -7,29) und den Taillenumfang (MD -30,00 cm, 95% KI -39,93 bis -20,07) im Vergleich zu nicht-chirurgischen Interventionen zur Gewichtsreduktion nach 12 Monaten Nachbeobachtung. Über Proteinurie und Blutdruck wurde nicht berichtet.

Aufgrund der geringen Anzahl von Studien, der sehr niedrigen Qualität der Evidenz und der Heterogenität zwischen den Interventionsgruppen und den Vergleichsgruppen, sind die Ergebnisse bei allen Vergleichsgruppen mit Vorsicht zu interpretieren.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

Universität Heidelberg, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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