Pharmakologische Behandlungen von Panikstörungen bei Erwachsenen: eine Netzwerk-Metaanalyse

Warum ist dieser Review wichtig?

Menschen mit einer Panikstörung sind durch diese Erkrankung stark beeinträchtigt und haben oft Probleme bei der Arbeit, in der Ausbildung und im sozialen oder familiären Leben. Wir wollten herausfinden, welche Medikamente, wenn überhaupt, am wirksamsten und sichersten sind. Insbesondere wollten wir beurteilen, ob die Ergebnisse der Netzwerk-Metaanalyse valide genug sind, um die besten Medikamente zu ermitteln und so die Versorgung zu verbessern. Unsere Analysen ergaben auch Vorschläge für künftige Forschungsarbeiten, um sich den wichtigsten Unsicherheiten in der Evidenz zu widmen.

Für wen ist dieser Review interessant?

Die Forschungsfrage dieses Cochrane Reviews ist interessant für:

- gesundheitspolitische Entscheidungsträger*innen, die die Verschreibung von Medikamenten gegen Panikstörungen beeinflussen;

- Personen, die Menschen mit Panikstörung diese Arzneimittel verschreiben;

- Menschen mit Panikstörung;

- diejenigen, die sie unterstützen und betreuen.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten herausfinden, wie gut Antidepressiva, Benzodiazepine und Azapirone die Symptome einer Panikstörung bei Erwachsenen (d. h. bei Personen ab 18 Jahren) lindern können.

Wir wollten wissen, wie diese Medikamente Folgendes beeinflussen:

- die Symptome der Panikstörung;

- vorzeitige Studienabbrüche (als Maß für die unerwünschten Wirkungen der Medikamente);

- Genesung (d.h. die diagnostischen Kriterien für eine Panikstörung werden nicht mehr erfüllt);

- Ansprechen oder Remission: Ergebnisse auf einer Skala, die eine deutliche Verringerung der Panikattacken oder deren Verschwinden anzeigen;

- Häufigkeit von Panikattacken;

- Verringerung der Agoraphobie (Angst, sich in Situationen zu begeben, in denen es schwierig sein könnte, zu entkommen, oder in denen keine Hilfe zur Verfügung steht, wenn etwas schief läuft).

Wie gingen wir vor?

Wir durchsuchten elektronische Datenbanken und Studienregister, um alle relevanten Studien zu finden. Wir haben nur randomisierte kontrollierte Studien (eine Art von Studie, bei der die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip einer Behandlungsgruppe zugewiesen werden) einbezogen, in denen die Behandlung mit Antidepressiva, Benzodiazepinen, Azapironen und Placebo bei Erwachsenen mit der Diagnose einer Panikstörung mit oder ohne Agoraphobie verglichen wurde. Wir haben nur Studien einbezogen, bei denen weder die Patient*innen noch die Ärzte bzw. Ärztinnen wussten, welche Behandlung die Patient*innen erhielten. Insgesamt schlossen wir 70 Studien mit insgesamt 12.703 Teilnehmenden in unsere Untersuchung ein. Das Datum unserer Suche war der 26. Mai 2022.

Was sagt uns die Evidenz dieses Reviews?

- Die meisten Medikamente sind möglicherweise wirksamer als Placebo (ein Scheinmedikament). Diazepam, Alprazolam, Clonazepam, Paroxetin, Venlafaxin, Clomipramin, Fluoxetin und Adinazolam zeigten die stärkste Wirkung. Außerdem führten die meisten Medikamente entweder zu weniger oder ähnlich vielen Studienabbrüchen wie Placebo. Alprazolam und Diazepam waren mit einer geringeren Abbrecherquote verbunden als Placebo und wurden von allen untersuchten Medikamenten als am besten verträglich eingestuft.

- Die meisten Medikamente verbessern möglicherweise die Symptome der Panikstörung wirksamer als Placebo und ihre Wirkungen sind klinisch bedeutsam. Was die Verringerung der Werte auf der Panikskala betrifft, so scheinen Brofaromin, Clonazepam und Reboxetin im Vergleich zu Placebo die stärkste Wirkung zu haben. Allerdings basieren die Ergebnisse entweder auf einer einzigen Studie oder auf sehr kleinen Studien. Für den Endpunkt Häufigkeit der Panikattacken zeigten nur Clonazepam und Alprazolam eine starke Verringerung der Häufigkeit der Attacken im Vergleich zu Placebo. Die stärkste Verringerung der Agoraphobiesymptome wurde bei Citalopram, Reboxetin, Escitalopram, Clomipramin und Diazepam im Vergleich zu Placebo festgestellt.

- Betrachtet man die Medikamentenklassen zusammen (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, SSRI, Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, SNRI, trizyklische Antidepressiva, TCA, Monoaminoxidasehemmer, MAO-Hemmer, und Benzodiazepine), so waren alle untersuchten Medikamentenklassen wirksamer als Placebo. Die TCAs als Klasse waren am wirksamsten, gefolgt von Benzodiazepinen und MAO-Hemmern. SSRIs als Klasse rangierten im Durchschnitt an fünfter Stelle, während SNRIs am niedrigsten eingestuft wurden.

- Vergleicht man die Medikamentenklassen hinsichtlich des klinischen Ansprechens miteinander, so ist kein Unterschied zwischen den Klassen festzustellen. Für den Endpunkt Studienabbrüche waren Benzodiazepine die einzige Klasse, die mit einer geringeren Abbruchrate als Placebo assoziiert war; sie wurden hinsichtlich der Verträglichkeit an erster Stelle eingestuft. Bei den anderen Klassen gab es keinen Unterschied bei der Abbruchrate im Vergleich zu Placebo.

- Es ist wichtig zu beachten, dass die Qualität der Studien, die Antidepressiva mit Placebo verglichen, akzeptabel war. Die Qualität der Studien, die Benzodiazepine mit Placebo und Antidepressiva verglichen, war dagegen niedrig. Dies schränkt möglicherweise die Vertrauenswürdigkeit unserer Ergebnisse ein.

- Unser Review weist Einschränkungen auf, da er auf Kurzzeitstudien beruht.

Wie sieht das weitere Vorgehen aus?

- Fast alle Studien, die in dieser Metaanalyse untersucht wurden, waren von kurzer Dauer. Bei den Benzodiazepinen gibt es erhebliche Diskussionen darüber, ob sie angesichts ihres Missbrauchspotenzials und des möglichen Risikos einer Toleranzentwicklung langfristig eingesetzt werden können. Weitere Forschungen zu langfristigen Wirkungen (d. h. länger als acht Wochen, vielleicht bis zu einem Jahr) sind erforderlich.

- Die Wirksamkeit von Medikamenten sollte im Vergleich zu Gesprächstherapien systematisch bewertet werden, vielleicht im Rahmen einer Netzwerk-Metaanalyse. Die Daten für Depressionen scheinen zu zeigen, dass Psychotherapien zu einer nachhaltigeren Wirkung führen können. Das Gleiche könnte für Angststörungen im Allgemeinen und Panikstörungen insbesondere gelten, was jedoch noch untersucht werden muss.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

B. Schindler, T. Brugger, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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