Rehabilitationsdauer und ihre Wirkung auf Messungen der Aktivität nach Schlaganfall

Fragestellung des Reviews
Führt ein längerer Rehabilitationsaufenthalt zu einer Verbesserung der Aktivität? Worauf kommt es an? Ist es die Rehabilitationsdauer insgesamt, die wichtig ist, oder ist es die Art, was während dieser Zeit in der Rehabilitation geleistet wird (Zeitplan)? Ist es beispielsweise der Zeitaufwand pro Woche? Oder die Häufigkeit der Therapieeinheiten?

Hintergrund
Eine Schlaganfall-Rehabilitation unterstützt Menschen, die einen Schlaganfall hatten, sich zu erholen und ihre Aktivitäten wieder aufzunehmen. Je nach Land gibt es unterschiedliche Leitlinien über die Anzahl an Therapieeinheiten, die Patienten während der Rehabilitation erhalten sollten. In England gilt die Empfehlung, wenn die Therapie als geeignet erscheint, mindestens 45 Minuten täglich dafür einzuplanen. In Kanada empfehlen die Leitlinien mehr – drei Stunden aufgabenspezifisches Training an fünf Tagen pro Woche. Früheren Studien zufolge gibt es keine eindeutige Evidenz zugunsten des einen oder anderen Ansatzes: weder für die Wirkung der Rehabilitationsdauer insgesamt noch für den Zeitplan, nach dem sie erbracht wird. Die Empfehlung aus England von 45 Minuten basiert auf Studienergebnissen, die sowohl unterschiedliche Rehabilitationsmaßnahmen miteinander verglichen haben, als auch eine unterschiedliche Anzahl an Therapieeinheiten innerhalb der Rehabilitationsmaßnahmen (was nicht das gleiche ist). Deshalb vergleicht dieser Review nur eine unterschiedliche Anzahl von Therapieeinheiten der gleichen Rehabilitationsmaßnahmen nach Schlaganfall.

Studienmerkmale
Wir schlossen 21 Studien mit insgesamt 1412 Menschen mit Schlaganfall ein. Jede Studie verglich Personengruppen, die in unterschiedlichem Umfang die gleiche Art von Rehabilitationsmaßnahmen erhalten hatten. In den Vergleich wurden also unterschiedliche Rehabilitationsmaßnahmen eingeschlossen, aber innerhalb jeder Studie wurden immer nur Maßnahmen von unterschiedlichem Umfang miteinander vergleichen. Wir schlossen Rehabilitationsmaßnahmen für die Arme, Beine, das Gehen und allgemeine Rehabilitationsmaßnahmen ein. In 16 Studien lag der Schlaganfall der Teilnehmenden noch keine sechs Monate zurück. In den anderen fünf Studien lag der Schlaganfall der Teilnehmenden länger als sechs Monate zurück.

Datum der Suche
Die Autoren suchten nach Studien, die bis Juni 2021 veröffentlicht wurden.

Hauptergebnisse
Die Autoren fanden heraus, dass es durch Maßnahmen, die sich auf Aktivitäten des täglichen Lebens (z. B. Waschen und Anziehen), auf den Arm (z. B. etwas greifen) und auf das Bein (z. B. Gehen) bezogen, in Gruppen, die mehr Therapieeinheiten innerhalb der Rehabilitation erhalten hatten im Vergleich zu den Gruppen, die weniger erhalten hatten, weder Schaden noch Nutzen gab. Bei der Messung der Arm- und Beinbeweglichkeit (z. B. Kraft oder Bewegungsausmaß) ergab sich ein Vorteil durch eine längere Rehabilitationsdauer. Beim Vergleich der Studien miteinander, die einen größeren Unterschied zwischen den Gruppen aufwiesen, ergab sich eine förderliche Wirkung der Zusatztherapie bezogen auf die gemessenen Ergebnisse in den Aktivitäten des täglichen Lebens, sowie die Beweglichkeit der Arme, Beine und auf das Bewegungsausmaß des Arms. Das deutet darauf hin, dass Menschen mit Schlaganfall eine Vielzahl an zusätzlichen Therapieeinheiten im Rahmen der Rehabilitation benötigen, damit es für ihre Genesung und die Fähigkeit, Alltagsaktivitäten auszuführen, einen Unterschied macht.

Vertrauenswürdigkeit der Evidenz
Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz, gemessen anhand der Qualität jeder Studie, die in den Review eingeschlossen wurde, war niedrig oder sehr niedrig. Deshalb können wir als Autoren nur vorläufige Schlüsse aus den Ergebnissen dieses Reviews ziehen. Dies deutet auch darauf hin, dass mehr Studien von besserer Qualität notwendig sind.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Eine längere Verweildauer in der gleichen Art von Rehabilitation nach einem Schlaganfall führt zu geringen bis keinen Unterschieden bei sinnvollen Aktivitäten wie den Aktivitäten des täglichen Lebens und den Aktivitäten der oberen und unteren Gliedmaßen, aber zu einem geringen Nutzen bei der Messung der motorischen Beeinträchtigung (geringe bis sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit für alle Ergebnisse). Wenn die Verlängerung der Rehabilitationsdauer einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, kann dies zu besseren Ergebnissen führen. Derzeit gibt es keine ausreichenden Beweise, um in der klinischen Praxis eine nützliche tägliche Mindestmenge zu empfehlen. Die Ergebnisse dieser Studie werden dadurch eingeschränkt, dass es keine Studien gibt, die einen signifikanten Unterschied im Umfang der zusätzlichen Rehabilitationsmaßnahmen zwischen Kontroll- und Interventionsgruppen aufweisen.

Große, gut konzipierte, qualitativ hochwertige RCTs, die den Zeitaufwand für alle Rehabilitationsmaßnahmen (nicht nur für die Intervention) messen und einen großen Kontrast (mindestens 1000 Minuten) im Umfang der Rehabilitationsmaßnahmen zwischen den Gruppen aufweisen, würden weitere Belege für die Wirkung der in der Rehabilitation verbrachten Zeit liefern.

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Hintergrund: 

Jedes Jahr sind Millionen von Menschen von einem Schlaganfall betroffen. Er ist eine der häufigsten Ursachen für Behinderungen und verursacht erhebliche finanzielle Kosten sowie eine Beeinträchtigung der Lebensqualität. Die Rehabilitation nach einem Schlaganfall zielt darauf ab, Behinderungen zu verringern, indem die Wiederherstellung von Beeinträchtigungen, Aktivitäten oder Teilhabe erleichtert wird. Ein Aspekt der Schlaganfallrehabilitation, der sich auf die Endpunkte auswirken kann, ist die Rehabilitationsdauer, einschließlich der zur Verfügung gestellten Minuten, der Häufigkeit (d. h. Anzahl Rehabilitationstage pro Woche ) und der Dauer (d. h. der Zeitspanne, in der die Rehabilitation durchgeführt wird). Die Wirkung der Rehabilitationsdauer nach einem Schlaganfall wurden in der Literatur ausführlich untersucht, die Ergebnisse sind jedoch uneinheitlich. Frühere systematische Übersichtsarbeiten mit Metaanalysen haben Studien einbezogen, die sich nicht nur in der Menge der Leistungen, sondern auch in der Art der Rehabilitation unterscheiden.

Zielsetzungen: 

Bewertung des Effekts von 1. mehr Zeit, die in der gleichen Art von Rehabilitation verbracht wird, auf die Aktivitätswerte bei Menschen mit Schlaganfall; 2. Unterschied in der gesamten Rehabilitationsdauer (in Minuten) auf die Wiederherstellung der Aktivität bei Menschen mit Schlaganfall; und 3. Rehabilitationsplan auf die Aktivität in Bezug auf: a. durchschnittliche Zeit (Minuten) pro Woche in der Rehabilitation, b. Häufigkeit (Anzahl der Sitzungen pro Woche) der Rehabilitation, und c. Gesamtdauer der Rehabilitation.

Suchstrategie: 

Wir durchsuchten das Studienregister der Cochrane Stroke Group, CENTRAL, MEDLINE, Embase, acht weitere Datenbanken und fünf Studienregister bis Juni 2021. Wir durchsuchten die Referenzlisten der identifizierten Studien, nahmen Kontakt zu den Hauptautoren auf und führten eine Referenzsuche im Web of Science Cited Reference Search durch.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien (RCT) von Erwachsenen mit Schlaganfall ein, in denen die Dauer der Rehabilitationsmaßnahmen (jede nicht-pharmakologische, nicht-chirurgische Intervention zur Verbesserung der Aktivität nach einem Schlaganfall) verglichen wurde, die größer als Null war. Die Studien unterschieden sich lediglich in der Dauer der Rehabilitationsmaßnahmen zwischen Interventions- und Kontrollbedingungen. Primärer Endpunkt waren die Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL); sekundäre Endpunkte waren Aktivitätsmessungen der oberen und unteren Gliedmaßen, Messungen der motorischen Beeinträchtigung der oberen und unteren Gliedmaßen sowie schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (SUE)/Tod.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Autoren überprüften unabhängig voneinander die Studien, extrahierten die Daten, bewerteten die methodische Qualität mit dem Cochrane RoB 2 Tool und bewerteten die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz mit GRADE. Für kontinuierliche Outcomes mit unterschiedlichen Skalen berechneten wir gepoolte standardisierte Mittelwertdifferenzen (SMD) und 95 %-Konfidenzintervalle (KI). Wir haben dichotome Ergebnisse als Risikoverhältnisse (RR) mit 95 % KI ausgewiesen.

Hauptergebnisse: 

Die quantitative Synthese dieser Überprüfung umfasste 21 parallele RCTs, bei denen die Daten von 1412 Teilnehmern analysiert wurden.

Die Rehabilitationsdauer variiert zwischen den Studien. Pro Woche standen zwischen 90 und 1288 Minuten zur Verfügung. Die Reha-Tage pro Woche betrugen drei bis sieben. Die Rehabilitationsdauer betrug zwei Wochen bis sechs Monate. Dreizehn Studien befassten sich mit der Rehabilitation der oberen Gliedmaßen, fünf mit allgemeiner Rehabilitation, zwei mit Mobilisationstraining und eine mit Training der unteren Gliedmaßen. Sechzehn Studien untersuchten Teilnehmer in den ersten sechs Monaten nach dem Schlaganfall; die übrigen fünf Studien schlossen Teilnehmer sechs Monate oder länger nach dem Schlaganfall ein. Der Vergleich der Schwere des Schlaganfalls oder des Grads der Beeinträchtigung war aufgrund von Unterschiede in den Messungen nur begrenzt möglich.

Die Bewertung des Risiko für Bias legt nahe, dass es Probleme mit der methodischen Qualität der eingeschlossenen Studien gab. Es gab 76 Bewertungen des Risiko für Bias auf Ergebnisebene: 15 niedriges Risiko, 37 gewisse Bedenken und 24 hohes Risiko.

Beim Vergleich von Gruppen, die unmittelbar nach der Intervention mehr bzw. weniger Zeit in der Rehabilitation verbrachten, fanden wir keinen Unterschied in der Rehabilitation für ATL-Ergebnisse (SMD 0,13, 95% KI -0,02 bis 0,28; P = 0,09; I2 = 7%; 14 Studien, 864 Teilnehmer; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz), Aktivitätsmessungen der oberen Gliedmaßen (SMD 0.09, 95% KI -0,11 bis 0,29; P = 0,36; I2 = 0%; 12 Studien, 426 Teilnehmer; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz), und Aktivitätsmaße der unteren Gliedmaßen (SMD 0,25, 95% KI -0,03 bis 0,53; P = 0,08; I2 = 48%; 5 Studien, 425 Teilnehmer; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Wir fanden einen Effekt zugunsten einer längeren Rehabilitationsdauer für motorische Beeinträchtigungen der oberen Gliedmaßen (SMD 0,32, 95% KI 0,06 bis 0,58; P = 0,01; I2 = 10%; 9 Studien, 287 Teilnehmer; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz und der unteren Gliedmaßen (SMD 0,71, 95% KI 0,15 bis 1,28; P = 0,01; 1 Studie, 51 Teilnehmer; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)). Es gab keine interventionsbedingten schwerwiegende unerwünschte Ereignisse Ein längerer Rehabilitationsaufenthalt wirkte sich nicht auf das Risiko von SUE/Tod aus (RR 1,20, 95 % KI 0,51 bis 2,85; P = 0,68; I2 = 0 %; 2 Studien, 379 Teilnehmer; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz), aber nur wenige Studien haben diese Ergebnisse gemessen.

Vordefinierte Subgruppenanalysen, in denen Studien mit einem größeren Unterschied in der Gesamtzeit für die Rehabilitation zwischen den Interventionsgruppen mit Studien mit einem geringeren Unterschied verglichen wurden, ergaben größere Verbesserungen für Studien mit einem größeren Unterschied. Dies war statistisch signifikant für ATL-Ergebnisse (P = 0,02) und Aktivitätsmessungen der oberen Gliedmaßen (P = 0,04), aber nicht für Aktivitätsmessungen der unteren Gliedmaßen (P = 0,41) oder Messungen der motorischen Beeinträchtigung der oberen Gliedmaßen (P = 0,06).

Anmerkungen zur Übersetzung: 

C. Meiling, B. Hucke, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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