Medikamente gegen Herzinsuffizienz für Menschen mit chronischer Nierenerkrankung

Worum geht es?

Menschen mit Herzinsuffizienz (wenn das Herz nicht mehr ausreichend Blut pumpt) benötigen oft Medikamente gegen Symptome wie Erschöpfung, Schwellungen und Atemprobleme. In Studien wurde untersucht, ob diese Medikamente schädlich oder hilfreich sind. Allerdings konnten sie nicht eindeutig klären, ob diese medikamentösen Behandlungen auch bei Menschen mit Herzversagen hilfreich sind, die zudem Nierenprobleme haben (wenn die Nieren Abfallprodukte und Flüssigkeiten nicht richtig aus dem Körper entfernen).

Wie sind wir vorgegangen?

Wir haben nach allen Studien gesucht, in denen verschiedene Behandlungen gegen Herzinsuffizienz bewertet wurden (bis September 2019). Wir haben überprüft, ob solche Medikamente bei Menschen mit Nierenerkrankungen einen frühzeitigen Tod, Krankenhausaufenthalte oder ein erhöhtes Risiko für Schäden verhindern. Außerdem haben wir mithilfe des „GRADE“-Systems beurteilt, wie sicher wir uns sein können, dass diese Medikamente wirken.

Was haben wir herausgefunden?

Wir haben 31 Studien mit 23.762 Menschen mit Herzinsuffizienz und chronischer Nierenerkrankung gefunden. Die Patienten erhielten entweder ein Medikament gegen Herzversagen oder eine Standardbehandlung bzw. ein Placebo. Die jeweilige Behandlung wurde durch Zufall bestimmt. Obwohl viele verschiedene Behandlungen untersucht wurden, haben sich leider nur die wenigsten Studien mit der gleichen Art von Medikamenten befasst. Außerdem nutzten Forscher sehr viele unterschiedliche Methoden, um zu erfassen, was bei Einnahme der Medikamente geschah. Deshalb konnten wir die Studien weder zusammengefasst auswerten, noch die Vor- und Nachteile jeder Behandlung eindeutig klären. Die vorhandenen Studien lassen nicht wirklich erkennen, ob Medikamente zur Behandlung von Herzinsuffizienz in der Gesamtpopulation auch für Patienten, die darüber hinaus unter chronischer Nierenerkrankung leiden, wirksam und sicher sind.

Schlussfolgerungen

Wir können keine Empfehlung geben, welches Medikament gegen Herzinsuffizienz am besten für Patienten mit Herzinsuffizienz und chronischer Nierenerkrankung geeignet ist. Mehr Informationen aus großen klinischen Studien sind notwendig. In den meisten Studien zu Herzinsuffizienz wird nicht getrennt nach dem Grad der Nierenfunktion über die Wirkung der Behandlung berichtet. Es könnte sehr hilfreich sein, diese Information aus bestehenden Studien zu gewinnen. So könnte man besser verstehen, wie Herzversagen bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung behandelt werden sollte.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Die Wirkung von pharmakologischen Interventionen gegen Herzinsuffizienz bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung ist unklar und die Evidenz ist für die klinische Praxis unzureichend. Es gibt nur wenige Studiendaten zu Behandlungsergebnissen bei Patienten mit Herzinsuffizienz und chronischer Nierenerkrankung, obwohl eine Schädigung der Niere auf die Vor- und Nachteile der Behandlung Einfluss nehmen kann. Es könnten wertvolle Erkenntnisse für die Behandlung von Patienten mit Herzinsuffizienz und chronischer Nierenerkrankung gewonnen werden, wenn in zukünftigen Untersuchungen zur Analyse der bestehenden Daten in der Gesamtpopulation mit Herzinsuffizienz die Wirkung in Subgruppen mit chronischer Nierenerkrankung untersucht und dabei das Krankheitsstadium berücksichtigt wird.

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Hintergrund: 

Fast die Hälfte aller Patienten mit Herzinsuffizienz leiden unter chronischer Nierenerkrankung. Pharmakologische Interventionen gegen Herzinsuffizienz können bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung die Gesamtmortalität oder Hospitalisierungen wegen dekompensierter Herzinsuffizienz reduzieren. Jedoch ist der Nutzen dieser Interventionen ungewiss und ihre Anwendung kann das Risiko für unerwünschte Wirkungen wie Hypotonie und Elektrolytstörungen bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung erhöhen.

Zielsetzungen: 

Ziel dieses Reviews ist es, die Vor- und Nachteile pharmakologischer Interventionen gegen Herzinsuffizienz (z. B. Antihypertensiva, Inotropika und Wirkstoffe, die indirekt die Herzleistung verbessern können) bei Patienten mit Herzinsuffizienz und chronischer Nierenerkrankung zu untersuchen.

Suchstrategie: 

Dazu wurde die Datenbank Cochrane Kidney and Transplant Register of Studies in Absprache mit einem Informationsspezialisten und mit entsprechenden relevanten Suchbegriffen am 12. September 2019 durchsucht. Studien in diesem Register werden durch Suchen in CENTRAL, MEDLINE und EMBASE, in Konferenzberichten, im International Clinical Trials Register (ICTRP) Search Portal und über ClinicalTrials.gov. identifiziert.

Auswahlkriterien: 

Für den Review wurden randomisierte kontrollierte Studien mit jeglicher pharmakologischer Intervention gegen akute oder chronische Herzinsuffizienz bei Patienten aller Altersgruppen berücksichtigt, die seit mindestens drei Monaten an einer chronischen Nierenerkrankung litten.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zur Bestimmung relevanter Studien durchsuchten zwei Autoren unabhängig voneinander die Datensätze und extrahierten Daten entsprechend folgender dichotomer Endpunkte: frühzeitiger Tod, Hospitalisierung, Verschlechterung der Herzinsuffizienz, Verschlechterung der chronischen Nierenerkrankung, Hyperkaliämie und Hypotonie. Wir verwendeten eine Metaanalyse unter Anwendung des Random-Effects-Modells, um die Wirkung der Behandlung abzuschätzen, die wir als Risikoverhältnis (RR) mit Konfidenzintervallen (CI) von 95 % ausdrückten. Das Risiko für Bias wurde mit dem Cochrane-Tool bewertet. Zur Bewertung der Vertrauenswürdigkeit der Evidenz nutzen wir den GRADE-Ansatz.

Hauptergebnisse: 

112 Studien erfüllten die Auswahlkriterien: 15 davon waren Studien mit erwachsenen Patienten mit chronischer Nierenerkrankung. 16 wurden in der Allgemeinbevölkerung durchgeführt, lieferten jedoch Subgruppendaten zu Patienten mit chronischer Nierenerkrankung. In 81 Studien wurden Patienten mit chronischer Nierenerkrankung eingeschlossen, jedoch gab es für diese Subgruppe keine gesonderten Daten. Das Risiko für Bias in allen 112 Studien war häufig hoch oder unklar. Von den 31 Studien (23.762 Teilnehmer) mit Daten zu chronischer Nierenerkrankung variierte die Dauer der Nachbeobachtung von 3 Monaten bis zu 5 Jahren, die Studiengröße reichte von 16 bis zu 2.916 Teilnehmern. Insgesamt fanden sich in 26 Studien (19.612 Teilnehmer) aufgeschlüsselte und verfügbare Daten zu mindestens einem für diesen Review relevanten Endpunkt. Diese Studien wurden in die Metaanalysen eingeschlossen.

Für akute Herzinsuffizienz war die Wirkung von Adenosin-A1-Rezeptor-Antagonisten, Dopamin, Nesiritid oder Serelaxin auf frühzeitigen Tod, Hospitalisierung, Verschlechterung der Herzinsuffizienz oder Nierenfunktion, Hyperkaliämie, Hypotonie oder Lebensqualität aufgrund mangelnder Daten unklar oder wurde nicht dokumentiert.

Bei chronischer Herzinsuffizienz war die Wirkung auf den Tod (jedweder Ursache) unsicher für: Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmer (ACEi) oder Angiotensin-Rezeptorblocker (ARB) (4 Studien, 5003 Teilnehmer: RR 0,85, 95% CI 0,70 bis 1,02; I2= 78%; geringe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz), Aldosteron-Antagonisten (2 Studien, 34 Teilnehmer: RR 0,61, 95 % KI 0,06 bis 6,59; sehr geringe Sicherheit) und Vasopressin-Rezeptor-Antagonisten (RR 1,26, 95 % KI 0,55 bis 2,89; 2 Studien, 1840 Teilnehmer; geringe Vertrauenswürdigkeit). Die Behandlung mit Betablockern kann das Risiko eines Todes (gleich welcher Ursache) verringern (4 Studien, 3136 Teilnehmer): RR 0,69, 95%-KI 0,60-0,79; I² = 0%; moderate Vertrauenswürdigkeit in die Evidenz).

Behandlung mit ACEi oder ARB (2 Studien, 1368 Teilnehmer: RR 0,90, 95% KI 0,43 bis 1,90; I² = 97%; Evidenz mit sehr geringer Vertrauenswürdigkeit) hatte ungewisse Auswirkungen auf Krankenhausaufenthalte wegen Herzinsuffizienz, da die Effektschätzungen sowohl mit einem Nutzen als auch einem Schaden vereinbar waren. Die Behandlung mit Betablockern kann die Zahl der Krankenhausaufenthalte wegen Herzinsuffizienz verringern (3 Studien, 2287 Teilnehmer): RR 0,67, 95%-KI 0,43-1,05; I² = 87%; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Aldosteron-Antagonisten könnten das Risiko für Hyperkaliämie im Vergleich zu Placebo oder keiner Behandlung steigern (3 Studien, 826 Teilnehmer: RR 2,91, 95%-KI 2,03-4,17; I²= 0%; niedrige Vertrauenswürdigkeit in die Evidenz). Renin-Inhibitoren brachten unklare Risiken für Hyperkaliämie mit sich (2 Studien, 142 Teilnehmer: RR 0,86, 95% CI 0,49 bis 1,49; I² = 0%; sehr geringe Vertrauenswürdigkeit). Wir konnten nicht abschätzen, ob eine Behandlung mit Sinusknoten-Inhibitoren das Risiko für Hyperkaliämie beeinflusst, da es hierzu nur wenige Studien gab und eine Metaanalyse nicht möglich war. In Studien zu anderen Therapien wurde nicht über Hyperkaliämie für die Subgruppe mit chronischer Nierenerkrankung berichtet.

Die Wirkung von ACE-Hemmern, ARB oder Aldosteron-Antagonisten auf eine Verschlechterung der Herzinsuffizienz oder der Nierenfunktion, Hypotonie oder Lebensqualität war aufgrund geringer Daten unsicher oder wurde nicht dokumentiert.

Die Wirkung von Antiarrhythmika, Digoxin, Phosphodiesterase-Inhibitoren, Renin-Inhibitoren, Sinusknoten-Inhibitoren, Vasodilatatoren und Vasopressin-Rezeptor-Antagonisten war aufgrund des Mangels an Studien sehr unklar.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

Universität Heidelberg, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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