Metformin und Sulfonylharnstoff-Kombinationstherapie für Erwachsene mit Typ-2-Diabetes mellitus

Fragestellung des Reviews

Wir wollten die Auswirkungen der Kombination der antidiabetischen Medikamente Metformin und Sulfonylharnstoff im Vergleich zu anderen antidiabetischen Medikamenten bei Menschen mit Typ-2-Diabetes untersuchen.

Hintergrund

Viele Menschen mit Typ-2-Diabetes werden mit verschiedenen Arten von Glukose-senkenden Medikamenten wie ‚Sulfonylharnstoffen‘ behandelt (z.B. Glibenclamid oder Glyburid, Glipizid und Gliclazid). Diese Medikamente senken den Blutzuckerspiegel (auch Blutglukosespiegel), indem sie die Ausschüttung von Insulin im Körper anregen und so den Insulinspiegel im Blut erhöhen. Ein weiteres antidiabtetisches Medikament, Metformin, senkt den Blutzuckerspiegel indem es die Fähigkeit des Körpers, die Wirkung von Insulin zu optimieren (Insulinsensitivität), verbessert. Die Kombination von Metformin und Sulfonylharnstoff wird oft als medikamentöse Therapie eingesetzt. Wir wollten die Auswirkungen der Kombination aus Metformin und Sulfonylharnstoff auf patientenrelevante Endpunkte hin untersuchen. Dazu gehören beispielsweise Komplikationen des Diabetes (z.B. Nieren- und Augenerkrankungen, Herzinfarkt, Schlaganfall), Tod jeglicher Ursache, gesundheitsbezogene Lebensqualität und Nebenwirkungen der Medikamente.

Studienmerkmale

Wir fanden 32 randomisierte kontrollierte Studien (klinische Studien, in denen Menschen nach dem Zufallsprinzip einer von zwei oder mehreren Behandlungsgruppen zugeteilt werden), die 28.746 Menschen mit Typ-2-Diabetes entweder der Gruppe Kombination aus Metformin und Sulfonylharnstoff oder einer Vergleichsgruppe zuteilten. Die Menschen in den Vergleichsgruppen erhielten neben Metformin die Gabe folgender anti-diabetischer Medikamente: in fünf Studien glucagonähnliche Peptid-1-Analoga, in neun Studien Dipeptidyl-Peptidase-4-Inhibitoren, in 11 Studien Thiazolidinedione, in drei Studien Glinide und in vier Studien Natrium-Glukose Co-Transporter-2-Inhibitoren.

Die Dauer der Behandlung der Studienteilnehmer erstreckte sich über ein bis vier Jahre. Es gab große Unterschiede zwischen den eingeschlossenen Teilnehmern der Studien, insbesondere in Bezug auf das Alter, die Dauer der Erkrankung und ob Diabetes-Komplikationen bereits zu Beginn der Studie bestanden.

Die hier zusammengefassten Ergebnisse sind auf dem Stand von März 2018.

Hauptergebnisse

Es gab nur wenige Daten zu patientenrelevanten Endpunkten. Ebenso waren die Daten aller Vergleiche der Kombination aus Metformin und Sulfonylharnstoff mit anderen anti-diabetischen Medikamenten spärlich. Wenn Daten berichtet wurden, zeigten diese keine relevanten Unterschiede zwischen der Kombination aus Metformin und Sulfonylharnstoff im Vergleich zu anderen Kombinationen aus Metformin mit antidiabetischen Medikamenten oder Metformin allein. Dies gilt für die meisten patientenrelevanten Endpunkte. Bezüglich des Auftretens von niedrigem Blutzucker (Unterzucker, Hypoglykämie) gab es bei der Behandlung mit der Kombination aus Metformin und Sulfonylharnstoff mehr Fälle als mit allen anderen Kombinationstherapien mit Metformin.

In keiner der Studien wurde die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Teilnehmer untersucht. Wir identifizierten neun noch nicht abgeschlossene Studien und zwei noch nicht veröffentlichte Studien, deren Bewertung noch aussteht. Insgesamt werden diese Studien etwa 16.631 Teilnehmer umfassen. Sobald die Ergebnisse veröffentlicht sind, könnten diese Studien einen erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse dieser Übersichtsarbeit haben.

Vertrauenswürdigkeit der Evidenz

Alle eingeschlossenen Studien wiesen Mängel in der Art und Weise ihrer Durchführung auf oder waren mangelhaft darin, wie Studienautoren die Ergebnisse berichteten. Aufgrund der niedrigen Teilnehmerzahl bei Einzelvergleichen der antidiabetischen Medikamente besteht ein hohes Risiko für zufällige Fehler.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Schlussfolgernd reicht die derzeitige Evidenz nicht aus, zu zeigen, ob die M+S Kombinationstherapie, verglichen mit Metformin plus einer weiteren Glukose-senkende Medikation, einen Nutzen oder Schaden in Bezug auf die patientenrelevanten Endpunkte (Mortalität, schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, makrovaskuläre und mikrovaskuläre Komplikationen) hat. Ausgenommen ist hiervon die Hypoglykämie (mehr Schaden mit der M+S Kombination). Kein RCT berichtete den Endpunkt gesundheitsbezogene Lebensqualität.

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Hintergrund: 

Weltweit nimmt die Anzahl der Menschen mit Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM) zu. Für die Behandlung wird häufig eine Kombination aus Metformin und Sulfonylharnstoff (M+S) eingesetzt. Ob M+S im Vergleich mit anderen Antidiabetika bei Menschen mit T2DM besser oder schlechter wirkt, ist noch umstritten.

Zielsetzungen: 

Es sollte untersucht werden, welche Auswirkungen die Kombinationstherapie von Metformin und Sulfonylharnstoffen (zweiter oder dritter Generation) bei Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes mellitus zeigen.

Suchstrategie: 

Wir aktualisierten die Suche eines aktuellen systematischen Reviews der Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ). Die aktualisierte Suche schloss die Datenbanken CENTRAL, MEDLINE, Embase, ClinicalTrials.gov und WHO ICTRP ein. Der Zeitpunkt der letzten Suche war März 2018. Wir durchsuchten Webseiten von Medikamentenherstellern und Literaturverzeichnisse von eingeschlossenen Studien, systematische Reviews, Meta-Analysen und Protokolle von HTA-Berichten (health technology assessment reports). Um Auskunft über weitere (geplante) Studien zu erhalten, haben wir uns mit Autoren der bereits eingeschlossenen Studien in Verbindung gesetzt.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) ein, die Teilnehmer (18 Jahre oder älter) mit T2DM in die Gruppe M+S oder Metformin mit einer anderen Glukose-senkenden Medikation oder Metformin-Monotherapie randomisierte und verglichen. Die Behandlungsdauer lag bei mindestens 52 Wochen.

Datensammlung und ‐analyse: 

Unabhängig voneinander prüften zwei Review-Autoren Abstracts, Volltextartikel und Registereinträge, bewerteten das Risiko für Bias und extrahierten relevante Daten. Wir verwendeten ein „Random-Effects“-Modell für die statistische Zusammenfassung (Metaanalyse) und kalkulierten für dichotome Endpunkte jeweils das relative Risiko (RR) und für kontinuierliche Endpunkte Mittelwertdifferenzen (MDs). Zusätzlich gaben wir 95% Konfidenzintervalle (KIs) an. Zur Beurteilung der Sicherheit der Evidenz bzw. des Vertrauens in die Effektschätzer verwendeten wir das GRADE-Instrument.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen 32 RCTs ein, die 28.746 Personen randomisierten. Die Behandlungsdauer lag zwischen einem und vier Jahren. Für keine der eingeschlossenen Studien konnten wir das Risiko für Bias als niedrig einstufen. Die wichtigsten Endpunkte waren Gesamtmortalität und kardiovaskuläre Sterblichkeit, schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, Schlaganfall ohne Todesfolge, Herzinfarkt ohne Todesfolge und mikrovaskuläre Komplikationen. Die wichtigsten Vergleiche waren die folgenden:

Fünf Studien verglichen M+S (N = 1194) mit Metformin plus einem Glucagon-ähnlichen Peptid 1 Analogon (N = 1675): Die Gesamtmortalität lag bei 11/1057 (1 %) versus 11/1537 (0,7 %), Relatives Risiko (RR) 1,15 (95 % Konfidenzintervall (KI) 0,49 bis 2,67); 3 Studien; 2594 Teilnehmer; niedrige Sicherheit der Evidenz; kardiovaskuläre Sterblichkeit 1/307 (0,3 %) versus 1/302 (0,3 %), niedrige Sicherheit der Evidenz; schwerwiegende unerwünschte Ereignisse 128/1057 (12,1 %) versus 194/1537 (12,6 %), RR 0,90 (95 % KI 0,73 bis 1,11); 3 Studien; 2594 Teilnehmer; sehr niedrige Sicherheit der Evidenz; Herzinfarkt ohne Todesfolge 2/549 (0,4 %) versus 6/1026 (0,6 %), RR 0,57 (95 % KI 0,12 bis 2,82); 2 Studien, 1575 Teilnehmer; sehr niedrige Sicherheit der Evidenz.

Neun Studien verglichen M+S (N = 5414) mit Metformin plus einem Dipeptidylpeptidase 4 Hemmer (N = 6346): Gesamtmortalität lag bei 33/5387 (0,6 %) versus 26/6307 (0,4 %), RR 1,32 (95 % KI 0,76 bis 2,28); 9 Studien; 11.694 Teilnehmer; niedrige Sicherheit der Evidenz; kardiovaskuläre Sterblichkeit 11/2989 (0,4 %) versus 9/3885 (0,2 %), RR 1,54 (95 % KI 0,63 bis 3,79); 6 Studien; 6874 Teilnehmer; niedrige Sicherheit der Evidenz; schwerwiegende unerwünschte Ereignisse 735/5387 (13,6 %) versus 779/6307 (12,4 %), RR 1,07 (95 % KI 0,97 bis 1,18); 9 Studien; 11.694 Teilnehmer; sehr niedrige Sicherheit der Evidenz; Schlaganfall ohne Todesfolge 14/2098 (0,7 %) versus 8/2995 (0,3 %), RR 2,21 (95 % KI 0,74 bis 6,58); 4 Studien; 5093 Teilnehmer; sehr niedrige Sicherheit der Evidenz; Herzinfarkt ohne Todesfolge 15/2989 (0,5 %) versus 13/3885 (0,3 %), RR 1,45 (95 % KI 0,69 bis 3,07); 6 Studien; 6874 Teilnehmer; sehr niedrige Sicherheit der Evidenz; eine Studie mit 64 Teilnehmern berichtete, dass keine mikrovaskulären Komplikationen beobachtet wurden (Evidenz von sehr niedriger Sicherheit).

Elf Studien verglichen M+S (N = 3626) mit Metformin plus einem Thiazolidindion (N = 3685): Gesamtmortalität lag bei 123/3300 (3,7 %) versus 114/3354 (3,4 %), RR 1,09 (95 % KI 0,85 bis 1,40); 6 Studien; 6654 Teilnehmer; niedrige Sicherheit der Evidenz; kardiovaskuläre Sterblichkeit 37/2946 (1,3 %) versus 41/2994 (1,4 %), RR 0,78 (95 % KI 0,36 bis 1,67); 4 Studien; 5940 Teilnehmer; niedrige Sicherheit der Evidenz; schwerwiegende unerwünschte Ereignisse 666/3300 (20,2 %) versus 671/3354 (20 %), RR 1,01 (95 % KI 0,93 bis 1,11); 6 Studien; 6654 Teilnehmer; sehr niedrige Sicherheit der Evidenz; Schlaganfall ohne Todesfolge 20/1540 (1,3 %) versus 16/1583 (1 %), RR 1,29 (95 % KI 0,67 bis 2,47); P = 0,45; 2 Studien; 3123 Teilnehmer; sehr niedrige Sicherheit der Evidenz; Herzinfarkt ohne Todesfolge 25/1841 (1,4 %) versus 21/1877 (1,1 %), RR 1,21 (95 % KI 0,68 bis 2,14); P = 0,51; 3 Studien; 3718 Teilnehmer; sehr niedrige Sicherheit der Evidenz; drei Studien (3123 Teilnehmer) berichteten, dass keine mikrovaskulären Komplikationen auftraten (Evidenz von sehr niedriger Sicherheit).

Drei Studien verglichen M+S (N = 462) mit Metformin plus einem Glinid (N = 476): in beiden Vergleichsgruppen starb eine Person (3 Studien; 874 Teilnehmer; niedrige Sicherheit der Evidenz); kardiovaskuläre Sterblichkeit wurde in keiner der Gruppen beobachtet (2 Studien; 446 Teilnehmer; niedrige Sicherheit der Evidenz); schwerwiegende unerwünschte Ereignisse 34/424 (8 %) versus 27/450 (6 %), RR 1,68 (95 % KI 0,54 bis 5,21); P = 0,37; 3 Studien; 874 Teilnehmer; niedrige Sicherheit der Evidenz; es wurde kein Schlaganfall ohne Todesfolge beobachtet (1 Studie; 233 Teilnehmer; sehr niedrige Sicherheit der Evidenz); Herzinfarkt ohne Todesfolge 2/215 (0,9 %) Teilnehmer in der M+S Gruppe; 2 Studien; 446 Teilnehmer; niedrige Sicherheit der Evidenz; es wurden keine mikrovaskulären Komplikationen beobachtet (1 Studie; 233 Teilnehmer; niedrige Sicherheit der Evidenz).

Vier Studien verglichen M+S (N = 2109) mit Metformin plus einem Inhibitor des Natrium-Glukose Co-Transporter 2 (N = 3032): Gesamtmortalität lag bei 13/2107 (0,6 %) versus 19/3027 (0,6 %), RR 0,96 (95 % KI 0,44 bis 2,09); 4 Studien; 5134 Teilnehmer; sehr niedrige Sicherheit der Evidenz; kardiovaskuläre Sterblichkeit 4/1327 (0,3 %) versus 6/2262 (0,3 %), RR 1,22 (95 % KI 0,33 bis 4,41); 3 Studien; 3589 Teilnehmer; sehr niedrige Sicherheit der Evidenz; schwerwiegende unerwünschte Ereignisse 315/2107 (15,5 %) versus 375/3027 (12,4 %), RR 1,02 (95 % KI 0,76 bis 1,37); 4 Studien; 5134 Teilnehmer; sehr niedrige Sicherheit der Evidenz; Schlaganfall ohne Todesfolge 3/919 (0,3 %) versus 7/1856 (0,4 %), RR 0,87 (95 % KI 0,22 bis 3,34); 2 Studien; 2775 Teilnehmer; sehr niedrige Sicherheit der Evidenz; Herzinfarkt ohne Todesfolge 7/890 (0,8 %) versus 8/1374 (0,6 %), RR 1,43 (95 % KI 0,49 bis 4,18); 2 Studien; 2264 Teilnehmer; sehr niedrige Sicherheit der Evidenz; Amputation der unteren Extremitäten 1/437 (0,2 %) versus 1/888 (0,1 %); sehr niedrige Sicherheit der Evidenz.

Bei der Verwendung von Kombination aus M+S wurden in den Studien mehr hypoglykämische Episoden berichtet als bei allen anderen Kombinationen von Metformin mit Antidiabetika. Die Ergebnisse des Vergleichs von M+S mit Metformin-Monotherapie waren uneindeutig. Es gab keine RCTs die M+S mit Metformin plus Insulin verglichen. Wir identifizierten neun laufende Studien, bei zwei weiteren Studien konnte die Bewertung bzgl. Ein- und Ausschlusskriterien noch nicht endgültig vorgenommen werden. Insgesamt umfassen diese Studien ungefähr 16.631 Teilnehmer.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

PLS: S. Schneider, Abstract: A. Wenzel, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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