Psychosoziale Interventionen bei selbstverletzendem Verhalten von Erwachsenen

Warum ist dieser Review wichtig?

Selbstverletzendes Verhalten (SVV) umfasst vorsätzliche Selbstvergiftungen/Verabreichung einer Überdosis und selbst zugefügte Verletzungen. Es stellt ein beträchtliches Problem in vielen Ländern dar und wird mit einem Risiko für künftigen Selbstmord assoziiert. Es ist sowohl für die Patienten sowie ihre Familien und Freunde belastend und hat einen erhöhten Bedarf an Krankenhausleistungen zur Konsequenz. Deshalb ist es wichtig, die Evidenz für die Behandlung von Patienten mit SVV zu bewerten.

Zielgruppe des Reviews

Kliniker, die mit Personen mit SVV arbeiten, politische Entscheidungsträger, Personen mit SVV und solche, die ein erhöhtes Risiko für SVV haben sowie ihre Familien und Angehörige.

Welche Fragen soll dieser Review beantworten?

Dieser Review ist eine Aktualisierung eines früheren Cochrane Reviews von 1999, der wenig Evidenz zur nutzbringenden Wirkung von psychosozialen Behandlungen bei wiederholtem SVV gefunden hat. Diese Aktualisierung zielt darauf ab, die Evidenz für die Alltagswirksamkeit von psychosozialen Behandlungen für Patienten mit SVV zu bewerten und mehr Endpunkte in die Bewertung einzubeziehen.

Welche Studien wurden in den Review eingeschlossen?

Nur randomisierte kontrollierte Studien über psychosoziale Behandlungen für Erwachsene, die in letzter Zeit SVV zeigten, wurden eingeschlossen. Wir durchsuchten elektronische Datenbanken, um alle entsprechenden Studien zu finden, die bis zum 29. April 2015 publiziert wurden. Wir haben 55 Studien gefunden, die unseren Einschlusskriterien entsprachen.

Was besagt die Evidenz aus diesem Review?

Es gibt inzwischen eine Reihe von Studien zu psychosozialen Behandlungen für SVV bei Erwachsenen, in den letzten Jahren vor allem aus Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen, wie China, Iran, Pakistan und Sri Lanka.

Evidenz von moderater Qualität zeigte, dass kognitiv-verhaltenstherapeutisch-basierte Psychotherapie (eine Psychotherapie, die das Ziel hat, nicht hilfreiche Gedanken, Emotionen oder Verhalten zu verändern) helfen könnte, einer Wiederholung von SVV vorzubeugen, obwohl es nicht die Gesamthäufigkeit von SVV reduzieren konnte. Es gab ermutigende Ergebnisse (von kleinen Studien von moderater bis sehr niedriger Qualität) bezüglich anderer Maßnahmen, mit dem Ziel, die Häufigkeit von SVV bei Personen mit wahrscheinlicher Persönlichkeitsstörung zu reduzieren, wie gruppenbasierte, Psychotherapie, die auf die Lenkung der Emotionen abzielt, Mentalisierung (eine Psychotherapie mit dem Ziel, das Verständnis der eigenen Befindlichkeit und die der anderen zu verbessern) und Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT; eine Psychotherapien mit dem Ziel, die Identifikation von Auslösern, die zu dem Reaktionsverhalten führen zu verbessern und den Personen emotionale Copingstrategien anzubieten, um diese Reaktionen zu vermeiden). Während DBT im Vergleich zur Regelversorgung bei dem abschließenden Nachuntersuchungen nicht mit einer signifikanten Reduktion der Wiederholungsrate von SVV assoziiert wurde, gab es Evidenz von niedriger Qualität, die vermuten lässt, dass es zu einer Reduktion in der Häufigkeit von SVV kommt.

Es gab keine eindeutige Evidenz, die die Wirksamkeit einer langfristigen Behandlungen durch die folgenden unterstützt: DBT, Case Management, Ansätzen zur Verbesserung der Behandlungseinhaltung, kombinierte multimodale Maßnahmen (bestehend aus sowohl Psychotherapie als auch Ferntherapie), Ferntherapien (Postkarten, Notfallkarten und Telefonkontakten), interpersonelles Training der Fähigkeiten Probleme zu lösen, Verhaltenstherapie, Anbieten von Informationen und Unterstützung, Maßnahmen für Alkoholmissbrauch, häuslich basierte Problemlösetherapie, intensive stationäre und gemeindenahe Behandlung, allgemeine Klinikaufnahme, intensive ambulante Behandlung oder langfristige Psychotherapie.

Wir hatten nur eingeschränkte Evidenz aus einem Teil der Studien, bezüglich der unterschiedlichen Wirkungen der Interventionen auf Männer und Frauen. Bis auf suizidales Verhalten berichteten die Studien nicht über Nebenwirkungen.

Was sollte als Nächstes passieren?

Die vielversprechenden Ergebnisse der kognitiv-verhaltenstherapeutisch gestützten Therapie und der Dialektisch-Behavioralen Therapie rechtfertigen weitergehende Untersuchungen, um den Nutzen dieser Art von Behandlungen für die Patienten zu verstehen. Es gab lediglich einige wenige, eher kleine Studien, meist bezüglich anderer Arten von psychosozialen Therapien, die wenig Evidenz zu einer nutzbringenden Wirkung liefert; diese sollten jedoch nicht vernachlässigt werden. Es werden weitere Informationen darüber benötigt, ob psychosoziale Maßnahmen möglicherweise unterschiedlich bei Männern und Frauen wirken.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

I. Nolle, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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