Die Auswirkung der Anreicherung von Weizen- und Maismehl mit Folsäure auf gesundheitsrelevante Endpunkte in der Bevölkerung

Hintergrund

Folat ist ein essentielles Vitamin, das zur Bildung und zur Reparatur der DNA, sowie zur Zellteilung benötigt wird. Es gibt zwei für den Körper relevante Hauptformen von Folatverbindungen: Folat, die natürliche Form, wie sie auch in Lebensmitteln vorkommt und die Folsäure, welche in dieser Form in Nahrungsergänzungsmitteln und angereicherten Lebensmitteln verwendet wird. Weizen- und Maismehl sind Grundnahrungsmittel, die in weiten Teilen der Welt verzehrt werden. Die Anreicherung (d.h. der Zusatz von Vitaminen und Mineralien bei Lebensmitteln, um deren Nährwert zu erhöhen) von Weizen- oder Maismehl mit Folsäure wurde bereits in über 80 Ländern eingeführt, insbesondere für Frauen im Reproduktionsalter, um Neuralrohrdefekte bei Geburten zu verhindern. Bislang wurde jedoch kein Systematischer Review durchgeführt, um die Wirksamkeit von mit Folsäure angereichertem Mehl auf den Folatstatus oder andere gesundheitsbezogene Endpunkte in der allgemeinen Bevölkerung zu beurteilen.

Fragestellung des Reviews

Der Review zielte darauf ab, den Nutzen und die Sicherheit der Anreicherung von Weizen- und Maismehl mit Folsäure (d.h. allein oder mit anderen Vitaminen und Mineralien) im Vergleich zu Weizen- oder Maismehl ohne Folsäure (oder ohne Vergleichsintervention), mit Hilfe des Folatstatus und verschiedenen gesundheitsbezogenen Endpunkten in der Allgemeinbevölkerung, zu bestimmen.

Studienmerkmale

Die Literatursuche führten wir im März und Mai 2018 durch. Wir schlossen zehn Studien ein; vier Studien lieferten Daten für Meta-Analysen. Sechs Studien wurden in Ländern mit hohem mittlerem Einkommensniveau (China, Mexiko, Südafrika), eine Studie in einem Land mit niedrigem mittlerem Einkommensniveau (Bangladesch) und drei Studien in einem Land mit hohem Einkommensniveau (Kanada) durchgeführt. Sieben Studien untersuchten die Wirksamkeit von angereichertem Weizenmehl, hierbei wurde das Mehl mit Folsäure allein (drei Studien) oder mit anderen Mikronährstoffen angereichert (vier Studien). Drei Studien beurteilten die Wirksamkeit von mit Folsäure allein (eine Studie) oder mit anderen Mikronährstoffen (zwei Studien) angereichertem Maismehl.

Hauptergebnisse und Vertrauenswürdigkeit der Evidenz

Die Anreicherung von Weizenmehl mit Folsäure könnte die Wahrscheinlichkeit von Neuralrohrdefekten verringern. Dies bezieht sich auf die Gesamtanzahl von Neuralrohrdefekten und zweier spezifischer Formen von Neuralrohrdefekten: Spina bifida und Enzephalozele (eine Art Neuralrohrdefekt, der das Gehirn sowie die Hirnhäute betrifft; ein bruchartiger Vorfall von Hirnsubstanz durch eine Öffnung im Schädel). Die Anreicherung von Weizen- oder Maismehl mit Folsäure (d.h. allein oder mit anderen Vitaminen und Mineralien) könnte den Folatstatus verbessern. Es lag nur begrenzte Evidenz bezüglich der Wirksamkeit von mit Folsäure angereichertem Weizenmehl auf den Hämoglobinspiegel oder Anämie vor. Die Wirksamkeit der Folsäureanreicherung von Weizen- oder Maismehl auf andere, in dieser Studie untersuchten Hauptendpunkte, sind nicht bekannt. Keine der Studien berichtete vom Auftreten unerwünschter Ereignisse. Limitationen dieses Reviews waren: die geringe Anzahl von Studien und Teilnehmenden, sowie die geringe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz aufgrund der Art und Weise, wie eingeschlossene Studien konzipiert und berichtet wurden.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Die Anreicherung von Weizenmehl mit Folsäure könnte das Risiko von Neuralrohrdefekten verringern; dieser Endpunkt wurde jedoch nur in einer nicht-randomisierten Interventionsstudie berichtet. Die Anreicherung von Weizen- oder Maismehl mit Folsäure (d.h. allein oder mit anderen Mikronährstoffen) könnte die Folat-Konzentration in den Erythrozyten und im Serum/Plasma erhöhen. Evidenz zu den Auswirkungen von mit Folsäure angereichertem Weizen- oder Maismehl auf den Hämoglobinspiegel oder auf Anämie ist nur begrenzt vorhanden. Die Auswirkungen der Folsäureanreicherung von Weizen- oder Maismehl auf andere primäre Endpunkte, die in diesem Review untersucht wurden, ist nicht bekannt. Keine der Studien berichtete vom Auftreten unerwünschter Ereignisse. Die geringe Anzahl von Studien und Teilnehmenden, Einschränkungen hinsichtlich des Studiendesigns, sowie die, aufgrund der Art und Weise, wie eingeschlossene Studien konzipiert und berichtet wurden, geringen Vertrauenswürdigkeit der Evidenz sind als Limitationen dieses Reviews aufzuführen.

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Hintergrund: 

Folat ist als Teil der Vitamin B Gruppe für die DNA-Synthese, Methylierung und Zellteilung erforderlich. Weizen- und Maismehl sind Grundnahrungsmittel, die in weiten Teilen der Welt verzehrt werden und wurden bereits in über 80 Ländern mit Folsäure angereichert, um Neuralrohrdefekte zu verhindern. Die Anreicherung mit Folsäure könnte eine wirksame Strategie zur Verbesserung des Folatstatus und anderer gesundheitsbezogener Endpunkte in der Gesamtbevölkerung darstellen.

Zielsetzungen: 

Die Beurteilung des gesundheitlichen Nutzens und der Sicherheit der Folsäureanreicherung von Weizen- und Maismehl (d.h. allein oder in Kombination mit anderen Mikronährstoffen) hinsichtlich des Folatstatus und gesundheitsbezogener Endpunkte in der Gesamtbevölkerung, im Vergleich zu Weizen- oder Maismehl ohne Folsäure (oder keiner Vergleichsintervention).

Suchstrategie: 

Im März und Mai 2018 haben wir die folgenden Datenbanken durchsucht: Cochrane Central Register of Controlled Trials (CENTRAL), MEDLINE und MEDLINE In Process, Embase, CINAHL, Web of Science (SSCI, SCI), BIOSIS, Popline, Bibliomap, TRoPHI, ASSIA, IBECS, SCIELO, Global Index Medicus-AFRO und EMRO, LILACS, PAHO, WHOLIS, WPRO, IMSEAR, IndMED und Native Health Research Database. Im Juni 2018 durchsuchten wir die International Clinical Trials Registry Platform und ClinicalTrials.gov nach laufenden oder geplanten Studien und wandten uns für weitere Informationen an die Autoren.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) mit einer Randomisierung auf Einzel- oder Clusterebene ein. Wir haben auch nicht-randomisierte Interventionsstudien und prospektive Beobachtungsstudien mit einer Kontrollgruppe eingeschlossen; diese Studien wurden nicht in Meta-Analysen miteinbezogen, obgleich ihre Eigenschaften und Ergebnisse beschrieben wurden. Die Interventionen umfassten mit Folsäure (d.h. allein oder in Kombination mit anderen Mikronährstoffen) angereichertes Weizen-oder Maismehlverglichen mit nicht angereichertem Mehl (oder keiner Vergleichsintervention). Die Teilnehmenden waren Personen, welche älter als zwei Jahre alt waren (einschließlich schwangerer und stillender Frauen), ohne Einschränkung auf bestimmte Länder.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autoren beurteilten unabhängig voneinander die Eignung einer Studie, extrahierten Daten und beurteilten das Risiko für Bias.

Hauptergebnisse: 

Wir haben zehn Studien eingeschlossen: vier, bei denen Daten in quantitative Analysen einflossen (437 Teilnehmende); fünf, die randomisierte Studien waren (1182 Teilnehmende); drei Studien, die nicht-randomisierte Interventionsstudien waren (1181 Teilnehmende, 8037 Lebendgeburten); zwei Studien waren unterbrochene Zeitreihenanalysen (interrupted time series, ITS) (eine Studie, mit einer Studienpopulation von 2.242.438 Personen; bei einer Studie nicht berichtet). Sechs Studien wurden in Ländern mit hohem mittlerem Einkommensniveau (China, Mexiko, Südafrika), eine Studie in einem Land mit niedrigem mittlerem Einkommensniveau (Bangladesch) und drei Studien in einem Land mit hohem Einkommensniveau (Kanada) durchgeführt. In sieben Studien wurde mit Folsäure allein oder mit anderen Mikronährstoffen angereichertes Weizenmehl untersucht. Drei Studien schlossen mit Folsäure allein oder mit anderen Mikronährstoffen angereichertes Maismehl ein. Die Dauer der Interventionen reichte von zwei Wochen bis zu 36 Monaten. Die ITS-Studien umfassten dabei, bezüglich der Anreicherung, Nachbeobachtungszeiträume von bis zu sieben Jahren. Die meisten Studien hatten ein unklares Risiko für Bias bei Randomisierung, Verblindung und Berichterstattung sowie ein geringes/unklares Risiko für Bias bei Verzerrung durch Studienabbrechende und Kontamination.

Neuralrohrdefekte: keiner der eingeschlossenen RCTs berichtete über Neuralrohrdefekte als Endpunkt. In einer nicht-randomisierten Interventionsstudie war mit Folsäure und anderen Mikronährstoffen angereichertes Weizenmehl, verglichen mit unbehandeltem Mehl, mit einem signifikant geringerem Auftreten der Gesamtzahl von Neuralrohrdefekten, bei Spina bifida und Enzephalozele, jedoch nicht bei Anenzephalie, assoziiert worden (Gesamtzahl von Neuralrohrdefekten: Relatives Risiko (RR) 0,32, 95% Konfidenzintervall (KI) 0,21 bis 0,48; eine Studie, 8037 Geburten; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Folatstatus: Schwangere Frauen, die mit Folsäure angereicherten Maisbrei erhielten, hatten im Vergleich zu keiner Intervention, eine signifikant höhere Folat-Konzentration in den Erythrozyten (mittlere Differenz (MD) 238,90 nmol/L, 95% KI 149,40 bis 328,40; eine Studie, 38 Teilnehmende; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) und eine höhere Folat-Konzentration im Plasma (MD 14,98 nmol/L, 95% KI 9,63 bis 20,33; eine Studie, 38 Teilnehmende; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Verglichen mit Frauen, die nicht angereichertes Maismehl verzehrten, hatten Frauen im reproduktiven Alter, die mit Folsäure und anderen Mikronährstoffen angereichertes Maismehl konsumierten, keine höhere Folat-Konzentration in den Erythrozyten (MD -61,80 nmol/L, 95% KI -152,98 bis 29,38; eine Studie, 35 Teilnehmende; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) oder Folat-Konzentration im Plasma (MD 0,00 nmol/L, 95% KI -0,00 bis 0,00; eine Studie, 35 Teilnehmende; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Erwachsene, die Brötchen aus mit Folsäure angereichertem Weizenmehl konsumierten hatten, verglichen mit denen, die Brötchen aus nicht angereichertem Mehl zu sich nahmen, eine höhere Folat-Konzentration in den Erythrozyten (MD 0,66 nmol/L, 95% KI 0,13 bis 1,19; eine Studie, 30 Teilnehmende; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) und Folat-Konzentration im Plasma (MD 27,00 nmol/L, 95% KI 15,63 bis 38,37; eine Studie, 30 Teilnehmende; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). In zwei nicht-randomisierten Interventionsstudien war bei Frauen, die mit Folsäure und anderen Mikronährstoffen angereichertes Mehl konsumierten die Folat-Konzentration im Serum signifikant höher als bei Frauen, die nicht angereichertes Mehl konsumierten (MD 2,92 nmol/L, 95% KI 1,99 bis 3,85; zwei Studien, 657 Teilnehmende; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Hämoglobin oder Anämie: In einer cluster-randomisierten Studie bei Kindern zeigten sich keine signifikanten Auswirkungen auf die Hämoglobinkonzentration (MD 0,00 nmol/L, 95% KI -2.08 bis 2.08; eine Studie, 334 Teilnehmende; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) oder Anämie (RR 1.07, 95% KI 0.74 bis 1.55; eine Studie, 334 Teilnehmende; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz), im Vergleich von Fladenbrot aus angereichertem Weizenmehl mit Fladenbrot aus nicht angereichertem Weizenmehl.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

T. Heise, A. Borchard, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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