Antiepileptische Monotherapie (Behandlung mit einem einzigen Medikament) bei Epilepsie

Hintergrund

Epilepsie ist eine häufige neurologische Erkrankung, bei der es durch abnorme elektrische Entladungen im Gehirn zu wiederkehrenden Krampfanfällen kommt. Wir untersuchten zwei Arten von epileptischen Anfällen in diesem Review: fokale Anfälle, die in einem Bereich des Gehirns beginnen und generalisierte tonisch-klonische Anfälle, die in beiden Gehirnhälften gleichzeitig starten.

Bei rund 70% der Menschen mit epileptischen Anfällen ist es möglich, die Anfälle zu kontrollieren und bei den meisten Personen ist diese Kontrolle mit einem einzigen Antiepileptikum möglich. Momentan werden im Vereinigten Königreich, nach den Leitlinien des National Institute for Health and Care Excellence (NICE) für Erwachsene und Kinder Carbamazepin oder Lamotrigin als erste Behandlungsoptionen bei Personen mit neu diagnostizierten fokalen Anfällen empfohlen. Bei Personen mit neu diagnostizierten generalisierten tonisch-klonischen Anfällen wird Natriumvalproat empfohlen. Es steht jedoch eine Reihe anderer antiepileptischer Medikamente zur Verfügung.

Die Wahl des ersten antiepileptischen Medikaments für eine Person mit neu diagnostizierter Epilepsie ist von großer Bedeutung und sollte unter Berücksichtigung von qualitativ hochwertiger Evidenz geschehen, die beschreibt, wie wirksam die Medikamente für die Kontrolle der Anfälle sind und ob sie mit Nebenwirkungen verbunden sind. Es ist auch wichtig, dass Medikamente für verschiedene Anfallsformen miteinander verglichen werden.

Methoden

Die Antiepileptika, die für diesen Review von Interesse waren, waren Carbamazepin, Phenytoin, Natriumvalproat, Phenobarbital, Oxcarbazepin, Lamotrigin, Gabapentin, Topiramat, Levetiracetam, Zonisamid, Eslicarbazepinacetat und Lacosamid. In diesem Review untersuchten wir die Evidenz von 89 randomisierten kontrollierten klinischen Studien, die zwei oder mehr Medikamente hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bei der Anfallskontrolle (d.h. ob Patienten erneute Anfälle oder über längere Zeit keine Anfälle hatten (Remission)) und der Verträglichkeit ihrer Nebenwirkungen verglichen. Wir konnten die Daten von 14.789 Patienten aus 39 der 89 Studien zusammenführen. Die übrigen Daten von 7.251 Patienten aus den anderen 50 Studien waren für diesen Review nicht verfügbar. Es lagen keine Daten von Personen vor, die Eslicarbazepinacetat erhalten hatten.

Wir führten zwei Arten von Analysen in diesem Review durch. Zum einen kombinierten wir verfügbare Daten, wenn zwei Medikamente direkt in klinischen Studien verglichen wurden. Zum anderen führten wir eine Analyse durch, um alle Informationen aus den klinischen Studien über ein "Netzwerk" von 11 Medikamenten zusammenzuführen. Diese Analyse erlaubte uns, Medikamente im Netzwerk zu vergleichen, die nicht zuvor miteinander in klinischen Studien verglichen worden waren.

Hauptergebnisse

Unsere "Netzwerk"-Analyse zeigte, dass die ältesten Medikamente (Phenobarbital und Phenytoin) bessere Optionen in Bezug auf die Anfallskontrolle als die anderen Medikamente darstellten. Es zeigte sich allerdings auch, dass diese älteren Medikamente im Vergleich zu den neueren wie Lamotrigin und Levetiracetam die schlechteste Langzeitwirkung (Abbruch der Behandlung) haben. Natriumvalproat war von allen Medikamenten die beste Option, um die generalisierten tonisch-klonischen Anfälle zu kontrollieren und zu remittieren.

Die häufigsten berichteten Nebenwirkungen aller Medikamente waren Benommenheit oder Müdigkeit, Kopfschmerzen oder Migräne, Magen-Darm-Störungen (Magenverstimmung), Schwindel oder Ohnmacht und Hautausschlag oder Hauterkrankungen.

Qualität der Evidenz

Dieser Review bietet qualitativ hochwertige Evidenz für Personen mit fokalen Anfällen und Evidenz von moderater bis hoher Qualität für Personen mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen, da für Personen mit dieser Anfallsform weniger Informationen für einige Medikamente von Interesse vorlagen.

Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse dieses Reviews unterstützen die NICE-Leitlinien, dass Carbamazepin und Lamotrigin geeignete Optionen für die Erstbehandlung von Personen mit fokalen Anfällen darstellen und zeigen außerdem, dass Levetiracetam auch eine geeignete erste Behandlungsoption wäre. Die Ergebnisse dieses Reviews unterstützen auch die Verwendung von Natriumvalproat als erste Behandlungsoption für Menschen mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen und zeigen außerdem, dass Lamotrigin und Levetiracetam geeignete Alternativen wären - vor allem für Schwangere oder Frauen mit Kinderwunsch, für die Natriumvalproat möglicherweise keine geeignete Behandlungsmöglichkeit darstellt.

Wie aktuell ist dieser Review?

Die Evidenz ist auf dem Stand von April 2021.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

J. Distel, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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