Kognitive Verhaltenstherapie in der Gruppe bei Schizophrenie

Fragestellung des Reviews

Ist eine auf Psychosen ausgerichtete kognitive Verhaltenstherapie (Gesprächstherapie) in der Gruppe (KVTp) für Menschen mit Schizophrenie wirksamer als die Standardversorgung (die Behandlung, die eine Person normalerweise erhalten würde) oder andere Formen der Gesprächstherapie (z. B. Beratung, unterstützende Therapie; entweder in der Gruppe oder einzeln)?

Was ist Schizophrenie?

Schizophrenie ist eine schwere psychische Erkrankung, die das Leben stark einschränken kann. Schizophrenie ist gekennzeichnet durch Wahnvorstellungen (seltsame Überzeugungen), Halluzinationen (Dinge sehen oder hören, die nicht vorhanden sind), Negativsymptomen (sozialer Rückzug, Apathie) und desorganisiertes Verhalten. Zur Behandlung werden meist sogenannte Antipsychotika eingesetzt. Vor allem die Negativsymptome sind aber durch Medikamente oft schlecht zu beeinflussen. Die KVTp wird als sinnvolle Zusatzbehandlung zur medikamentösen Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen empfohlen. Die Evidenz für ihre Wirksamkeit bei Menschen mit Schizophrenie ist jedoch unklar. Die KVTp wird normalerweise als Einzeltherapie eingesetzt, kann aber auch in einer Gruppe durchgeführt werden. Dies kann kostengünstiger sein. Deshalb ist es wichtig zu wissen, ob die Gruppen-KVTp für Menschen mit Schizophrenie wirksam und passend ist.

Wie gingen wir vor?

Der bzw. die Informationsspezialist*in von Cochrane Schizophrenia führte eine elektronische Suche bis einschließlich 10. Februar 2021 nach klinischen Studien durch, in denen Menschen mit Schizophrenie randomisiert entweder eine Gruppen-KVTp oder die Standardversorgung oder andere psychosoziale Therapien (entweder Gruppen- oder Einzeltherapie) erhielten.

Was fanden wir?

Wir fanden 24 Studien mit 1900 Teilnehmenden, die den Anforderungen des Reviews entsprachen und verwendbare Daten lieferten. In allen Studien wurde KVTp in der Gruppe mit der Standardversorgung verglichen. Unsere Evidenz deutet darauf hin, dass es keinen wesentlichen Unterschied hinsichtlich der Anzahl der Studienabbrecher*innen zwischen der KVTp in der Gruppe und der Standardversorgung oder anderen psychosozialen Interventionen gibt. Die KVTp in der Gruppe ist möglicherweise besser als die Standardversorgung oder andere psychosoziale Interventionen, wenn es um den mentalen Gesamtzustand für alle Symptome der Schizophrenie geht. Die KVTp in der Gruppe scheint keinen Unterschied bei den Positiv- und Negativsymptomen der Schizophrenie im Vergleich zur Standardversorgung oder anderen psychosozialen Interventionen zu bewirken. Die KVTp in der Gruppe scheint hinsichtlich globaler Funktionsfähigkeit besser zu sein als die Standardversorgung oder andere psychosoziale Interventionen. Es gab zwischen den Behandlungsgruppen keine realen Unterschiede in Bezug auf die Anzahl der Teilnehmenden, die in ein Krankenhaus eingeliefert wurden.

Schlussfolgerungen

Die KVTp in der Gruppe scheint hinsichtlich aller Symptome der Schizophrenie und der globalen Funktionsfähigkeit besser zu sein als die Standardversorgung oder andere psychosoziale Interventionen.

Was schränkt die Evidenz ein?

Es sollten Studien mit größeren Stichproben und geringem Risiko für Bias durchgeführt werden. Längerfristige Ergebnisse müssen untersucht werden, um festzustellen, ob es sich um eine vorübergehende oder eine dauerhafte Wirkung handelt. Die Berichtsqualität der Studien sollte verbessert werden.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Die KVTp in der Gruppe scheint für Menschen mit Schizophrenie nicht besser oder schlechter zu sein als die Standardbehandlung oder andere psychosoziale Interventionen hinsichtlich frühzeitigem Studienabbruch, Inanspruchnahme von Leistungen und allgemeiner Lebensqualität. Die KVTp in der Gruppe scheint wirksamer zu sein als die Standardversorgung oder andere psychosoziale Interventionen, wenn man den psychischen Gesamtzustand und die globale Funktionsfähigkeit betrachtet. Diese Ergebnisse sind möglicherweise nicht allgemein übertragbar, da jede Studie eine kleine Stichprobengröße hatte. Daher können derzeit keine eindeutigen Schlussfolgerungen über die Wirksamkeit von KVTp in Gruppen für Menschen mit Schizophrenie gezogen werden. Es werden weitere qualitativ hochwertige Studien benötigt, die verwertbare und relevante Daten liefern.

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Hintergrund: 

Schizophrenie ist eine beeinträchtigende psychische Erkrankung, die durch Positivsymptome wie Wahnvorstellungen, Halluzinationen, desorganisiertes Sprechen und Verhalten sowie Negativsymptome wie Affektverflachung und fehlende Motivation gekennzeichnet ist. Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist eine psychologische Intervention, welche die Art und Weise ändern soll, wie eine Person ihre Erfahrungen interpretiert und bewertet. Sie soll dabei helfen, Gefühle und Denkmuster zu identifizieren und miteinander zu verknüpfen, die der Krankheit zugrunde liegen. KVT-Modelle, welche die Symptome einer Psychose (KVTp) angehen, wurden für viele psychische Erkrankungen einschließlich Schizophrenie entwickelt. KVTp wird als nützliche Zusatztherapie zur medikamentösen Behandlung von Menschen mit Schizophrenie empfohlen. KVT für Menschen mit Schizophrenie wurde hauptsächlich als Individualbehandlung entwickelt. Sie ist jedoch teuer und ein Gruppenansatz könnte kosteneffizienter sein. KVTp in der Gruppe ist eine Gruppenintervention zur Behandlung psychotischer Symptome, die auf dem kognitiven Verhaltensmodell basiert. Bei der KVTp in der Gruppe arbeiten Betroffene gemeinsam daran, mit beunruhigenden Halluzinationen umzugehen, ihre Wahnvorstellungen zu analysieren sowie Problemlösungsstrategien und soziale Fähigkeiten zu entwickeln. Die Evidenz für die Wirksamkeit ist jedoch alles andere als eindeutig.

Zielsetzungen: 

Untersuchung der Wirkung und Akzeptanz von KVT in der Gruppenbehandlung bei Psychosen im Vergleich zur Standardbehandlung oder anderen psychosozialen Interventionen für Menschen mit Schizophrenie oder schizoaffektiver Störung.

Suchstrategie: 

Am 10. Februar 2021 durchsuchten wir das Study-Based Register of Trials der Cochrane Schizophrenia Group, das auf CENTRAL, MEDLINE, Embase, vier weiteren Datenbanken und zwei Studienregistern basiert. Wir durchsuchten die Referenzlisten relevanter Publikationen und früherer systematischer Reviews manuell und baten Experten auf diesem Gebiet um zusätzliche Daten.

Auswahlkriterien: 

Wir wählten randomisierte kontrollierte Studien aus, in denen Erwachsene mit Schizophrenie entweder eine KVT in der Gruppe zur Behandlung von Schizophrenie im Vergleich zur Standardbehandlung oder eine andere psychosoziale Intervention (Gruppen- oder Einzeltherapie) erhielten.

Datensammlung und ‐analyse: 

Wir folgten den von Cochrane empfohlenen Standards für die Sichtung und Erhebung der Daten. Wir berechneten das Risikoverhältnis (RR) und das 95 %-Konfidenzintervall (KI) für binäre Daten und die Mittelwertdifferenz (MD) und das 95%-KI für kontinuierliche Daten. Für die Analysen verwendeten wir ein Random-Effects-Modell. Wir beurteilten das Risiko für Bias für die berücksichtigten Studien und erstellten mithilfe des GRADE-Ansatzes eine Tabelle mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse.

Hauptergebnisse: 

Dieser Review schließt 24 Studien mit 1900 Teilnehmenden ein. In allen Studien wurde KVTp in der Gruppe mit Behandlungen verglichen, die Menschen mit Schizophrenie normalerweise bei einem sozialpsychiatrischen Dienst (Standardversorgung) oder einer anderen psychosozialen Intervention (Gruppen- oder Einzeltherapie) erhalten würden. Keine der Studien verglich Gruppen-KVTp mit KVTp als Einzeltherapie. Insgesamt war das Risiko für Bias innerhalb der Studien moderat bis niedrig.

Wir haben keine Studien gefunden, in der Daten für unseren primären Endpunkt (klinisch bedeutende Veränderungen) berichtet wurden. Hinsichtlich der Anzahl der Teilnehmenden, die die Studie vorzeitig abbrachen, hat die Gruppen-KVTp im Vergleich zur Standardbehandlung oder zu anderen psychosozialen Interventionen nur eine geringe oder gar keine Wirkung (RR 1,22, 95 %-KI 0,94 bis 1,59; 13 Studien, 1267 Teilnehmende; I 2 = 9 %; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Die KVTp-Gruppenbehandlung könnte im Hinblick auf den psychischen Gesamtzustand am Ende der Behandlung einen gewissen Vorteil gegenüber der Standardbehandlung oder anderen psychosozialen Interventionen aufweisen, was die Endpunktwerte auf der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) insgesamt betrifft (MD -3,73, 95 %-KI -4,63 bis -2,83; 12 Studien, 1036 Teilnehmende; I 2 = 5 %; Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit). Die KVTp in der Gruppe scheint nur geringe oder gar keine Wirkung auf die Positivsymptome (MD -0,45, 95 %-KI -1,30 bis 0,40; 8 Studien, 539 Teilnehmende; I 2 = 0 %) und die Negativsymptome auf der PANSS-Skala am Ende der Behandlung (MD -0,73, 95 %-KI -1,68 bis 0,21; 9 Studien, 768 Teilnehmende; I 2 = 65 %) zu haben. Die KVTp in der Gruppe scheint einen Vorteil gegenüber der Standardbehandlung oder anderen psychosozialen Interventionen in Bezug auf die globale Funktionsfähigkeit zu haben, die anhand der Global Assessment of Functioning (GAF; MD -3,61, 95 %-KI -6,37 bis -0.84; 5 Studien, 254 Teilnehmende; I 2 = 0 %; moderate Vertrauenswürdigkeit), Personal and Social Performance Scale (PSP; MD 3,30, 95 %-KI 2,00 bis 4,60; eine Studie, 100 Teilnehmende) und Social Disability Screening Schedule (SDSS; MD -1,27, 95 %-KI -2,46 bis -0,08; eine Studie, 116 Teilnehmende) gemessen wurde. Die Daten zur Inanspruchnahme von Leistungen waren nicht eindeutig, wobei es keine realen Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen hinsichtlich der Anzahl der Teilnehmenden gab, die ins Krankenhaus eingewiesen wurden (RR 0,78, 95 %-KI 0,38 bis 1,60, 3 Studien, 235 Teilnehmende, I 2 =34 %). Es gab keinen eindeutigen Unterschied zwischen der KVTp in der Gruppe und der Standardversorgung oder anderen psychosozialen Interventionen bei den Endpunkten für Depression und Lebensqualität mit Ausnahme der Lebensqualität, die anhand der Subskala für den psychologischen Bereich durch das World Health Organization Quality of Life Assessment Instrument (WHOQOL-BREF) gemessen wurde (MD -4,64; 95-KI -0,94 bis -0,24, zwei Studien, 132 Teilnehmende, I 2 = 77 %). In den Studien wurde nicht über Rückfälle oder unerwünschte Wirkungen berichtet.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

Universität Heidelberg, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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