Wird durch die Verabreichung von Synbiotika bei sehr Frühgeborenen oder Säuglingen mit sehr geringem Geburtsgewicht einer nekrotisierenden Enterokolitis vorgebeugt?

Hintergrund

Bei sehr früh geborenen Säuglingen (mehr als acht Wochen zu früh) und Säuglingen mit sehr geringem Geburtsgewicht (weniger als 1,5 kg) besteht das Risiko einer nekrotisierenden Enterokolitis. Dabei handelt es sich um eine schwere Darmerkrankung, bei der sich ein Teil der Darmschleimhaut entzündet und die Zellen des betroffenen Gewebes absterben. Diese Erkrankung wird mit schweren Infektionen, langfristigen Behinderungen, Entwicklungsproblemen und sogar dem Tod in Verbindung gebracht.

Was wollten wir herausfinden?

Eine Möglichkeit zur Vorbeugung einer nekrotisierenden Enterokolitis könnte die Verabreichung von Synbiotika (Kombinationen aus probiotischen Bakterien oder Hefen und zusätzlich unverdaulichen Zuckern zur Unterstützung des Probiotikawachstums und der Probiotikabesiedlung) in Milchnahrung sein. Wir wollten herausfinden, ob Synbiotika für sehr Frühgeborene und Säuglinge mit sehr geringem Geburtsgewicht von Nutzen sein können. Zu den für uns interessanten Endpunkten gehörten nekrotisierende Enterokolitis, Gesamtsterblichkeit, schwere Infektionen, Dauer des Krankenhausaufenthalts seit der Geburt und Endpunkte bezüglich der neurologischen Entwicklung.

Wie sind wir vorgegangen?

Für diesen Cochrane-Review wurden mehrere wichtige Datenbanken durchsucht, um randomisierte kontrollierte Studien zu identifizieren, die den Einsatz von Synbiotika zur Vorbeugung einer nekrotisierenden Enterokolitis bei sehr Frühgeborenen und Säuglingen mit sehr geringem Geburtsgewicht untersucht haben. Für die Erstellung unseres Reviews und der Analysen wurden Standardmethoden von Cochrane verwendet. Die Bewertung der Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für jeden einzelnen Endpunkt haben wir mithilfe des GRADE-Ansatzes vorgenommen.

Was haben wir herausgefunden?

Wir fanden 6 Studien mit insgesamt 925 teilnehmenden Säuglingen. Die Studien waren größtenteils klein und die meisten wiesen Fehler bei der Studiendurchführung auf, was die jeweiligen Ergebnisse verzerrt haben könnte.

Hauptergebnisse

Zusammenfassende statistische Analysen zeigen, dass die Verabreichung von Synbiotika bei sehr Frühgeborenen oder Säuglingen mit sehr geringem Geburtsgewicht das Risiko einer nekrotisierenden Enterokolitis und die Sterblichkeit verringern könnte. Das Risiko einer schweren Infektion kann durch Synbiotika nur in geringem Umfang oder gar nicht reduziert werden, jedoch ist die Evidenz hierzu sehr unsicher. In keiner der von uns identifizierten Studien wurde die Wirkung von Synbiotika auf Behinderungen oder die Entwicklung untersucht.

Welche Einschränkungen der Evidenz sind zu beachten?

Obwohl die Evidenz aus randomisierten kontrollierten Studien von hoher Vertrauenswürdigkeit sein kann, ist es möglich, dass die Methoden der in unserem Review einbezogenen Studien zu verschiedenen Verzerrungen geführt haben. Dadurch kann die Verabreichung von Synbiotika an sehr Frühgeborene und Säuglinge mit sehr geringem Geburtsgewicht als nützlicher erscheinen als das tatsächlich der Fall ist. Da die meisten Studien klein waren, waren auch die Effektschätzer für einige Ergebnisse ungenau. Aus diesen Gründen haben wir die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz herabgestuft. In unserem Review ist jegliche Evidenz von niedriger oder sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit.

Es gibt Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit, dass Synbiotika einer nekrotisierenden Enterokolitis vorbeugen und die Sterblichkeit verringern. Es gibt Evidenz von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit, dass Synbiotika nur eine geringe oder gar keine Wirkung zur Vorbeugung schwerer Infektionen haben.

Wie aktuell ist die Evidenz?

Wir führten die Datenbankrecherchen am 17. Juni 2021 durch.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Die verfügbaren Studiendaten liefern bezüglich der Auswirkungen von Synbiotika auf das Risiko einer NEK sowie die damit verbundene Morbidität und Mortalität bei sehr Frühgeborenen oder bei VLBW-Säuglingen nur eine Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit. Das Vertrauen der Review-Autoren in die Effektschätzer ist begrenzt. Die tatsächlichen Auswirkungen können sich von diesen Schätzungen erheblich unterscheiden. Um eine Evidenz von ausreichender Validität und Anwendbarkeit auf Richtlinien und im praktischen Alltag zu liefern, wären groß angelegte, qualitativ hochwertige Studien erforderlich.

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Hintergrund: 

Bei sehr Frühgeborenen oder Säuglingen mit sehr geringem Geburtsgewicht (very low birth weight, VLBW) kann eine intestinale Dysbiose zur Pathogenese einer nekrotisierenden Enterokolitis (NEK) beitragen. Um das Risiko einer NEK sowie die damit verbundenen Mortalität und Morbidität zu mindern, können Nahrungsergänzungsmittel mit Synbiotika (probiotischen Mikroorganismen in Kombination mit präbiotischen Oligosacchariden) zur Regulierung des Mikrobioms eingesetzt werden.

Zielsetzungen: 

Ziel dieses Reviews ist es, die Wirkung einer enteralen Supplementierung mit Synbiotika (verglichen mit Placebo oder keiner Behandlung oder verglichen mit Probiotika oder Präbiotika allein) zur Prävention einer NEK sowie der damit verbundenen Morbidität und Mortalität bei sehr Frühgeborenen oder VLBW-Säuglingen zu untersuchen.

Suchstrategie: 

Für diesen Review wurde das Cochrane Central Register of Controlled Trials, MEDLINE, Embase, die Datenbank Maternity and Infant Care (MIC) und CINAHL durchsucht. Die Rechercheergebnisse reichten dabei von den jeweils ältesten Datensätzen bis zum 17. Juni 2021. Darüber hinaus wurden Datenbanken zu klinischen Studien und Tagungsberichte durchsucht sowie die Referenzlisten gefundener Artikel überprüft.

Auswahlkriterien: 

Es wurden randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) und Quasi-RCTs eingeschlossen, in denen die prophylaktische Supplementierung mit Synbiotika mit Placebo oder keinen Synbiotika bei sehr Frühgeborenen (Gestationsalter < 32. Schwangerschaftswoche) oder VLBW-Säuglingen (Geburtsgewicht < 1500 g) verglichen wurde.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autoren führten unabhängig voneinander das Screening und die Studienauswahl durch, bewerteten das Risiko für Bias der Studien, extrahierten Daten und fassten die Effektschätzer mithilfe des relativen Risikos (RR), der Risikodifferenz (RD) und der Mittelwertdifferenz mit den damit verbundenen 95 % Konfidenzintervallen (KIs) zusammen. Für die Bewertung der Vertrauenswürdigkeit der Wirkungen auf eine NEK, die Gesamtmortalität, spät einsetzende invasive Infektionen und eine Beeinträchtigung der neurologischen Entwicklung wurde der GRADE-Ansatz verwendet.

Hauptergebnisse: 

Es wurden 6 Studien eingeschlossen, in denen insgesamt 925 Säuglinge untersucht wurden. Die meisten Studien waren klein (mediane Stichprobengröße von 200). In 4 Studien waren Unklarheiten darüber, ob die Gruppenzuteilung verdeckt erfolgte und ob die Pflegepersonen und Prüfer verblindet waren, potenzielle Ursachen für Bias. Die untersuchten Synbiotika-Präparate enthielten Laktobazillen oder Bifidobakterien (oder beide) in Kombination mit Fructo- oder Galactooligosacchariden (oder beiden).

Metaanalysen deuten darauf hin, dass Synbiotika das Risiko einer NEK (RR 0,18, 95 % KI 0,09 bis 0,40; RD 70 weniger pro 1000, 95 % KI 100 weniger bis 40 weniger; Anzahl der für einen zusätzlichen Nutzen notwendigen Behandlungen (NNTB) 14, 95 % KI 10 bis 25; 6 Studien (907 Säuglinge); Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit) und die Gesamtmortalität vor der Krankenhausentlassung (RR 0,53, 95 % KI 0,33 bis 0,85; RD 50 weniger pro 1000, 95 % KI 120 weniger bis 100 weniger; NNTB 20, 95 % KI 8 bis 100; 6 Studien (925 Säuglinge); Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit) verringern können. Synbiotika scheinen nur eine geringe oder keine Wirkung auf spät einsetzende invasive Infektionen zu haben, jedoch hat die Evidenz eine sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit (RR 0,84, 95 % KI 0,58 bis 1,21; RD 20 weniger pro 1000, 95 % KI 70 weniger bis 30 mehr; 5 Studien (707 Säuglinge); Evidenz von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit). In keiner der Studien wurde die neurologische Entwicklung als Endpunkt untersucht. Da das Ausmaß der Heterogenität in diesen Studien gering war, wurde keine Subgruppenanalyse (einschließlich der Art der Nahrung) durchgeführt.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

Universität Heidelberg, B. Schindler, freigegeben von Cochrane Deutschland

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