Auswirkungen einer glutenreduzierten oder glutenfreien Ernährungsweise auf die Primärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Hintergrund

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind Erkrankungen des Herzens und der Blutgefäße, einschließlich akuter koronarer und zerebrovaskulärer Ereignisse (z. B. Herzinfarkt und Schlaganfall). Etwa 50 % der verlorenen gesunden Lebensjahre infolge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind auf eine suboptimale Ernährung zurückzuführen. Insbesondere Gluten (ein Eiweiß, das in bestimmten Getreidesorten vorkommt) wird häufig mit gesundheitlichen Auswirkungen in Verbindung gebracht. So treten beispielsweise bei Menschen mit glutenbedingten Erkrankungen häufig verschiedene gastrointestinale Symptome (wie ungenügende Nahrungsaufnahme oder Durchfall) auf, und die einzige wirksame Behandlung für diese Bevölkerungsgruppen ist häufig eine lebenslange glutenreduzierte oder glutenfreie Ernährung. Auch die Allgemeinbevölkerung ernährt sich immer häufiger glutenreduziert oder glutenfrei. Der gesundheitliche Nutzen und Schaden einer glutenreduzierten oder glutenfreien Ernährung in der Allgemeinbevölkerung wird jedoch widersprüchlich diskutiert: Auf der einen Seite könnte der Verzicht auf Gluten bestimmten Krankheiten vorbeugen, auf der anderen Seite liegen Bedenken vor, dass eine glutenfreie oder glutenreduzierte Ernährung zu einem Mangel führen könnte. Vor allem, wenn weniger Vollkornprodukte verzehrt werden, welche einen wichtigen Bestandteil der Ernährung darstellen).

Fragestellung des Reviews

Wir werteten die verfügbaren Studien aus, um die Auswirkungen (d. h. den gesundheitlichen Nutzen und die Risiken) einer glutenreduzierten oder glutenfreien Ernährung für die Primärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Allgemeinbevölkerung zu ermitteln.

Studienmerkmale

Die Evidenz ist auf dem Stand von Juni 2021. Wir identifizierten eine randomisierte kontrollierte Studie (RCT) und drei nicht-randomisierte Studien (Beobachtungsstudien). Die RCT wurde in Italien durchgeführt und umfasste 60 gesunde Erwachsene mit einer Nachbeobachtungszeit von sechs Monaten. Die nicht-randomisierten Studien umfassten mehr als 450.000 Teilnehmende (entweder Gesundheitsfachpersonen aus den USA oder Erwachsene (Freiwillige) aus der Allgemeinbevölkerung im Vereinigten Königreich). Die maximale Nachbeobachtungszeit dieser Beobachtungsstudien lag bei mehr als 25 Jahren. Der niedrigste Wert (Median) der Glutenaufnahme lag bei 2,6 g/Tag und der höchste Wert bei 9,4 g/Tag (dabei entspricht 1 g/Tag Glutenaufnahme einer halben Scheibe Weißbrot). In der RCT wurde eine glutenfreie mit einer herkömmlichen Ernährungsweise verglichen.

Hauptergebnisse

Insgesamt zeigten unsere Ergebnisse, dass es momentan unklar ist, ob der Glutenkonsum mit der Gesamtsterblichkeit zusammenhängt. Außerdem deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass es keinen Zusammenhang zwischen einem erhöhten Glutenkonsum und der kardiovaskulären Sterblichkeit sowie dem (nicht tödlichen) Herzinfarkt gibt. Ein geringerer im Vergleich zu einem höheren Glutenkonsum könnte jedoch mit einem leicht erhöhten Risiko für die Entwicklung von Typ-2-Diabetes — ein bedeutender kardiovaskulärer Risikofaktor — verbunden sein. Diese Ergebnisse waren unabhängig von Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Body-Mass-Index (BMI), Diabetes in der Familienanamnese, Raucherstatus, Alkoholkonsum, körperlicher Aktivität, Menopausenstatus und postmenopausaler Hormoneinnahme, oraler Empfängnisverhütung, Multivitamineinnahme, Gesamtenergiezufuhr und der Einnahme von Magnesium, Folsäure und Ballaststoffen.

Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse der einzigen bisher veröffentlichten RCT, dass es unklar ist, ob der Glutenkonsum den systolischen Blutdruck beeinflusst. Auch wurden in dieser RCT keine Unterschiede zwischen einer glutenfreien und einer herkömmlichen Ernährungsweise in Bezug auf andere kardiovaskuläre Risikofaktoren wie diastolischer Blutdruck, LDL-Cholesterin und BMI festgestellt.

In keiner Studie wurden Daten zu unerwünschten Ereignissen, zur Lebensqualität oder zu anderen gesundheitsrelevanten Ergebnissen erhoben.

Vertrauenswürdigkeit der Evidenz

Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz in den Studien war niedrig bis sehr niedrig. Neben beträchtlichen methodischen Mängeln der Studien, ist auch die Übertragbarkeit auf die Allgemeinbevölkerung fraglich. Vor allem deshalb, weil es sich bei den Teilnehmenden der nicht-randomisierten Studien teilweise um Gesundheitsfachpersonen handelte. In Anbetracht der eingeschränkten Ergebnisse dieser überwiegend auf Beobachtungsstudien basierenden systematischen Übersichtsarbeit können keine Empfehlungen für die Praxis gegeben werden.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

J. Distel, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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