Welchen Nutzen und welche Risiken haben psychologische Therapien für Erwachsene und Jugendliche im Alter von über 12 Jahren mit schmerzhaften Beschwerden im Bereich der Kiefergelenke und Kaumuskulatur (craniomandibulärer Dysfunktion, kurz CMD)?

Kernaussagen

Die Ergebnisse sind insgesamt uneinheitlich, deuten aber darauf hin, dass psychologische Therapien möglicherweise ein nützlicher Ansatz bei CMD sind, da es begrenzte Evidenz dafür gibt, dass sie die Schmerzen verringern können. Die Ergebnisse unseres Reviews deuten darauf hin, dass sie dies möglicherweise mindestens genau so gut können wie andere verfügbare Behandlungen. Mögliche negative Wirkungen von psychologischen Therapien sind unklar. Weitere wissenschaftliche Studien sind erforderlich, bevor klar ist, ob sie einen wahrnehmbaren Nutzen bieten und keine oder nur wenige Probleme verursachen.

Um welches Beschwerdebild geht es?

Der Begriff „craniomandibuläre Dysfunktion (CMD)“ ist ein Sammelbegriff für verschiedene Beschwerdebilder, die das Kiefergelenk und die Muskeln, die es bewegen, betreffen. Diese Beschwerden beinhalten häufig Schmerzen, die länger als 3 Monate anhalten (und damit als chronische Schmerzen bezeichnet werden). Weitere Symptome sind eine eingeschränkte Mundöffnung sowie Kieferknacken und -sperren. Alle Symptome können die Lebensqualität und die emotionale Verfassung beeinträchtigen.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten herausfinden, wie wirksam psychologische Therapien für Erwachsene und Jugendliche im Alter ab 12 Jahren sind, die seit mindestens drei Monaten an einer schmerzhaften CMD leiden.

Wie gingen wir vor?

Wir durchsuchten Datenbanken mit medizinischen und zahnmedizinischen Fachzeitschriften und Studien. Wir berücksichtigten nur Studien, die als "randomisierte kontrollierte Studien (RCTs)" bezeichnet werden. Bei dieser Art von Studie werden die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip in Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe erhält die Intervention, die andere eine andere Behandlung oder gar keine Behandlung. RCTs zielen darauf ab, das Risiko für Bias in klinischen Studien zu verringern.

Wir suchten nach RCTs zu psychologischen Therapien im Vergleich zu anderen Behandlungen oder keiner Behandlung bei Erwachsenen und Jugendlichen im Alter von über 12 Jahren. In den meisten gefundenen Studien wurde eine psychologische Therapie mit einer medikamentösen Behandlung oder der Verwendung einer speziellen Aufbissschiene verglichen.

Wir konzentrierten uns auf drei Erfolgskriterien: Verringerung der Schmerzintensität, Beeinträchtigung von Aktivitäten durch Schmerzen ('Schmerzbehinderung') und psychische Beeinträchtigung (Distress). Wir suchten nach näheren Informationen zu diesen Kriterien zum Zeitpunkt unmittelbar nach der Behandlung sowie einige Monate später. Wir suchten zudem nach Informationen zu "unerwünschten Wirkungen" (negativen Nebenwirkungen der Behandlungen).

Wir verwendeten Standard-Cochrane-Methoden, um zu entscheiden, welche Studien wir in den Review einschlossen, um die wichtigsten Informationen aus den Studien zusammenzutragen, um zu beurteilen, ob die Studien von einem Risiko für Bias betroffen waren, und um zu beurteilen, welches Vertrauen wir in die Ergebnisse haben können.

Was fanden wir?

Wir fanden 22 relevante Studien. Die meisten Studien berichteten über eine bestimmte Form der psychologischen Therapie, die kognitive Verhaltenstherapie. Es waren nicht genügend Informationen verfügbar, um Schlussfolgerungen zu anderen psychologische Therapien zu ziehen.

Die Ergebnisse zeigten, dass sich eine kognitive Verhaltenstherapie hinsichtlich der Verringerung der Schmerzintensität am Ende der Behandlung nicht von anderen Behandlungen (Mundschienen, Medikamenten) oder der üblichen Versorgung/keiner Behandlung unterschied. Es gab Hinweise darauf, dass die Teilnehmenden, die eine kognitive Verhaltenstherapie erhielten, einige Monate nach der Behandlung möglicherweise etwas weniger Schmerzen haben.

Es gab auch einige Hinweise darauf, dass eine kognitive Verhaltenstherapie sowohl am Ende der Behandlung als auch einige Monate später psychische Beeinträchtigung möglicherweise etwas besser verringern kann als andere Behandlungen. Dieses Ergebnis wurde in der einen Studie, in der eine kognitive Verhaltenstherapie mit der üblichen Versorgung verglichen wurde, nicht beobachtet.

Bei „Beeinträchtigung von Aktivitäten durch Schmerzen“ gab es keine Evidenz für einen Unterschied zwischen einer kognitiven Verhaltenstherapie und anderen Behandlungen.

Es waren zu wenige Informationen dazu verfügbar, ob psychologische Behandlungen unerwünschte Wirkungen verursachen (behandlungsbedingte Probleme wie Unwohlsein, stärkere Schmerzen oder unerwartete Wirkungen). Nur in sechs der 22 Studien wurde ermittelt, welche unerwünschten Wirkungen bei den Teilnehmenden auftraten. In diesen sechs Studien schienen die mit der psychologischen Behandlung verbundenen unerwünschten Wirkungen im Allgemeinen geringfügig zu sein und seltener aufzutreten als in anderen Behandlungsgruppen.

Was schränkt die Evidenz ein?

Wir haben wenig Vertrauen in die Evidenz, da viele der Studien methodische Schwächen aufwiesen. Zudem unterschieden sich die Studien in der Dauer der Behandlungen und der Art und Weise, wie diese durchgeführt wurden. Dies bedeutet, dass die dargestellten Ergebnisse mit Zurückhaltung interpretiert werden sollten und möglicherweise nicht zuverlässig sind.

Wie aktuell ist die Evidenz?

Wir suchten nach Studien, die bis zum 21. März 2021 veröffentlicht worden waren.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

C. Braun, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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