Profitieren Menschen mit Typ-1-Diabetes mellitus von der Verwendung eines anderen Insulintyps als Basalinsulin?

Hintergrund

Diabetes ist eine Erkrankung, die bei den Betroffenen dazu führt, dass der Blutzuckerspiegel (Blutglukose) dauerhaft zu hoch ist. Insulin ist ein Hormon, das von der Bauchspeicheldrüse (einem kleinen Organ hinter dem Magen) freigesetzt wird und den Blutzuckerspiegel steuert. Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes mellitus (T1DM) produziert die Bauchspeicheldrüse kein Insulin, so dass die Person Insulin spritzen muss, um den Blutzuckerspiegel zu kontrollieren und gesund zu bleiben. Das Ziel der Insulintherapie ist die Bereitstellung von Insulin, das die physiologische Insulinproduktion nachahmt. Insulin wird durch eine Injektion unter die Haut (subkutan) mit Hilfe von Insulinspritzen, Insulin-Pens oder Insulin-Pumpen verabreicht. Um den Blutzuckerspiegel in Nüchternphasen zu kontrollieren, wird Basalinsulin benötigt. Basalinsulin kann in Form von ein- bis zweimal täglich erfolgenden Injektionen eines intermediär wirksamen Insulins (Verzögerungsinsulin) oder eines ultra-langwirksamen Insulins verabreicht werden. Basalinsulin kann in Form von Neutral-Protamin-Hagedorn (NPH)-Verzögerungsinsulin oder eines ultra-langwirksamen Insulinanalogons (synthetisches Insulin) verabreicht werden. Bolusinsulin wird als schnell wirksames Insulin direkt zur Mahlzeit (prandiales Insulin) verabreicht, um den Blutzuckerspiegel nach dem Essen zu kontrollieren. Das Ziel der meisten Menschen mit T1DM ist es, nahezu normale Blutzuckerwerte zu erreichen, um langfristige Komplikationen wie Nieren- und Augen-Erkrankungen zu vermeiden und Flexibilität hinsichtlich der Zeit, Art und Menge der Nahrungsaufnahme zu erhalten. Die wichtigste unerwünschte Wirkung einer Insulintherapie ist eine Hypoglykämie (Unterzuckerung), die schwerwiegend sein kann.

Wir wollten herausfinden, ob eine Art von ultra-langwirksamem Insulin besser ist für Menschen mit T1DM im Vergleich zu NPH-Verzögerungsinsulin oder einer anderen Art von ultra-langwirksamem Insulin. Die Endpunkte, die uns besonders interessierten, waren der Tod, die gesundheitsbezogene Lebensqualität, schwere (nächtliche) Hypoglykämien, schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, nicht-tödliche Komplikationen des Diabetes (Herzinfarkte, Schlaganfälle) und Werte des glykosylierten Hämoglobins A1c (HbA1c), die Indikatoren für die langfristige Blutzuckerkontrolle sind.

Wonach haben wir gesucht?

Wir durchsuchten medizinische Datenbanken und setzten uns mit Arzneimittelherstellern und Arzneimittelzulassungsbehörden in Verbindung, um Studien zu finden, die:
- randomisierte kontrollierte Studien sind (medizinische Studien, in denen die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip einer der Behandlungsgruppen zugeteilt werden);
- Menschen mit T1DM einschlossen;
- ein ultra-langwirksames Insulin mit einem anderen ultra-langwirksamen Insulin oder einem NPH-Insulin verglichen;
- mindestens 24 Wochen dauerten.

Was haben wir gefunden?
Wir fanden 26 Studien, die insgesamt 8780 Teilnehmende (21 % waren Kinder) einschlossen. Die Studien dauerten zwischen 24 Wochen und zwei Jahren. Sie verglichen:
- NPH-Insulin mit Insulin detemir (neun Studien);
- NPH-Insulin mit Insulin glargin (neun Studien);
- Insulin detemir mit Insulin glargin (zwei Studien);
- Insulin degludec mit Insulin detemir (zwei Studien);
- Insulin degludec mit Insulin glargin (vier Studien).

Keine Studie verglich NPH-Insulin mit Insulin degludec.

Hauptergebnisse

Bezüglich aller wesentlichen Endpunkte gab es keine klaren Unterschiede beim Vergleich der ultra-langwirksamen Insulinanaloga untereinander.

Schwere hypoglykämische Episoden wurden mit Insulin detemir verringert: von 1000 Teilnehmenden, die NPH-Insulin verwendeten, erlitten 115 eine schwere Hyperglykämie; bei Verwendung von Insulin detemir waren es 36 Teilnehmende weniger (9 bis 55 Teilnehmende weniger), die eine schwere Hyperglykämie erlitten. Die Ergebnisse waren jedoch uneinheitlich, was bedeutet, dass die Durchführung einer weiteren Studie möglicherweise keinen eindeutigen Unterschied zwischen Insulin detemir und NPH-Insulin ergeben könnte. Hinsichtlich des Risikos einer schweren nächtlichen Hyperglykämie gab es keine eindeutigen Unterschiede. Es gab keine deutlichen Unterschiede bei der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, den schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen oder den HbA1c-Werten. Sehr wenige Personen erlitten einen Herzinfarkt oder starben. Über Schlaganfälle wurde nicht berichtet.

Es gab keine eindeutigen Unterschiede beim Vergleich von Insulin glargin mit NPH-Insulin bezüglich aller wesentlichen Endpunkte. Sehr wenige Personen erlitten einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder starben.

Auch bei allen Vergleichen zwischen Kindern und Erwachsenen gab es keine eindeutigen Unterschiede.

Vertrauenswürdigkeit der Evidenz
Beim Vergleich der Insulinanaloga detemir und glargin mit NPH-Insulin sind wir hinsichtlich der Ergebnisse in Bezug auf Todesfälle, schwere (nächtliche) Hypoglykämien, schwerwiegende unerwünschte Wirkungen und HbA1c wenig zuversichtlich. Bezüglich der Wirkungen auf Herzinfarkte, Schlaganfälle und die gesundheitsbezogene Lebensqualität sind wir unsicher, vor allem weil es nur wenige Studien gab, die ausreichend lange dauerten, um diese Endpunkte zuverlässig zu untersuchen.

Wie aktuell ist dieser Review?
Diese Evidenz ist auf dem Stand vom 24. August 2020.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

A. Wenzel, freigegeben durch Cochrane Deutschland

Tools
Information

Cochrane Kompakt ist ein Gemeinschaftsprojekt von Cochrane Schweiz, Cochrane Deutschland und Cochrane Österreich. Wir danken unseren Sponsoren und Unterstützern. Eine Übersicht finden Sie hier.