Welche Ansätze helfen Menschen mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) bei der regelmäßigen Einnahme ihrer verschriebenen Medikamente?

Fragestellung

Welche Ansätze unterstützen die regelmäßige Einnahme verschriebener Medikamente, verbessern die Lebensqualität und senken die Hospitalisierungsrate bei Menschen mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD)?

Hintergrundinformationen

COPD ist eine Lungenerkrankung, die zu langfristigen Atembeschwerden führen kann und mit Symptomen wie Kurzatmigkeit einhergeht. Es gibt zwar Medikamente dafür, jedoch werden sie nicht immer wie verschrieben eingenommen. Es existieren verschiedene Ansätze, die bei der regelmäßigen Medikamenteneinnahme unterstützen, Symptome lindern, die Lebensqualität verbessern und die Hospitalisierungsrate senken können.

Wir wollten herausfinden, ob bzw. welche dieser Ansätze Menschen mit COPD bei der regelmäßigen Einnahme der Medikamente unterstützen können.

Studienauswahl

Wir durchsuchten unterschiedliche Datenbanken nach Studien. Zwei Zweierteams haben die Studienlisten unabhängig voneinander durchsucht und eine Auswahl getroffen. Die letzte Suche nach Studien wurde im Mai 2020 durchgeführt.

Studienmerkmale

Wir haben Vergleichsstudien über einfache Ansätze zur Verbesserung der Medikamenteneinnahme bei COPD (z. B. Änderung der Dosierung oder ein einzelner anstatt zwei unterschiedlicher Inhalatoren) einbezogen. Wir haben auch Studien mit kombinierten Ansätzen (z. B. Aufklärung oder Schulung der Patienten durch Pflegepersonal oder Apotheker und Kontrolle der Medikamenteneinnahme) berücksichtigt.

Was waren die wichtigsten Ergebnisse?

In unsere Analyse wurden 14 Studien (2.191 Menschen) miteinbezogen. Keine Studie war verblindet (die Teilnehmer jeder Studie waren darüber informiert, ob eine Methode zur Steigerung der Therapietreue angewendet wurde oder nicht). Bei sechs Studien wurden einfache Ansätze angewendet (z. B. Änderung der Dosierung oder des Inhalatortyps oder Verwendung eines Bluetooth-Inhalators mit Erinnerungsfunktion). Bei acht Studien wurden kombinierte Ansätze angewendet (z. B. Tipps oder Anweisungen vom Pflegepersonal oder Apotheker zur Verbesserung der Medikamenteneinnahme).

Bei einer Studie mit Änderung der Dosierung bei Patienten, die sich an die Verschreibung hielten, waren die Ergebnisse unklar, da es keine Unterschiede zur Standardbehandlung gab. In zwei unterschiedlichen Studien wurde festgestellt, dass ein Bluetooth-Inhalator mit Erinnerungsfunktion oder eine Dosisänderung oral verabreichter Medikamente zu keiner Verbesserung der Therapietreue führten. Medizinische Fachkräfte könnten durch Aufklärung die Therapietreue verbessern (eine Studie). Dies wurde an der erneuten Ausstellung von Rezepten gemessen. Eine verbale Ermutigung konnte die Therapietreue (eine Studie) teilweise auch steigern. Dies wurde anhand von Patienten-Fragebögen zur Einschätzung ihrer Therapietreue gemessen.

Eine Studie ergab, dass ein Bluetooth-Inhalator zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen könnte. Es bestehen geringe bis gar keine Unterschiede in der Hospitalisierungsrate zwischen Patienten mit einem einzelnen Inhalator und solchen mit zwei (eine Studie). Bezüglich des Auftretens von Nebenwirkungen wurde zwischen einfachen Ansätzen und der Standardbehandlung kein Unterschied festgestellt.

Es besteht die Möglichkeit, dass kombinierte Ansätze zur Therapietreue beitragen, jedoch ist diese Erkenntnis nicht eindeutig (vier Studien). Sie haben vermutlich nur einen geringen bis gar keinen Einfluss auf die Lebensqualität (drei Studien). Kombinierte Ansätze könnten ggf. die Anzahl der Hospitalisierungen von Menschen mit COPD aufgrund von COPD-Symptomen oder aus anderen Gründen reduzieren (zwei Studien).

Es bestand kein Zusammenhang zwischen dem Einsatz kombinierter Ansätze und dem Auftreten von unerwünschten Ereignissen.

Schlussfolgerung

Aufgrund unzureichender Daten kann keine definitive Schlussfolgerung über die Wirkung einfacher Ansätze auf die Therapietreue von COPD-Patienten gezogen werden. Es besteht die Möglichkeit, dass kombinierte Ansätze zur regelmäßigen Einnahme verschriebener Medikamente und zur Senkung der Hospitalisierungsrate beitragen, jedoch werden mehr Daten benötigt, um diese Frage mit Gewissheit zu beantworten.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Interventionen mit einer Komponente (z. B. Motivationsgespräche oder Aufklärung durch einen Arzt) können helfen, die Therapietreue bei der pharmakologischen Behandlung zu verbessern (niedrige bis sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit). Mit einem Bluetooth-Inhalator konnten leichte Verbesserungen der Lebensqualität festgestellt werden, jedoch stammt die Evidenz hierzu aus lediglich einer Studie und ist von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit. Änderungen der Pharmakotherapie (z. B. ein Inhalator statt zwei oder geänderte Roflumilast-Dosierungen) haben wenig Einfluss auf Hospitalisierungen oder Exazerbationen (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit). Bezüglich unerwünschter Ereignisse (jegliche Ursachen oder COPD-bedingt) oder Todesfällen (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit) ließ sich kein Unterschied feststellen.

Multikomponenten-Interventionen verbessern möglicherweise die Therapietreue durch Aufklärung und motivierende oder verhaltensorientierte Komponenten, die von Ärzten durchgeführt werden (niedrige Vertrauenswürdigkeit). Die Lebensqualität wird wenig oder gar nicht beeinflusst (niedrige bis sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit). Sie könnten dazu beitragen, die Gesamtanzahl der Hospitalisierungen (insbesondere bei Beratung durch Apotheker) zu reduzieren (niedrige Vertrauenswürdigkeit). Außerdem kommt es möglicherweise zu weniger COPD-bedingten Hospitalisierungen (moderate Vertrauenswürdigkeit). Womöglich haben weniger Menschen starke Exazerbationen. Die Evidenz hierzu stammt jedoch aus lediglich 1 Studie (niedrige Vertrauenswürdigkeit). Die begrenzte Evidenz zeigte keinen Unterschied bei unerwünschten Ereignissen, schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen oder Todesfällen (niedrige bis sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit).

Die aufgeführte Evidenz sollte mit Vorsicht interpretiert werden. Es besteht ein Bedarf an größeren Studien mit mehr Interventionstypen, insbesondere Interventionen mit einer Komponente. Es ist unklar, welche der COPD-Untergruppen davon profitieren würden. Daher wären Gespräche zwischen Ärzten und Patienten hilfreich, um festzustellen, ob solche Studien zu besseren Ergebnissen bezüglich des Gesundheitszustandes führen könnten.

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Hintergrund: 

Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist eine chronische Lungenerkrankung, die durch per­sistierende respiratorische Symptome sowie eingeschränkte Lungenventilation, Dyspnoe und wiederkehrende Exazerbationen gekennzeichnet ist. Eine suboptimale Therapie oder fehlende Therapietreue können zu eingeschränkter Wirksamkeit von pharmakologischen Behandlungen führen und sich in der Folge negativ auf den Gesundheitszustand auswirken.

Zielsetzungen: 

Bestimmung der Wirksamkeit und Sicherheit von Interventionen zur Verbesserung der Therapietreue bei Behandlungen mit einem oder mehreren kombinierten Medikamenten im Vergleich zur Standardbehandlung bzw. Behandlungen, deren Ziel nicht die Verbesserung der Therapietreue bei Menschen mit COPD ist.

Suchstrategie: 

Wir durchsuchten das Cochrane Airways Trials Register, CENTRAL, MEDLINE und Embase nach randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) (letztes Suchdatum 01.05.2020). Ebenso durchsuchten wir webbasierte klinische Studienregister.

Auswahlkriterien: 

An den RCTs nahmen Erwachsene mit COPD teil, die auf Basis von etablierten Kriterien (z. B. Global Initiative for Obstructive Lung Disease) diagnostiziert wurden. Zu den Interventionen gehörten Änderungen der pharmakologischen Behandlungsschemata, Hilfen zur Therapietreue, Aufklärung, verhaltensorientierte oder psychologische Interventionen (z. B. kognitive Verhaltenstherapie), Besprechungen oder Nachbeobachtung durch einen Arzt (z. B. telefonisch, über Textnachrichten oder persönlich), Multikomponenten-Interventionen und Interventionen zur Verbesserung der Inhalationstechnik.

Datensammlung und ‐analyse: 

Es wurden die Standardmethoden von Cochrane verwendet. In Zweiergruppen aufgeteilt wählten vier Review-Autoren unabhängig voneinander relevante Studien aus, extrahierten die jeweiligen Daten und bewerteten das Risiko für Bias. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz wurde für jeden primären Endpunkt anhand von GRADE bewertet. Primäre Endpunkte waren Therapietreue, Lebensqualität und Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen. Zur Messung der Therapietreue wurde unter anderem der APCD-Fragebogen (Adherence among Patients with Chronic Disease) verwendet. Zur Messung der Lebensqualität wurden u.a. der SGRQ-Fragebogen (St George’s Respiratory Questionnaire), der COPD-Assessment-Test (CAT) und der CCQ-Fragebogen (Clinical COPD Questionnaire) verwendet.

Hauptergebnisse: 

Insgesamt wurden 14 Studien (2.191 Teilnehmer) in die Analyse einbezogen. Die Nachbeobachtungszeit betrug zwischen 6 und 52 Wochen. Das Alter der Teilnehmer bewegte sich zwischen 54 und 75 Jahren und der Schweregrad der COPD-Erkrankungen reichte von leicht bis sehr schwer. Die Studien wurden in den USA, Spanien, Deutschland, Japan, Jordanien, Nordirland, dem Iran, Südkorea, China und Belgien durchgeführt. Es bestand ein hohes Risiko für Bias, da die Studien nicht verblindet waren. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz wurde aufgrund von unzureichender Präzision und kleinen Teilnehmerzahlen herabgestuft.

Interventionen mit einer Komponente

In sechs der Studien (zwischen 55 und 212 Teilnehmer) wurde über folgende Interventionen mit einer Komponente berichtet: Änderungen der pharmakologischen Behandlung (geänderte Roflumilast-Dosierung oder andere Inhalator-Typen), Hilfen zur Therapietreue (Bluetooth-Inhalator mit Erinnerungsfunktion), Aufklärung (leicht verständliche, verbale Anweisung) sowie verhaltensorientierte oder psychologische Interventionen (Motivationsgespräch).

Eine Änderung der Roflumilast-Dosierung führt möglicherweise nur zu einer geringen oder keiner Veränderung bei der Therapietreue (Odds Ratio (OR) 0,67, 95 % Konfidenzintervall (KI) 0,22 bis 1,99; Studien = 1, Teilnehmer = 55; niedrige Vertrauenswürdigkeit). Ein Bluetooth-Inhalator mit Erinnerungsfunktion führte zu keiner Verbesserung bei der Therapietreue. Eine verbale Anweisung durch einen Arzt verbesserte jedoch die durchschnittliche Therapietreue (erneute Verschreibung der Medikamente) (Mittelwertdifferenz (MD) 1,00, 95 % KI 0,46 bis 1,54). Ein Motivationsgespräch verbesserte die durchschnittliche Therapietreue auf der APCD-Skala (MD 22,22, 95 % KI 8,42 bis 36,02).

Die Verwendung eines einzelnen Inhalators verglichen mit zwei separaten Inhalatoren hat womöglich keinen oder nur geringen Einfluss auf die Lebensqualität (SGRQ; MD 0,80, 95 % KI –3,12 bis 4,72; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit). Ein Bluetooth-Inhalator mit Überwachungsfunktion könnte zu einer leichten Verbesserung der Lebensqualität auf der CCQ-Skala führen (MD 0,40, 95 % KI 0,07 bis 0,73; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit).

Die Verwendung eines einzelnen Inhalators verglichen mit zwei separaten Inhalatoren hat möglicherweise keinen oder nur geringen Einfluss auf die Anzahl der Hospitalisierungen (OR 1,47, 95 % KI 0,75 bis 2,90; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit). Interventionen mit einer Komponente haben vermutlich keinen oder nur geringen Einfluss auf die Anzahl der Menschen, bei denen unerwünschte Ereignisse auftreten (in Studien, die eine Änderung der Pharmakotherapie oder den Einsatz von Hilfen zur Therapietreue miteinbezogen, ergab sich eine sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Eine Änderung der Pharmakotherapie hat womöglich nur geringe oder gar keine Auswirkungen auf Exazerbationen oder Todesfälle (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit).

Multikomponenten-Interventionen

In acht Studien (zwischen 30 und 734 Teilnehmer) wurde über Multikomponenten-Interventionen berichtet. Diese enthielten u.a. ein personalisiertes Versorgungspaket, das die Unterstützung bei der Therapietreue als eine Hauptkomponente oder Inhalationstechnik als eine Komponente beinhaltete.

Eine Multikomponenten-Intervention könnte dazu führen, dass nach 40,5 Wochen im Vergleich zur Kontrollgruppe mehr Menschen die Pharmakotherapie einhalten (Relatives Risiko (RR) 1,37, 95 % KI 1,18 bis 1,59; Studien = 4, Teilnehmer = 446; I2 = 0 %; niedrige Vertrauenswürdigkeit).

Die Lebensqualität wird möglicherweise wenig bis gar nicht beeinflusst (SGRQ, Chronic Respiratory Disease Questionnaire, CAT) (Studien = 3; niedrige bis sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit).

Multikomponenten-Interventionen könnten dazu beitragen, die Gesamtanzahl der Hospitalisierungen (OR 0,37, 95 % KI 0,22 bis 0,63; Studien = 2, Teilnehmer = 877; niedrige Vertrauenswürdigkeit) bzw. COPD-bedingte Hospitalisierungen (OR 0,15, 95 % KI 0,07 bis 0,34; Studien = 2, Teilnehmer = 220; moderate Vertrauenswürdigkeit) zu reduzieren. Menschen mit starken Exazerbationen könnten eine leichte Verbesserung spüren.

Interventionen mit mehreren Komponenten haben womöglich keinen oder nur geringen Einfluss auf unerwünschte Ereignisse, schwerwiegende unerwünschte Ereignisse oder Todesfälle, jedoch waren die Ereignisse selten und wurden unregelmäßig dokumentiert (niedrige bis sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit).

Anmerkungen zur Übersetzung: 

Universität Heidelberg, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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