Kernaussagen
- Die Qualität der Evidenz für Maßnahmen zur Verringerung von Wundinfektionen in der Erwachsenen-Herzchirurgie ist insgesamt sehr niedrig. In den Studien wurden unterschiedliche Definitionen für Wundinfektion verwendet, weshalb sich ein Vergleich schwierig gestaltet.
- Es bestehen erhebliche Wissenslücken in Bezug auf die Durchführung von Maßnahmen, um Wundinfektionen bei erwachsenen Patient*innen nach einer Herzoperation zu verringern.
Was ist eine postoperative Wundinfektion?
Die amerikanische Gesundheitsbehörde, Centers for Disease Control and Prevention, definiert eine postoperative Wundinfektion (SSI) als „eine Infektion, die nach einem chirurgischen Eingriff an dem Körperteil auftritt, an dem der Eingriff vorgenommen wurde. Bei SSIs kann es sich um oberflächliche Infektionen handeln, die nur die Haut betreffen, oder um tiefere Infektionen, die das darunterliegende Gewebe, innere Organe und/oder implantiertes Material betreffen.“
Nach Herzoperationen können SSIs erhebliche Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit der Patient*innen sowie das Leben ihrer Pflegenden und Angehörigen haben. Es gibt verschiedene Maßnahmen zur Reduzierung von Wundinfektionen, die sich aber je nach Chirurg*in, Krankenhaus und Land unterscheiden. Das liegt vermutlich daran, dass es keine national oder international einheitlichen Protokolle oder Leitlinien in der Herzchirurgie gibt. Dies könnte auch erklären, warum die Wundinfektionsraten im Vereinigten Königreich von Krankenhaus zu Krankenhaus variieren, wobei 1 bis 9 von 100 Menschen nach einer Herzoperation von einer Infektion betroffen sind.
Was wollten wir herausfinden?
Wir wollten herausfinden, welche Maßnahmen am besten geeignet sind, um SSIs nach Herzoperationen zu reduzieren. Außerdem sollte die Wirksamkeit von Maßnahmen vor, während und nach der Herzoperation zur Verhinderung von SSIs (primärer Endpunkt) sowie die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf Komplikationen, Todesfälle und Ressourcennutzung (sekundäre Endpunkte) bewertet werden.
Wie gingen wir vor?
Es wurde nach Studien (randomisierte kontrollierte Studien) gesucht, die eine Maßnahme zur Verringerung oder Verhinderung von SSIs bei erwachsenen Patient*innen (
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18 Jahre) nach einer Herzoperation (Operationen am Herzen oder an den großen Gefäßen) untersuchten. Nach der Auswahl geeigneter Studien wurden diese zunächst in prä-, intra- und postoperative Maßnahmen kategorisiert und anschließend in passende Vergleichsgruppen eingeteilt.
Für jede dieser Vergleichsgruppen fassten wir die Studien zusammen, verglichen sie und bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz auf Grundlage der Studienmethoden und der Größe der Studien.
Was fanden wir heraus?
Dieser Review umfasst 118 Studien mit insgesamt 51.854 Teilnehmenden. Es wurden 22 verschiedene Interventionskategorien in der prä-, intra- und postoperativen Phase identifiziert, die zur Reduzierung von SSIs in der Erwachsenen-Herzchirurgie eingesetzt wurden. Angesichts des Umfangs dieses Reviews und zahlreicher Unterschiede in der Studienmethodik, die bestimmte Vergleiche weniger aussagekräftig machen, haben wir unsere Diskussion auf vier Interventionskategorien konzentriert.
Dekolonisierung der Haut und/oder Nase: Es besteht erhebliche Unsicherheit über den Nutzen der Dekolonisierung (Entfernung oder Reduzierung von Bakterien). Weitere Forschung ist erforderlich, um die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Entstehung von Antibiotikaresistenzen zu untersuchen.
Blutzuckerkontrolle: Ein gut eingestellter Blutzuckerspiegel bei Menschen mit Diabetes kann die Zahl der SSIs verringern; die Evidenz bei Menschen ohne Diabetes ist jedoch noch unklar. Weitere Studien zur patientenspezifischen Blutzuckerkontrolle sind erforderlich.
Spezielle Verbände zur Wunddrainage: Spezielle Verbände (Vakuum-Wundbehandlung) verringern möglicherweise die Zahl der Wundinfektionen, doch die aktuellen Studien sind zu klein, um endgültige Aussagen treffen zu können.
Topische Antibiotika in der Wunde: Antibiotika-Schwämme, die im Brustkorb platziert werden, verringern möglicherweise das Risiko von Brustbein-Infektionen. Ob sie jedoch auch Infektionen in Bein oder Arm wirksam reduzieren, ist bislang unklar. Auch die Auswirkungen auf die Entwicklung einer Antibiotikaresistenz sind noch unbekannt.
Was schränkt die Evidenz ein?
Die wichtigste Einschränkung der Evidenz ist die sehr niedrige Qualität der berücksichtigten Studien. Wir haben nur eine Studie als „geringes Verzerrungsrisiko“ eingestuft. Aufgrund der uneinheitlichen Definitionen von SSI in den Studien sowie der unterschiedlichen Methoden zur Umsetzung der Maßnahmen war es in vielen Fällen nicht möglich, Metaanalysen (Zusammenfassungen von Studiendaten) durchzuführen. Außerdem war die Teilnehmendenzahl vieler Studien zu gering, um zuverlässige Schlussfolgerungen zu ziehen.
Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?
Die Evidenz ist auf dem Stand von Mai 2021.
Universität Heidelberg, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland