Interventionen zur Verbesserung der Immunsuppressiva-Therapietreue nach einer Transplantation solider Organe

Worum geht es?

Bei der Transplantation solider Organe handelt es sich um die Transplantationen von Herz, Lunge, Niere, Bauchspeicheldrüse oder Leber. Nach einer soliden Organtransplantation unterdrücken immunsuppressive Medikamente das Immunsystem und sichern das kurz- und langfristige Überleben des Organtransplantats. Die Anwendung der immunsuppressiven Medikamente zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Dosis ist ein entscheidender Bestandteil der Betreuung nach der Transplantation. Die Nichteinhaltung der Anwendung der immunsuppressiven Medikamente ist jedoch häufig und kann zum Versagen der Transplantation führen. Um wirksame Maßnahmen zu ermitteln, die die Therapietreue bei der Anwendung von Immunsuppressiva nach einer Transplantation solider Organe verbessern, ist hochwertige Evidenz notwendig.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten in der Literatur nach Studien, die eine Intervention zur Verbesserung der Therapietreue bei der Anwendung von Immunsuppressiva nach einer Herz-, Lungen-, Nieren-, Pankreas- oder Lebertransplantation untersuchten. Wir sammelten Informationen aus den Studien und fassten diese mit statistischen Methoden zusammen, um festzustellen, ob eine Intervention hilfreich war. Wir haben die Qualität der Studien bewertet, um einschätzen zu können, wie sicher die beobachteten Wirkungen sind.

Was fanden wir heraus?

Wir fanden 40 Studien, an denen 3718 Erwachsene und 178 Jugendliche teilnahmen. Die Mehrzahl der Studien schloss Teilnehmende mit einer Nierentransplantation ein. Wir stellten fest, dass die Art der Maßnahmen in den einzelnen Studien unterschiedlich war; 27 Studien enthielten mehr als einen Ansatz zur Verbesserung der Immunsuppressiva-Therapietreue . Wir haben einige Evidenz gefunden, die die Wirksamkeit von Interventionen zur Steigerung der korrekten Medikamentendosierung zeigen. Es war unklar, ob eine Intervention die Immunsuppressiva-Therapietreue nach einer Transplantation eines festen Organs verbessert. Unklar war auch, ob sich die Interventionen auf die Blutspiegel der Immunsuppressiva, die Abstoßungsrate, den Tod, die Notwendigkeit einer Krankenhauseinweisung und die gesundheitsbezogene Lebensqualität auswirkten. Das Vertrauen in die Informationen zu den Wirkungen der Maßnahmen war gering, da einige Studien klein waren, die Art der Maßnahmen variierte und die Studien die Therapietreue auf unterschiedliche Weise definierten und maßen. Wir fanden nicht genügend Informationen, um zu beurteilen, ob bestimmte Arten von Interventionen wirksamer sind als andere.

Schlussfolgerungen

Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die derzeitige Evidenz zu Interventionen zur Erhöhung der Therapietreue bei Immunsuppressiva von geringer Qualität ist. Grund hierfür ist die Variabilität der durchgeführten Intervention, die insgesamt geringe Zahl der Teilnehmenden, die die Intervention erhalten, und die erheblichen Unterschiede bei der Definition und Messung der Therapietreue. Die vorhandenen Daten lieferten allerdings Hinweise auf den möglichen Nutzen von Maßnahmen zur Verbesserung der Immunsuppressiva-Therapietreue in Bezug auf die Einnahme und die korrekte Dosierung. Es wurden keine negativen Auswirkungen im Zusammenhang mit der Teilnahme an der Intervention festgestellt. 24 Studien sind derzeit entweder noch nicht abgeschlossen oder deren endgültige Ergebnisse sind noch nicht veröffentlicht. Diese konnten nicht in diesen Review einbezogen wurden. Daher könnte die zukünftige Aktualisierung dieses Reviews mehr Gewissheit ergeben, ob Interventionen zur Steigerung der Immunsuppressiva-Therapietreue nach einer Transplantation eines festen Organs nützlich sind.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Interventionen zur Steigerung der Einnahme- und Dosis-Adhärenz bei immunsuppressiver Therapie könnten effektiv sein. Allerdings weisen unsere Ergebnisse darauf hin, dass die Evidenz für diese Interventionen zur Steigerung der Immunsuppressiva-Adhärenz insgesamt durch niedrige methodische Qualität der inkludierten Studien, zu kleine Stichproben und Heterogenität der einzelnen Interventionsmaßnahmen verringert wird. Aktuell laufen oder warten 24 weitere Studien auf die Analyse (3248 weitere zu erwartende Teilnehmer). Daher ist es möglich, dass deren Ergebnisse die Ergebnisse dieses Reviews bei einer zukünftigen Aktualisierung verändern werden.

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Hintergrund: 

Ein wesentliches Problem nach solider Organtransplantation ist die mangelnde Adhärenz einer immunsuppressiven Therapie, insbesondere wegen der damit verbundenen Gefahr des Transplantatversagens. Dabei ist die Adhärenz einerr immunsuppressiven Therapie ein beeinflussbarer Faktor des Patientenverhaltens, und es gibt verschiedene Ansätze zur Steigerung der Adhärenz, einschließlich mehrteilige Interventionen. Bisher gab es allerdings wenige Untersuchungen zur Effektivität von Interventionen zur Steigerung der Adhärenz der immunsuppressiven Therapie.

Zielsetzungen: 

Dieser Review betrachtet den Nutzen und die Risiken von Interventionen zur Verbesserung der Adhärenz immunsuppressiver Therapien bei Empfängern von soliden Organtransplantationen, inklusive Erwachsenen und Kindern mit Herz-, Lungen-, Niere-, Leber- und Pankreastransplantation.

Suchstrategie: 

Es wurden das Cochrane Kidney und Transplant Register of Studies bis zum 14. Oktober 2021 durchsucht. Der zuständige Informationsspezialist nutze hierfür für diesen Review relevante Suchbegriffe. Studien innerhalb dieses Registers wurden identifiziert durch eine Suche in den Datenbanken CENTRAL, MEDLINE und EMBASE sowie über Konferenzbeiträge, das Suchportal des International Clinical Trial Register (ICTRP) und ClinicalTrials.gov. Register.

Auswahlkriterien: 

Alle randomisierten kontrollierten Studien (RCTs), quasi-RCTs und Cluster-RCTs, die Interventionen zur Verbesserung der Adhärenz von Immunsuppressiva nach solider Organtransplantation (Herz, Lunge, Niere, Leber, Pankreas) untersuchen, wurden berücksichtigt. Es wurden keine Einschränkungen hinsichtlich der Sprache und der Art der Publikation gemacht.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei unabhängige Review-Autoren führten das Titel- und Abstrakt-Screening der identifizierten Publikationen durch. Ebenso wurde die methodische Qualitätsanalyse der Studien und die Beurteilung die Qualität der Evidenz mittels des GRADE-Ansatzes durchgeführt. Die Einschätzung des Bias-Risikos erfolgte mit den üblichen Cochrane-Instrumenten. Die ABC-Klassifikation zur Beurteilung der Medikamenten-Adhärenz bildete die Grundlage für die Analyse; primäre Endpunkte waren Einleitung der immunsuppressiven Medikation, Umsetzung (Anwendungsadhärenz, Dosis-Adhärenz, Zeitvorgabe-Adhärenz und Einnahmepause) und dauerhafte Einhaltung. Sekundäre Endpunkte waren Surrogatparameter der Adhärenz wie selbst-berichtete Adhärenz, Talspiegel der immunsuppressiven Medikation, akute Transplantatabstoßung, Transplantatverlust, Tod, Krankenhauswiederaufnahme und gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL). Wenn möglich wurde eine Metaanalyse durchgeführt, die restlichen Ergebnisse wurden narrativ zusammengefasst.

Hauptergebnisse: 

Vierzig Studien mit insgesamt 3896 randomisierten Teilnehmern (3718 Erwachsene und 178 Jugendliche) wurden eingeschlossen. Die Studien waren heterogen hinsichtlich der Art der Intervention und der untersuchten Resultate. Die Mehrheit der Studien (80%) wurde bei Nierentransplantierten durchgeführt. Zwei Studien evaluierten pädiatrische Empfänger einer soliden Organtransplantation. Das Risiko für Bias war generell hoch oder unklar, was zu einer geringen Sicherheit der Ergebnisse führt. Die Einleitung der Immunsuppression wurde in den inkludierten Studien nicht gemessen.

Die Evidenz ist unklar für die Assoziation zwischen Interventionen zur Adhärenzförderung und dem Anteil der Studienteilnehmer, die als adhärent hinsichtlich der Einnahme ihrer immunsuppressiven Medikation klassifiziert wurden (4 Studien, 445 Teilnehmer: Relatives Risiko [RR] 1,09; 95% Konfidenzintervall [KI] 0,95 bis 1,20; I²=78%). Es gab eine ausgeprägte Heterogenität hinsichtlich der Therapieeffekte zwischen den vier Studien, die die Anwendungsadhärenz untersuchten. Dies könnte durch die verschiedenen Arten der Interventionen verursacht sein. Es gibt Evidenz für die Steigerung der Dosis-Adhärenz in der Interventionsgruppe (8 Studien, 713 Teilnehmer: RR 1,14; 95% KI 1,03 bis 1,26; I²=61%).  Es gab eine ausgeprägte Heterogenität bei den Therapieeffekten zwischen den acht Studien zur Dosis-Adhärenz. Dies könnte durch die unterschiedlichen Interventionen verursacht sein. Es bleibt unklar, ob eine Intervention zur Erhöhung der Immunsuppressiva-Adhärenz einen Effekt auf Zeitvorgabe-Adhärenz und Einnahmepause hat. Es gibt lediglich limitierte Evidenz, ob eine Intervention zur Erhöhung der Immunsuppressiva-Adhärenz einen Effekt auf die dauerhafte Anwendung der Medikation hat.

Es gibt nur limitierte Evidenz für Interventionen zur Erhöhung der Immunsuppressiva-Adhärenz hinsichtlich der Effektivität auf die sekundären Endpunkte. Für die selbst-berichtete Adhärenz bleibt unklar, ob eine Intervention zur Erhöhung der Immunsuppressiva-Adhärenz die Anzahl der Teilnehmer erhöht, die als adhärent zur immunsuppressiven Therapie klassifiziert werden (9 Studien, 755 Teilnehmer: RR 1,21; 95% KI 0,99 bis 1,49; I²=74%, sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Ebenso bleibt es unklar, ob eine Intervention zur Erhöhung der Immunsuppressiva-Adhärenz den mittleren Adhärenz-Score der selbst-berichteten Adhärenz-Maße erhöht (5 Studien, 471 Teilnehmer: SMD 0,65; 95% KI -0,31 bis 1,60; I²=96%; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Für die Talspiegel der Immunsuppressiva bleibt unklar, ob eine Intervention zur Erhöhung der Immunsuppressiva-Adhärenz den Anteil der Studienteilnehmer erhöht, die den Zielspiegel der Immunsuppressiva erreichen (4 Studien, 348 Teilnehmer: RR 0,98; 95% KI 0,68 bis 1,40; I²=40%; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Weiterhin bleibt unklar, ob eine Intervention zur Erhöhung der Immunsuppressiva-Adhärenz die Hospitalisierungsrate verringern kann (5 Studien, 460 Teilnehmer: RR 0,67; 95% KI 0,44 bis 1,02; I²=64%; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz ist niedrig hinsichtlich der Effekte auf Patienten-berichtete Resultate wie z. B. HRQoL. Außerdem gibt es keine klare Evidenz für die Effekte der Interventionen auf sekundäre Endpunkte, inklusive akute Transplantatabstoßung, Transplantatverlust und Tod. Es wurden keine Risiken der Teilnahme an den Interventionen berichtet.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

Urologen, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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