Interventionen für die Umsetzung von evidenzbasierten Empfehlungen in der akuten Schlaganfall-Versorgung

Führen Implementierungsinterventionen zu einer Verbesserung der Bereitstellung einer evidenzbasierten Versorgung auf Stroke Units (Akutstationen für Schlaganfall-Patient*innen?

Kernaussagen

Implementierungsmaßnahmen zielen darauf ab, die Bereitstellung einer "evidenzbasierten" Versorgung zu verbessern, d. h. einer Versorgung, bei der durch wissenschaftliche Studien belegt ist, dass sie Menschen mit einem bestimmten Gesundheitsproblem hilft. Wir wissen nicht, ob Implementierungsmaßnahmen zu einer Verbesserung der Bereitstellung einer evidenzbasierten Versorgung auf Stroke Units führen.

Es bedarf weiterer Forschung dazu, wie eine evidenzbasierte Versorgung in der akuten Schlaganfall-Versorgung erfolgreich umgesetzt werden kann. In zukünftigen klinischen Studien sollten die Interventionen besser beschrieben und einheitliche Methoden zur Ermittlung der Ergebnisse angewandt werden.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten herausfinden, ob es Implementierungsmaßnahmen gibt, die in der akuten Schlaganfall-Versorgung umgesetzt werden können, mit dem Ziel, dass alle Patient*innen auf einer Stroke Unit eine "evidenzbasierte" Versorgung erhalten. Wir waren daran interessiert, Möglichkeiten zur Veränderung des Verhaltens von Gesundheitsfachpersonen sowie von Abläufen in Krankenhäusern zu bewerten, um zu verstehen, was am besten dabei helfen kann, Veränderungen herbeizuführen, infolge derer die Patient*innen die bestmögliche Versorgung erhalten.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten nach klinischen Studien, die auf Stroke Units durchgeführt wurden und in denen Wissenschaftler*innen Interventionen zur Verbesserung der evidenzbasierten Versorgung mit keiner Intervention oder mit anderen Arten von Implementierungsinterventionen verglichen. Wir verglichen die Ergebnisse, fassten sie zusammen und bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz anhand von Faktoren wie den Methoden und der Größe der Studien.

Was fanden wir heraus?

Wir schlossen sieben Studien ein, an denen 42.489 Patienten mit einem akutem Schlaganfall und eine unbekannte Anzahl von Gesundheitsfachpersonen teilnahmen. Die Studien wurden in 129 Krankenhäusern in Australien, Großbritannien, China und den Niederlanden durchgeführt. Die kleinste Studie umfasste 64 Patient*innen, die größte Studie 22.384 Patient*innen. Insgesamt hatten über 85 % der Patient*innen in den Studien einen ischämischen (durch eine Minderdurchblutung verursachten) Schlaganfall, zwischen 50 % und 63 % der Patient*innen waren männlich, und das Durchschnittsalter lag zwischen 65 und 78 Jahren.

In fünf Studien wurde eine mehrere Teile umfassende Strategie mit keiner Intervention verglichen und in zwei Studien wurde eine mehrere Teile umfassende Strategie mit einer anderen mehrere Teile umfassenden Strategie verglichen. Die Strategien in allen Studien zielten darauf ab, das Verhalten des Krankenhauspersonals zu verändern. Drei Studien befassten sich zudem mit der Veränderung von Abläufen im Krankenhaus.

Wir wissen nicht, ob Implementierungsstrategien im Vergleich zu keiner Intervention einen Einfluss darauf haben, ob Patient*innen bei ihrer Aufnahme auf eine Stroke Unit eine evidenzbasierte Versorgung erhalten. Aus unserer Sicht bewirken Implementierungsstrategien wahrscheinlich keinen Unterschied in der Zahl der Patient*innen, die mit einer Thrombolyse (einer medikamentösen Auflösung von Blutgerinnseln) behandelt werden, aber wahrscheinlich eine Erhöhung der Zahl der Patient*innen, bei denen im Rahmen der Erstaufnahme ins Krankenhaus eine Screening-Untersuchung auf eine Schluckstörung durchgeführt wird. Implementierungsstrategien haben im Vergleich zu keiner Maßnahme wahrscheinlich nur eine geringe oder gar keine Auswirkung auf das Risiko, dass Patient*innen sterben oder behindert oder abhängig werden, und bewirken wahrscheinlich auch keine Veränderungen der Dauer des Krankenhausaufenthaltes. In keiner der Studien wurde über die ökonomischen Kosten oder die Kenntnisse der Gesundheitsfachpersonen berichtet.

Was schränkt die Evidenz ein?

Wir haben kein Vertrauen in die Evidenz dazu, ob Patient*innen im Rahmen ihrer Aufnahme auf eine Stroke Unit eine evidenzbasierte Versorgung erhalten, da die Personen, die die Daten erhoben, wussten, welche Patient*innen die Interventionen erhielten, die Studien sehr unterschiedliche Ergebnisse ergaben und es insgesamt nicht genügend Studien gibt, um sich der Ergebnisse sicher zu sein. Unser Vertrauen in die Evidenz zur Anzahl der Patient*innen, die mit einer Thrombolyse behandelt wurden, zur Anzahl der Patient*innen, bei denen eine Screening-Untersuchung auf eine Schluckstörung durchgeführt wurde, zum Risiko zu sterben, behindert oder abhängig zu werden, und zur Verweildauer der Patient*innen im Krankenhaus ist moderat. Wesentlicher Grund hierfür ist, dass nicht genügend Studien vorliegen, um eine sicherere Aussage zu ermöglichen.

Diese Evidenz bezieht sich nur auf die Versorgung auf Stroke Units. Da Stroke Units teuer in der Einrichtung und Unterhaltung sind, beschränkt sich die Evidenz in diesem Review auf solide finanzierte Gesundheitseinrichtungen, die über Stroke Units verfügen.

Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand von April 2022.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Wir sind uns nicht sicher, ob eine vielseitige Implementierungsintervention im Vergleich zu keiner Intervention die Einhaltung evidenzbasierter Empfehlungen in akuten Schlaganfallsituationen verbessert, da die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz sehr gering ist.

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Hintergrund: 

Es gibt eine wachsende Zahl von Forschungsergebnissen, die die akute Schlaganfallversorgung unterstützen. Die Versorgung in einer Schlaganfallstation verbessert den Zugang zu empfohlenen evidenzbasierten Therapien und die Ergebnisse für die Patientinnen und Patienten. Doch selbst in Schlaganfallstationen werden evidenzbasierte Empfehlungen von den Mitarbeitenden des Gesundheitswesens nicht einheitlich an Patientinnen und Patienten mit Schlaganfall weitergegeben. Implementierungsinterventionen (Umsetzungsmaßnahmen) sind Strategien, die darauf abzielen, die Bereitstellung von evidenzbasierter Versorgung zu verbessern.

Zielsetzungen: 

Bewertung der Auswirkungen von Implementierungsinterventionen (im Vergleich zu keiner Intervention oder einer anderen Implementierungsintervention) auf die Einhaltung evidenzbasierter Empfehlungen durch medizinisches Fachpersonal, das in akuten Schlaganfallstationen arbeitet. Sekundäre Ziele waren die Bewertung von Faktoren, die die Wirkung dieser Interventionen verändern können, und die Feststellung, ob einzelne oder vielseitige Strategien wirksamer sind, um die Einhaltung evidenzbasierter Empfehlungen zu verbessern.

Suchstrategie: 

Wir haben die Datenbanken CENTRAL, MEDLINE, Embase, CINAHL, Joanna Briggs Institute und ProQuest bis zum 13. April 2022 durchsucht. Wir durchsuchten die graue Literatur und Studienregister und überprüften die Referenzlisten aller eingeschlossenen Studien, relevanten systematischen Übersichten und Primärstudien; wir kontaktierten die entsprechenden Autorinnen bzw. Autoren der relevanten Studien und führten eine Vorwärtszitatsuche der eingeschlossenen Studien durch. Es gab keine Einschränkungen hinsichtlich der Sprache und des Veröffentlichungsdatums.

Auswahlkriterien: 

Wir haben randomisierte und cluster-randomisierte Studien einbezogen.

Bei den Teilnehmenden handelte es sich um medizinisches Fachpersonal, das Patientinnen und Patienten in akuten Schlaganfallstationen versorgte; Implementierungsinterventionen (d. h. Strategien zur Verbesserung der evidenzbasierten Versorgung) wurden mit keiner Intervention oder einer anderen Implementierungsintervention verglichen. Wir schlossen nur Studien ein, die über unser primäres Ergebnis, die Qualität der Versorgung, gemessen an der Einhaltung evidenzbasierter Empfehlungen, berichteten.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Autorinnen bzw. Autoren wählten unabhängig voneinander Studien für die Aufnahme aus, extrahierten Daten und bewerteten das Risiko der Verzerrung und die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz anhand der GRADE-Methode. Wir verglichen einzelne Implementierungsinterventionen mit keiner Intervention, vielseitige Implementierungsinterventionen mit keiner Intervention, vielseitige Implementierungsinterventionen mit einzelnen Implementierungsinterventionen und vielseitige Implementierungsinterventionen mit einer anderen vielseitigen Intervention. Unser primäres Ergebnis war die Einhaltung evidenzbasierter Empfehlungen.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen sieben cluster-randomisierte Studien mit 42.489 Patientinnen und Patienten aus 129 Krankenhäusern ein, die in Australien, dem Vereinigten Königreich, China und den Niederlanden durchgeführt wurden. Zu den Teilnehmenden aus dem Gesundheitswesen (Anzahl nicht angegeben) gehörten Pflegekräfte, Mediziner/innen und Angehörige anderer Gesundheitsberufe. Die Maßnahmen in allen Studien umfassten Implementierungsinterventionen, die sich an das Gesundheitspersonal richteten; drei Studien bezogen sich auf die Durchführungsmodalitäten, keine Studie auf die finanziellen Modalitäten oder die Führungsmodalitäten. In fünf Studien wurde eine vielseitige Implementierungsmaßnahme mit keiner Maßnahme verglichen, in zwei Studien wurde eine vielseitige Implementierungsmaßnahme mit einer anderen vielseitigen Implementierungsmaßnahme verglichen. Keine der eingeschlossenen Studien verglich eine einzelne Implementierungsintervention mit keiner Intervention oder mit einer vielseitigen Implementierungsintervention. Die Ergebnisse zur Qualität der Versorgung (Anteil der Patientinnen und Patienten, die eine evidenzbasierte Versorgung erhalten) wurden in allen eingeschlossenen Studien berücksichtigt. Alle Studien wiesen ein geringes Risiko von Selektionsbias und Reporting-Bias auf, aber ein hohes Risiko von Performance-Bias (Durchführungsverzerrung). Drei Studien wiesen ein hohes Risiko aufgrund fehlender Verblindung der Prüfer*innen oder aufgrund der angewendeten Analysen auf.

Wir sind uns nicht sicher, ob eine vielseitige Implementierungsintervention zu einer Veränderung der Befolgung evidenzbasierter Empfehlungen im Vergleich zu keiner Intervention führt (Risikoverhältnis (RR) 1,73; 95 % Konfidenzintervall (KI) 0,83 bis 3,61; 4 Studien; 76 Gruppen; 2.144 Teilnehmende, I 2 =92%, sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Betrachtet man zwei spezifische Versorgungsprozesse, so führen vielseitige Implementierungsinterventionen im Vergleich zu keiner Intervention wahrscheinlich zu einem geringen oder keinem Unterschied im Anteil der Patientinnen und Patienten mit ischämischem Schlaganfall, die eine Thrombolyse erhalten (RR 1,14; 95% KI 0,94 bis 1.37; 2 Studien; 32 Gruppen; 1.228 Teilnehmende, moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz), erhöhen aber wahrscheinlich den Anteil der Patientinnen und Patienten, die innerhalb von 24 Stunden nach der Aufnahme einen Schlucktest erhalten (RR 6,76; 95% KI 4,44 bis 10,76; 1 Studie; 19 Gruppen; 1.804 Teilnehmende; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Vielseitige Implementierungsinterventionen machen wahrscheinlich keinen oder nur einen geringen Unterschied aus bei der Verringerung des Risikos von Tod, Behinderung oder Pflegebedürftigkeit im Vergleich zu keiner Intervention (RR 0,93; 95% KI 0,85 bis 1,02; 3 Studien; 51 Gruppen; 1.228 Teilnehmende; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) und machen wahrscheinlich keinen oder nur einen geringen Unterschied aus bei der Dauer des Krankenhausaufenthalts im Vergleich zu keiner Intervention (Unterschied in der absoluten Veränderung 1,5 Tage; 95% KI -0,5 bis 3,5; 1 Studie; 19 Gruppen; 1.804 Teilnehmende; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Wir wissen nicht, ob eine vielseitige Implementierungsintervention im Vergleich zu keiner Intervention zu Veränderungen bei der Ressourcennutzung oder bei den Kenntnissen von Gesundheitsfachkräften führt, da keine der eingeschlossenen Studien diese Ergebnisse erhoben hat.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

B. Schindler, C. Braun, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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