Calcitonin-Tests zur Erkennung von medullärem Schilddrüsenkrebs bei Personen mit Schilddrüsenknoten

Fragestellung

Welchen Nutzen hat der Calcitonin-Test für die Diagnose von medullärem Schilddrüsenkrebs bei Personen mit einem Schilddrüsenknoten?

Hintergrund

Schilddrüsenknoten sind in der Allgemeinbevölkerung weit verbreitet. Bei manchen Menschen entpuppt sich dieser Knoten als medulläres Schilddrüsenkarzinom, einem seltenen Tumor der Schilddrüse. Calcitonin ist eins der Hormone, die von der Schilddrüse produziert werden. Bei einem Großteil der Patienten mit medullärem Schilddrüsenkrebs ist der Calcitoninspiegel erhöht. Daher kann er als sensitiver Tumormarker verwendet werden. In bestimmten Fällen kann die Calcitoninproduktion des Tumors in einem Stimulationstest angeregt werden, um genauer zwischen der Calcitoninproduktion durch den Tumor und durch andere Ursachen zu unterscheiden. Es besteht allerdings kein Konsens darüber, ob Calcitonin-Tests routinemäßig bei allen Personen mit Schilddrüsenknoten eingesetzt werden sollten. Wir werteten die verfügbare Literatur aus, um die Genauigkeit von Calcitonin-Tests zum Nachweis eines medullären Schilddrüsenkarzinoms bei Personen mit Schilddrüsenknoten zu ermitteln.

Studienmerkmale

Bis Juni 2018 durchsuchten wir Fachliteratur nach Evidenz und identifizierten insgesamt 16 Studien. Studien wurden berücksichtigt, wenn bei allen eingeschlossenen Personen mit Schilddrüsenknoten ein routinemäßiger Calcitonin-Test (mit oder ohne Stimulationstest) durchgeführt wurde.

Hauptergebnisse

Von den insgesamt 72.638 Personen mit Schilddrüsenknoten, die in den analysierten Studien eingeschlossen waren, hatten 187 ein medulläres Schilddrüsenkarzinom. Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass sowohl basale als auch stimulierte Calcitonin-Tests in der Lage sind, nahezu alle Menschen mit medullärem Schilddrüsenkarzinom zu identifizieren. Da das medulläre Schilddrüsenkarzinom jedoch bei Personen mit Schilddrüsenknoten sehr selten auftritt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Calcitoninwerte falsch-positiv sind (d.h. der Test die Erkrankung anzeigt, auch wenn in Wirklichkeit keine besteht).

In der Praxis bedeutet dies, dass von 10.000 Personen mit Schilddrüsenknoten 23 Personen ein medulläres Schilddrüsenkarzinom haben. Von diesen wird bei der Verwendung eines basalen Calcitonin-Schwellenwerts von 10 pg/ml niemand übersehen, während 280 Personen ein falsch-positives Testergebnis erhalten. Dies könnte zu unnötiger Schilddrüsenoperation mit der Notwendigkeit einer lebenslangen Schilddrüsenhormon-Supplementierung und einem Komplikationsrisiko führen. Durch den Einsatz eines Stimulationstests könnte die Wahrscheinlichkeit eines falsch-positiven Testergebnisses reduziert werden. Jedoch konnte dies mangels ausreichender Studien nicht berechnet werden.

Vertrauenswürdigkeit der Evidenz

Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz ist stark eingeschränkt, da fast alle Studien nicht ausreichend über die Ergebnisse der Personen mit einem negativen Calcitonin-Test berichteten. Möglicherweise wurde eine Reihe von Patienten, die an einem medullären Schilddrüsenkarzinom litten, nicht identifiziert. Da das medulläre Schilddrüsenkarzinom sehr selten auftritt, kann die diagnostische Genauigkeit deutlich beeinträchtigt sein, wenn eine kleine Anzahl an Patienten übersehen wird.

Schlussfolgerung

Auf Grundlage der verfügbaren Literatur gibt es keine ausreichende Evidenz für einen routinemäßigen Calcitonin-Test bei allen Personen mit einem Schilddrüsenknoten. Weitere Studien sind erforderlich, in denen auch über Personen, die einen negativen Calcitonin-Test haben angemessen berichtet wird, um die Rolle des Calcitonin-Tests bei Personen mit Schilddrüsenknoten zum Nachweis eines medullären Schilddrüsenkarzinoms zu ermitteln.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Sowohl basale als auch kombinierte basale und stimulierte Calcitonin-Tests weisen eine hohe Sensitivität und Spezifität auf. Dies könnte jedoch eine Überschätzung sein, da ein hohes Risiko für Bias bei der Verwendung und Wahl des Referenzstandards besteht. Aufgrund der niedrigen Prävalenz, die zu einem niedrigen PPV des basalen Calcitonin-Tests führt bleibt der Nutzen von Routinetests bei Patienten mit Schilddrüsenknoten fragwürdig. Ob ein routinemäßiger Calcitonin-Test die Prognose bei MTC-Patienten verbessert, bleibt unklar.

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Hintergrund: 

Schilddrüsenknoten kommen in der allgemeinmedizinischen Praxis sehr häufig vor, entpuppen sich aber selten als medulläres Schilddrüsenkarzinom (MTC). Calcitonin ist ein sensitiver Tumormarker für die Erkennung von MTC (basales Calcitonin). Manchmal wird ein Stimulationstest verwendet, um die Spezifität zu verbessern (stimuliertes Calcitonin). Obwohl die Leitlinie der European Thyroid Association die Calcitonin-Bestimmung bei Personen mit Schilddrüsenknoten befürwortet, ist die Rolle von routinemäßigen Calcitonin-Tests bei Personen mit Schilddrüsenknoten immer noch fraglich.

Zielsetzungen: 

Das Ziel dieses Reviews war es, die diagnostische Genauigkeit von basalem und/oder stimuliertem Calcitonin als Triage- oder Zusatztest zur Erkennung von MTC bei Personen mit Schilddrüsenknoten zu bestimmen.

Suchstrategie: 

Wir durchsuchten CENTRAL, MEDLINE, Embase und Web of Science von Beginn bis Juni 2018.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen alle retrospektiven und prospektiven Kohortenstudien ein, in denen bei allen Teilnehmern mit Schilddrüsenknoten eine Bestimmung des basalen Calcitoninspiegels (und des stimulierten Calcitonins, falls durchgeführt) unterzogen wurden.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review Autoren sichteten unabhängig voneinander alle erfassten Treffer. Wir extrahierten die Daten mit Hilfe eines Standard-Datenextraktionsformulars. Wir bewerteten das Risiko für Bias und die Anwendbarkeit mit Hilfe des QUADAS-2-Tools. Mit Hilfe des HSROC-Modells (Hierarchical Summary Receiver Operating Characteristic) schätzten wir Summenkurven über verschiedene Schwellenwerte hinweg und ermittelten, soweit möglich, auch zusammenfassende Schätzungen der Sensitivität und Spezifität bei einem gemeinsamen Schwellenwert.

Hauptergebnisse: 

In 16 Studien identifizierten wir 72.368 Teilnehmer mit nodulären Schilddrüsenknoten, bei denen routinemäßig Calcitonin-Tests durchgeführt wurden. In allen eingeschlossenen Studien wurde der Calcitonin-Test als Triage-Test durchgeführt. Die mediane Prävalenz von MTC war 0,32%. Die Sensitivität in diesen Studien lag zwischen 83% und 100% und die Spezifität zwischen 94% und 100%.

Eine wichtige Limitation bei 15 der 16 Studien (94%) war das Fehlen adäquater Referenzstandards und Folgeuntersuchungen bei Calcitonin-negativen Teilnehmern. Daraus ergab sich ein hohes Risiko für Bias in Bezug auf die Domäne „Flow and Timing“ bei der methodischen Qualitätsbewertung.

Bei einer medianen Spezifität von 96,6% in den eingeschlossenen Studien betrug die geschätzte Sensitivität (95% Konfidenzintervall (KI)) aus der Summenkurve 99,7% (68,8% bis 100%). Für die mediane Prävalenz von MTC von 0,23% lag der positive prädiktive Wert (PPV) für den basalen Calcitonin-Test bei einem Schwellenwert von 10 pg/ml bei 7,7% (4,9% bis 12,1%).

Zusammenfassende Schätzungen der Sensitivität und Spezifität für den Schwellenwert von 10 pg/mL basaler Calcitonin-Tests lagen bei 100% (95% KI 99,7 bis 100) bzw. 97,2% (95% KI 95,9 bis 98,6). Für die kombinierten basalen und stimulierten Calcitonin-Tests lag die Sensitivität zwischen 82% und 100% mit einer Spezifität zwischen 99% und 100%. Die mediane Spezifität betrug 99,8% mit einer geschätzten Sensitivität von 98,8% (95% KI 65,8 bis 100).

Anmerkungen zur Übersetzung: 

M. Davia, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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