Antithymozytenglobuline zur Vorbeugung der Graft-versus-Host-Reaktion bei Empfängern von körperfremden Stammzelltransplantationen

 

Was ist eine allogene Stammzelltransplantation und was versteht man unter einer Graft-versus-Host-Reaktion?

Bei einer allogenen Stammzelltransplantation (SZT) werden körperfremde Stammzellen von einem Spender an den Patienten (Empfänger) übertragen. Das ist eine potenziell heilende Therapieoption für eine Vielzahl von Blutkrankheiten. Allein in den USA werden seit 2015 mehr als 8.000 allogene SZTs jedes Jahr durchgeführt. Im Jahr 2016 wurden weltweit circa 29.000 allogene SZTs bei der World Bone Marrow Registry erfasst.
Auch wenn Spender und Empfänger kompatibel sind, können Spenderzellen das Gewebe des Empfängers (des „Wirts“) als fremd erkennen. Infolgedessen entwickelt sich eine Entzündung namens Graft-versus-Host-Reaktion (GvHD). 2021 berichtete das Center for International Blood and Marrow Transplant Research (CIMBTR), dass eine Wiedererkrankung die Hauptursache für Todesfälle nach einer allogenen SZT sei (50 %), gefolgt von Todesfällen aufgrund anderer Ursachen.  GvHD trägt erheblich zu den Komplikationen bei, die zu einer verminderten Lebensqualität und zum Tod der Patienten nach einer allogenen SZT führen. 

Was sind Antithymozytenglobuline?

Antithymozytenglobuline (ATG) sind Antikörper, die sich gegen bestimmte Immunzellen des Empfängers richten und diese eliminieren. 

Warum haben wir diesen Review durchgeführt?

ATG werden schon seit Jahrzehnten eingesetzt, um die Inzidenz und den Schweregrad von GvHD zu vermindern, doch die Wirksamkeit dieser Behandlungsmethode ist nach wie vor umstritten. 
Dieser systematische Review ist eine Aktualisierung eines früheren Reviews und hat das Ziel, die Vor- und Nachteile der prophylaktischen Anwendung von ATG gegen GvHD bei einer allogenen SZT zu analysieren. In diesem Kontext wollten wir die Auswirkungen dieser Behandlungsmethode bestimmen.

Wie gingen wir vor? 

Wir suchten nach randomisierten kontrollierten Studien, in denen ATG mit Placebo in Bezug auf folgende Endpunkte verglichen wurde: Gesamtüberleben, Inzidenz und Schweregrad der akuten und chronischen GvHD, Rückfallrate, rückfallfreie Sterblichkeit, Transplantatversagen, unerwünschte Ereignisse, Infektionen und Lebensqualität.
Wir verglichen die Studienergebnisse, fassten sie mittels statistischer Methoden zusammen und bewerteten die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz anhand von Faktoren wie Studienmethodik und Studiengröße.

Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand vom 18. November 2022.

Was fanden wir heraus?

Zehn randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 1.413 Patienten wurden in diesen Review eingeschlossen.
Die Studien wurden weltweit in unterschiedlichen Studienzentren durchgeführt, wobei 263 Patienten an der größten Studie und 43 an der kleinsten Studie teilnahmen. Vier Studien mit insgesamt 465 Patienten wurden in Europa durchgeführt, zwei Studien mit einer Gesamtzahl von 450 Patienten wurden in Nordamerika, Australien und Kanada durchgeführt. In vier Studien wurden insgesamt 498 chinesische Patienten untersucht. Drei davon fanden jeweils in einem Studienzentrum statt und die vierte Studie umfasste 23 Studienzentren in ganz China.

Was sind die Ergebnisse? 

Unsere Analysen zeigten, dass das Gesamtüberleben von Patienten, die eine allogene SZT erhalten, wahrscheinlich wenig oder gar nicht von der prophylaktischen Anwendung von ATG beeinflusst wird. 

Eine ATG-Prophylaxe führt zu einer Verminderung der Häufigkeit und des Schweregrades einer akuten und chronischen GvHD.  
Das Risiko für eine Wiedererkrankung nach der Transplantation ist wahrscheinlich durch die ATG-Prophylaxe leicht erhöht, während sie die Wahrscheinlichkeit, an anderen Ursachen zu sterben, nur wenig oder gar nicht beeinflusst.
Die Intervention hat wahrscheinlich keine Auswirkung auf das Transplantatversagen. 
Über die Auswirkung einer ATG-Prophylaxe auf unerwünschte Ereignisse nach einer SZT wurde deskriptiv berichtet. 

Was schränkt die Evidenz ein?

Wir haben moderates Vertrauen in das Ergebnis, dass ATG nur eine geringe oder gar keine Auswirkung auf das Gesamtüberleben hat. Wir haben hohes Vertrauen in das Ergebnis, dass ATG das Risiko einer akuten oder chronischen GvHD mindert. Wir haben moderates Vertrauen in das Ergebnis, dass ATG wahrscheinlich die Inzidenz der Wiedererkrankung leicht erhöht und die rückfallfreie Sterblichkeit nicht beeinflusst. Die Anwendung von ATG hat wahrscheinlich keine Auswirkung auf das Transplantatversagen, unser Vertrauen in dieses Ergebnis ist allerdings niedrig. Die genannten Einschränkungen der Vertrauenswürdigkeit der Evidenz beruhen auf schwerwiegender oder sehr schwerwiegender Ungenauigkeit (unzureichende Präzision).

Wir haben moderates Vertrauen in unsere Analyse der unerwünschten Ereignisse, obwohl wir sie aufgrund der Heterogenität der berichteten Endpunkte auf eine beschreibende Weise geliefert haben.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

Universität Heidelberg, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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