Hebammengeleitete Kontinuitätsmodelle im Vergleich zu anderen Versorgungsmodellen für Frauen während der Schwangerschaft, der Geburt und der ersten Zeit der Elternschaft

Fragestellung

Es gibt verschiedene Arten, um nach der Gesundheit und dem Wohlbefinden von Frauen und deren Babys während einer Schwangerschaft, der Geburt und danach zu schauen – diese heißen ‘Versorgungsmodelle’. Manchmal ist ein Frauenarzt (Geburtshelfer) oder ein anderer Arzt der leitende Gesundheitsdienstleister, manchmal ist es die Hebamme. Manchmal ist die Verantwortung zwischen Frauenarzt und Hebamme aufgeteilt. Eines dieser Modelle heißt ‘hebammengeleitete, kontinuierliche Betreuung’. In diesem Modell ist die Hebamme die leitende Gesundheitsdienstleisterin, beginnend mit der ersten Kontaktaufnahme für eine Terminabsprache bis einschließlich den ersten Tagen als Eltern. Wir wollten herausfinden, ob es Frauen und Babys mit der hebammengeleiteten, kontinuierlichen Betreuung besser geht im Vergleich zu anderen Modellen.

Bedeutung

Hebammengeleitete, kontinuierliche Betreuung bietet Betreuung von der gleichen Hebamme oder einem Team von Hebammen während der Schwangerschaft, der Geburt und der frühen Elternzeit an und viele Frauen schätzen diese Unterstützung. Die zuständigen Hebammen ziehen, wenn nötig, andere Anbieter von Versorgungsleistungen hinzu. Frauenarztgeleitete oder Hausarztgeleitete Modelle können normalerweise nicht durchgehend die gleiche/n Hebamme/n anbieten. Wir müssen wissen, ob die hebammengeleitete, kontinuierliche Betreuung sicher ist und ob es Nutzen für Mütter und Babys bringt.

Welche Evidenz haben wir gefunden?

Wir haben 15 Studien mit 17.674 Müttern und Babys gefunden (Tag der Suche 25. Januar 2016). Wir haben Frauen mit geringem Risiko für Komplikationen und auch Frauen mit erhöhtem Risiko, aber ohne derzeitige Probleme eingeschlossen. Alle Studien schlossen professionell qualifizierte Hebammen ein und keine der Studien beinhaltete Versorgungsmodelle, welche Hausgeburten angeboten haben. Wir haben verlässliche Methoden benutzt, um die Qualität der Evidenz zu bewerten und haben sieben Hauptendpunkte angeschaut: Frühgeburtlichkeit (Geburt vor der 37. Schwangerschaftswoche), das Risiko, das Kind in der Schwangerschaft oder im ersten Monat nach der Geburt zu verlieren, spontane, vaginale Geburten (wenn die Geburt nicht eingeleitet wurde und wenn die Geburt nicht mittels einer Zange erfolgte), Kaiserschnitt, instrumentelle Geburt (Geburt, bei der eine Zange oder Saugglocke benutzt wird), ob der Damm intakt geblieben ist und ob Regionalanästhesie benutzt wurde (wie z.B. Epiduralanästhesie).

Die wesentlichen Nutzen waren, dass Frauen, die in hebammengeleiteter, kontinuierlicher Betreuung versorgt wurden, weniger häufig eine Epiduralanästhesie erhielten. Zusätzlich hatten Frauen weniger häufig Dammschnitte oder instrumentelle Geburten. Die Chancen von Frauen auf eine spontane, vaginale Geburt waren auch erhöht und es gab keinen Unterschied in der Anzahl von Kaiserschnitten. Frauen erlebten weniger häufig Frühgeburten und hatten ein geringeres Risiko ihre Kinder zu verlieren. Zusätzlich erhöhte sich die Chance für die Frauen, während der Geburt von ihnen bekannten Hebammen betreut zu werden. Der Review konnte keine unerwünschten Wirkungen im Vergleich mit anderen Modellen feststellen.

Die Studien trugen genügen Evidenz von hoher Qualität zu jedem Hauptendpunkt bei, um uns verlässliche Ergebnisse für jeden einzelnen zu liefern. Wir können einigermaßen zuversichtlich sein, dass wir in zukünftigen Studien ähnliche Ergebnisse für diese Endpunkte finden.

Was bedeutet das?

Den meisten Frauen sollte ‘hebammengeleitete, kontinuierliche Betreuung’ angeboten werden. Sie bietet Nutzen für Frauen und Babys und wir haben keine unerwünschten Wirkungen festgestellt. Jedoch können wir nicht annehmen, dass das ebenso für Frauen gilt, die schwerwiegende Schwangerschafts- oder Gesundheitskomplikationen aufweisen, da diese nicht in die untersuchte Evidenz miteingeschlossen waren.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Dieser Review kommt zu der Empfehlung, dass Frauen, die in Modellen der hebammengeleiteten, kontinuierlichen Versorgung betreut wurden, weniger häufig Interventionen erhielten und häufiger zufriedener mit der Betreuung waren, mit mindestens vergleichbaren nachteiligen mütterlichen und kindlichen Endpunkten, im Vergleich zu denen, die in anderen Versorgungsmodellen betreut wurden.

Weitere Forschung ist nötig, um die Ergebnisse in Bezug auf geringere Frühgeburtlichkeit und geringere fetale Todesfälle bei weniger als 24. SSW sowie alle fetalen Verluste/neonatale Todesfälle zu untersuchen, die mit der Betreuung in Modellen hebammengeleiteter, kontinuierlicher Versorgung in Verbindung gebracht werden.

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Hintergrund: 

Hebammen sind weltweit die primären Anbieter von Versorgungsleistungen für Frauen rund um die Geburt. Es gibt jedoch einen Mangel an zusammengefassten Informationen, um festzulegen, ob es Unterschiede in Morbidität und Sterblichkeit, ebenso in der Alltagswirksamkeit und psychosozialen Endpunkten zwischen Modellen von hebammengeleiteter, kontinuierlicher Betreuung und anderen Versorgungsmodellen gibt.

Zielsetzungen: 

Modelle hebammengeleiteter, kontinuierlicher Betreuung mit anderen Modellen für Frauen rund um die Geburt und deren Kinder zu vergleichen.

Suchstrategie: 

Wir suchten im Cochrane Pregnancy and Childbirth Group’s Trials Register (Stand 25. Januar 2016) und in Referenzlisten der identifizierten Studien.

Auswahlkriterien: 

Alle publizierten und nicht publizierten Studien, in welchen schwangere Frauen mittels Randomisierung entweder in Modelle der hebammengeleiteten, kontinuierlichen Betreuung oder anderen Versorgungsmodellen während der Schwangerschaft und Geburt zugeteilt wurden.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autoren beurteilten unabhängig voneinander die Studien auf Einschluss und das Risiko für Bias, extrahierten die Daten und prüften sie auf Genauigkeit. Die Qualität der Evidenz wurde mithilfe des GRADE Ansatzes bewertet.

Hauptergebnisse: 

Wir haben 15 Studien eingeschlossen, an denen insgesamt 17.674 Frauen beteiligt waren. Wir bewerteten die Qualität der Evidenz für alle primären Endpunkte, zum Beispiel Regionalanästhesie (epidural oder spinal), Kaiserschnittgeburten, instrumentelle vaginale Entbindungen (Forzeps/Vakuumextraktion), Spontangeburten, intakter Damm, Frühgeburt (weniger als 37 Wochen) und alle fetalen Verluste vor und nach der 24. Schwangerschaftswoche (SSW) und neonatale Todesfälle) bewerteten wir die Qualität der Evidenz aus den Studien mithilfe des GRADE Ansatzes : die Qualität für alle primären Endpunkte wurde als hoch eingestuft.

Frauen, die in Modellen der hebammengeleiteten, kontinuierlichen Betreuung versorgt wurden, erhielten in Bezug auf die primären Endpunkte weniger häufig eine Regionalanästhesie (mittleres relatives Risiko (RR) 0,85, 95% Konfidenzintervall (KI) 0,78 bis 0,92; n = 17.674; Studien = 14; hohe Qualität der Evidenz), instrumentelle vaginale Entbindung (mittleres RR 0,90, 95% KI 0,83 bis 0,97; n = 17.501; Studien = 13; hohe Qualität), Frühgeburt vor der 37. SSW (mittleres RR 0,76, 95% KI 0,64 bis 0,91; n = 13.238; Studien = acht; hohe Qualität der Evidenz) und weniger fetale Verluste vor und nach der 24. SSW und neonatale Todesfälle (mittleres RR 0,84, 95% KI 0,71 bis 0,99; n = 17.561; Studien = 13; hohe Qualität der Evidenz). Frauen, die in Modellen der hebammengeleiteten, kontinuierlichen Versorgung betreut wurden, hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit eine Spontangeburt zu erleben (mittleres RR 1,05, 95% KI 1,03 bis 1,07; n = 16.687; Studien = 12; hohe Qualität der Evidenz). Es gab keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen in Bezug auf Kaiserschnitt-Raten oder intaktem Perineum.

Bei den sekundären Endpunkten hatten Frauen, die in Modellen der hebammengeleiteten, kontinuierlichen Versorgung betreut wurden, eine geringere Wahrscheinlichkeit eine Amniotomie zu erhalten (mittleres RR 0,80, 95% KI 0,66 bis 0,98; n = 3.253; Studien = vier), eine Episiotomie (mittleres RR 0,84, 95% KI 0,77 bis 0,92; n = 17.674; Studien = 14) und einen fetalen Verlust vor der 24. SSW oder neonatalen Todesfall zu erfahren (mittleres RR 0,81, 95% KI 0,67 bis 0,98; n = 15.645; Studien = 11). Frauen, die in Modellen der hebammengeleiteten, kontinuierlichen Versorgung betreut wurden, hatten eine geringere Wahrscheinlichkeit Analgesien/Anästhesien zu erhalten (mittleres RR 1,21, 95% KI 1,06 bis 1,37; n = 10.499; Studien = sieben), hatten im Durchschnitt eine geringere Geburtsdauer (in Stunden) (Mittelwertdifferenz (MD) 0,50, 95% KI 0,27 bis 0,74; n = 3.328; Studien = drei) und eine höhere Wahrscheinlichkeit während der Geburt durch eine ihnen bekannte Hebamme betreut zu werden (mittleres RR 7,04, 95% KI 4,48 bis 11,08; n = 6.917; Studien = sieben). Es gab keine Unterschiede zwischen den Gruppen in Bezug auf fetale Verluste bis oder nach der 24. SSW und neonatale Todesfälle, ebenso wie bei der Geburtseinleitung, einem klinischen Aufenthalt während der Schwangerschaft, Blutungen während der Schwangerschaft, protrahiertem Geburtsverlauf/Oxytozingabe während der Geburt, Opiatgabe, Dammrisse, die genäht werden müssen, postpartale Blutungen, Beginn der Stillbeziehung/erstem Anlegen, Kinder mit niedrigem Geburtsgewicht, fünf-Minuten-Apgar Wert von sieben oder weniger, neonatale Krampfanfälle/Konvulsionen, Aufnahme des Kindes in eine spezielle Versorgungseinrichtung oder eine neonatale Intensivstation oder im Mittel einen längeren (in Tagen) Aufenthalt in einer Neugeborenenstation.

Aufgrund eines Mangels an Konsistenz bei der Erhebung der Zufriedenheit der Frauen und der Untersuchung der Kosten der verschiedenen Modelle mütterlicher Versorgung, wurden diese Endpunkte narrativ berichtet. Die Mehrheit der eingeschlossenen Studien berichtete von einer höheren Rate mütterlicher Zufriedenheit in der Versorgung in hebammengeleiteten, kontinuierlichen Modellen. Ebenso gab es einen Trend in Richtung eines Kosteneinsparungseffekts bei Modellen der hebammengeleiteten, kontinuierlichen Versorgung im Vergleich zu anderen Versorgungsmodellen.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

M. Michel-Schuldt, S. Schmidt-Wussow, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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