Thrombozytenaggregationshemmer und Antikoagulanzien bei Bluthochdruck (Hypertonie)

Fragestellung

Anhand der aktuellen Literatur wurde untersucht, ob Thrombozytenaggregationshemmer im Vergleich zu Placebo oder einer anderen aktiven Behandlung die Gesamtzahl der Todesfälle und/oder der schweren thrombotischen Ereignisse bei Personen mit Bluthochdruck verringern. Außerdem wurde untersucht, ob orale Antikoagulanzien im Vergleich zu Placebo oder einer anderen aktiven Behandlung die Gesamtzahl der Todesfälle und/oder der schweren thrombotischen Ereignisse bei Personen mit Bluthochdruck verringern.

Hintergrund

Die Folgeerkrankungen eines hohen Blutdrucks (koronare Herzkrankheit, ischämischer Schlaganfall und periphere Gefäßerkrankungen) hängen mit Thrombosen zusammen.

In diesem Review wird die mögliche positive Auswirkung einer antithrombotischen oder plättchenhemmenden Therapie in der Primärprävention zur Reduzierung der Gesamtmortalität und/oder von schweren thrombotischen Ereignisse bei Personen mit Bluthochdruck untersucht. Darüber hinaus wird die mögliche positive Auswirkung einer antithrombotischen oder plättchenhemmenden Therapie in der Sekundärprävention zur Reduzierung der Gesamtmortalität und/oder von schweren thrombotischen Ereignisse bei Personen mit Bluthochdruck untersucht.

Datum der Literatursuche

Diese Aktualisierung ist auf dem Stand von Januar 2021.

Studienmerkmale

Für diesen Review wurden sechs Studien mit insgesamt 61.015 Personen berücksichtigt. Vier Studien betrafen die Primärprävention (41.695 Personen; HOT, JPAD, JPPP und TPT) und zwei die Sekundärprävention (19.320 Personen; CAPRIE and Huynh). Vier Studien waren placebokontrolliert (HOT, JPAD, JPPP und TPT) und zwei setzten aktive Vergleichspräparate ein. CAPRIE 1996 schloss Personen aus 16 europäischen Ländern und den USA ein, die vor kurzem einen ischämischen Schlaganfall, einen Herzinfarkt oder eine symptomatische arterielle Verschlusskrankheit erlitten hatten. Das Durchschnittsalter betrug 62,5 Jahre. 72 % der Patienten waren männlich und 95 % hellhäutig. HOT 1998 schloss Personen mit Bluthochdruck im Alter zwischen 50 und 80 Jahren (Durchschnittsalter: 61,5 Jahre) aus 26 Ländern ein. Die Studie TPT 1998 umfasste Männer mit einem hohen Risiko für ischämische Herzerkrankungen und einem Alter zwischen 45 und 69 Jahren (Durchschnittsalter: 57,5 Jahre) aus 108 Arztpraxen in Großbritannien. Die Studie Huynh 2001 schloss Personen mit einem durchschnittlichen Alter von 67 Jahren ein. Diese litten unter instabiler Angina oder einem Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI), hatten bereits einen Koronararterienbypass und waren für eine Revaskularisation ungeeignet. JPAD 2012 schloss Typ-2-Diabetiker*innen aus Japan ein mit einem Durchschnittsalter von 65 Jahren; 55 % waren Männer. Die Studie JPPP 2019 schloss Personen mit atherosklerotischen Risikofaktoren (Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder Fettstoffwechselstörung) ein. Das Durchschnittsalter der Personen betrug 70 Jahre und 42 % waren Männer.

Hauptergebnisse

Eine plättchenhemende Therapie mit Acetylsalicylsäure (ASS; auch bekannt unter dem Namen Aspirin) zur Primärprävention bei Personen mit Bluthochdruck hatte keine Auswirkung auf die Sterblichkeit und erhöhte das Risiko für schwere Blutungen.

Eine plättchenhemmende Therapie mit Aspirin reduzierte im Vergleich zu Clopidogrel das Risiko für nicht-tödliche kardiovaskuläre Ereignisse. Clopidogrel erhöhte im Vergleich zu Aspirin das Risiko für schwere Blutungen bei Personen mit Bluthochdruck in der Sekundärprävention.

Es gibt keine Evidenz dafür, dass Warfarin die Sterblichkeit bei Personen mit Bluthochdruck in der Sekundärprävention veränderte.

Ticlopidin, Clopidogrel und neuere Thrombozytenaggregationshemmer (wie z. B. Prasugrel und Ticagrelor) sind bei Personen mit Bluthochdruck bisher nicht ausreichend untersucht worden. Der Einsatz anderer, neuer direkter oraler Gerinnungshemmer (z. B. Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban oder Edoxaban) ist bisher nicht bei Personen mit Bluthochdruck untersucht worden.

Vertrauenswürdigkeit der Evidenz

Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz ist für die meisten Ergebnisse niedrig. Das hohe Risiko für Bias beruht auf unvollständigen Ergebnisdaten und selektiver Berichterstattung in zwei Studien (Huynh und JPPP).

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Es gab keine Evidenz dafür, dass eine plättchenhemmende Therapie zur Primärprävention Einfluss auf die Mortalität von Personen mit Bluthochdruck hat. ASS verringerte das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und erhöhte das Risiko für schwere Blutungen.

Im Vergleich zu Clopidogrel verringert eine Therapie mit ASS wahrscheinlich das Risiko für nicht-tödliche kardiovaskuläre Ereignisse sowie für alle kardiovaskulären Ereignisse. Im Vergleich zu ASS erhöht Clopidogrel das Risiko für schwere Blutungen bei Personen mit Bluthochdruck in der Sekundärprävention.

Es gab keine Evidenz dafür, dass Warfarin die Mortalität bei Patienten mit Bluthochdruck in der Sekundärprävention beeinflusst.

Die Vor- und Nachteile der neueren Wirkstoffe Glykoprotein-IIb/IIIa-Hemmer, Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor und direkte orale Antikoagulanzien (DOAKs) bei Bluthochdruck wurden in klinischen Studien bisher nicht untersucht.

Für Personen mit Bluthochdruck sind weitere RCTs zur antithrombotischen Therapie, einschließlich neuerer Wirkstoffe, und eine vollständige Dokumentation aller Vor- und Nachteile erforderlich.

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Hintergrund: 

Die am häufigsten auftretenden Komplikationen bei Bluthochdruck, wie koronare Herzkrankheit, ischämischer Schlaganfall und periphere Gefäßerkrankungen, sind eher auf Thrombosen als auf Hämorrhagie zurückzuführen. Daher sollte untersucht werden, ob eine antithrombotische Therapie zur Prävention thrombosebedingter Komplikationen bei Patient*innen mit Bluthochdruck beitragen kann.

Zielsetzungen: 

Durchführung eines systematischen Reviews zur Bedeutung einer plättchenhemmenden Therapie und Antikoagulation bei Patient*innen mit Bluthochdruck, einschließlich Erhöhung des systolischen und/oder diastolischen Blutdrucks.

Beurteilung der Wirkung von Thrombozytenaggregationshemmern auf die Gesamtzahl an Todesfällen und/oder schwerwiegenden thrombotischen Ereignissen im Vergleich zu Placebo oder einer anderen aktiven Behandlung.

Beurteilung der Wirkung von oralen Antikoagulanzien auf die Gesamtzahl an Todesfällen und/oder schwerwiegenden thrombotischen Ereignissen im Vergleich zu Placebo oder einer anderen aktiven Behandlung.

Suchstrategie: 

Der Cochrane Hypertonie-Informationsspezialist durchsuchte bis Januar 2021 die folgenden Datenbanken nach randomisierten kontrollierten Studien (RCTs): das Cochrane Hypertension Specialised Register, das Cochrane Central Register of Controlled Trials (CENTRAL; 2020, Ausgabe 12), Ovid MEDLINE (ab 1946), und Ovid Embase (ab 1974). Die World Health Organization International Clinical Trials Registry Platform und das US-National Institutes of Health Studienregister (ClinicalTrial.gov) wurden nach laufenden Studien durchsucht.

Auswahlkriterien: 

Es wurden RCTs mit Personen mit Bluthochdruck berücksichtigt, wenn ihre Studiendauer länger als drei Monate war und eine antithrombotische Therapie mit einer Kontrollgruppe oder einer anderen aktiven Behandlung verglichen wurde.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autor*innen extrahierten unabhängig voneinander Daten für die vorab festgelegten Endpunkte und beurteilten das Bias-Risiko. Sie beurteilten Risiken und Nutzen von Thrombozytenaggregationshemmern und Antikoagulanzien, indem sie die Odds Ratios (OR) mit 95 % Konfidenzintervallen (KI) berechneten. Sie beurteilten die Risiken für Bias und wandten die GRADE-Kriterien an.

Hauptergebnisse: 

Sechs Studien (61.015 Personen) erfüllten die Einschlusskriterien und wurden somit in den Review aufgenommen.

Vier dieser Studien dienten der Primärprävention (41.695 Personen; HOT, JPAD, JPPP und TPT) und die anderen zwei Studien der Sekundärprävention (19.320 Personen, CAPRIE und Huynh). Vier Studien (HOT, JPAD, JPPP und TPT) waren placebokontrolliert und zwei Studien (CAPRIE und Huynh) untersuchten aktive Vergleichspräparate.

In vier Studien wurde Acetylsalicylsäure (ASS) mit einem Placebo verglichen, wobei kein Unterschied hinsichtlich der Gesamtmortalität festgestellt wurde (OR 0,97; 95 % KI 0,87 bis 1,08; 3 Studien, 35.794 Teilnehmende; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Es konnte kein Unterschied für die kardiovaskuläre Mortalität nachgewiesen werden (OR 0,98; 95 % KI 0,82 bis 1,17; 3 Studien, 35.794 Teilnehmende; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). ASS senkte das Risiko für nicht-tödliche kardiovaskuläre Ereignisse (OR 0,63; 95 % KI 0,45 bis 0,87; 1 Studie, fehlende Daten in 3 Studien, 2.540 Teilnehmende; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) und das Risiko für alle kardiovaskulären Ereignisse (OR 0,86; 95 % KI 0,77 bis 0,96; 3 Studien, 35.794 Teilnehmende, niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). ASS erhöhte das Risiko für schwere Blutungen (OR 1,77; 95 % KI 1,34 bis 2,32; 2 Studien, 21.330 Teilnehmende; hohe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Eine Studie (CAPRIE; ASS versus Clopidogrel) schloss Personen ein, die mit Hypertonie diagnostiziert wurden (Durchschnittsalter 62,5 Jahre, 72 % Männer, 95 % hellhäutig, durchschnittliche Nachbeobachtungszeit: 1,91 Jahre). Es konnte kein Unterschied bei der Gesamtmortalität (OR 1,02; 95 % KI 0,91 bis 1,15; 1 Studie, 19.143 Teilnehmende; hohe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) und bei der kardiovaskulären Mortalität (OR 1,08; 95 % KI 0,94 bis 1,26; 1 Studie, 19.143 Teilnehmende; hohe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) nachgewiesen werden. Im Vergleich zu Clopidogrel verringerte ASS wahrscheinlich das Risiko für nicht-tödliche kardiovaskuläre Ereignisse (OR 1,10; 95 % KI 1,00 bis 1,22; 1 Studie, 19.143 Teilnehmende; hohe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) und das Risiko für alle kardiovaskulären Ereignisse (OR 1,08; 95 % KI 1,00 bis 1,17; 1 Studie, 19.143 Teilnehmende; hohe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Im Vergleich zu ASS erhöhte Clopidogrel das Risiko für schwere Blutungen (OR 1,35; 95 % KI 1,14 bis 1,61; 1 Studie, 19.143 Teilnehmende; hohe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Eine Studie (Huynh; ASS versus Warfarin) schloss Patienten ein, die unter instabiler Angina pectoris oder einem Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) litten und einen Koronararterienbypass (CABG) hatten (Durchschnittsalter 68 Jahre, 79,8 % Männer, durchschnittliche Nachbeobachtungszeit: 1,1 Jahre). Es konnte kein Unterschied bei der Gesamtmortalität nachgewiesen werden (OR 0,98; 95 % KI 0,06 bis 16,12; 1 Studie, 91 Teilnehmende; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Kardiovaskuläre Mortalität, nicht-tödliche kardiovaskuläre Ereignisse und die Gesamtanzahl der kardiovaskulären Ereignisse wurden nicht erfasst. Es konnte kein Unterschied bei schweren Blutungen nachgewiesen werden (OR 0,13; 95 % KI 0,01 bis 2,60; 1 Studie, 91 Teilnehmende; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Anmerkungen zur Übersetzung: 

Universität Heidelberg, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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