Einnahme von Omega-3-Fettsäuren bei kardiovaskulären Erkrankungen

Fragestellung

Wir fassten randomisierte Studien (in denen Teilnehmer mit der gleichen Wahrscheinlichkeit zu jeder Behandlung zugewiesen werden) zusammen, welche die Auswirkungen einer erhöhten Einnahme von pflanzlichen oder aus Fisch gewonnenen Omega-3-Fettsäuren auf Herzkreislauferkrankungen (sogenannte kardiovaskuläre Erkrankungen, einschließlich Herzinfarkte und Schlaganfall), Fettleibigkeit und Blutfette (Lipide, einschließlich Cholesterin, Triglyceride, High-Density-Lipoprotein (HDL - ‚gutes‘ Cholesterin) und Low-Density-Lipoprotein (LDL - ‚schlechtes‘ Cholesterin)) untersuchten.

Hintergrund

Die wichtigsten Arten an Omega-3-Fettsäuren sind Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure, beide aus Fisch, und die pflanzliche α-Linolensäure. Viele Menschen glauben, dass die Einnahme von Omega-3-Nahrungsergänzungsmitteln das Risiko von Herzkrankheiten, Schlaganfall und Tod vermindert.

Studienmerkmale

Die Evidenz ist auf dem Stand von Februar 2019. Der Review schloss 86 Studien mit 162.796 Menschen ein. Diese Studien untersuchten Auswirkungen von erhöhter Omega-3-Einnahme gegenüber verringerter Omega-3-Einnahme über mindestens ein Jahr hinweg auf Herzkreislauferkrankungen. Achtundzwanzig Studien waren sehr vertrauenswürdig (gut gestaltet, sodass keine verzerrten Ergebnisse aufkommen). Die Teilnehmer waren Erwachsene, einige mit bestehender Krankheit und einige gesund, die in Nordamerika, Europa, Australien und Asien lebten. In den meisten Studien mit Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure erhielten die Teilnehmer Kapseln, in wenigen Studien fettreichen Fisch.

Hauptergebnisse

Erhöhte Einnahme von Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure hat eine kleine oder keine Auswirkung auf Todesfälle und kardiovaskuläre Ereignisse (Evidenz von hoher Vertrauenswürdigkeit) und macht wahrscheinlich keinen Unterschied auf Todesfälle durch kardiovaskuläre Ereignisse, Schlaganfall oder Herzrhythmusstörungen (Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit). Allerdings könnte eine erhöhte Einnahme von Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure das Risiko von Todesfällen oder Ereignissen durch koronare Herzkrankheit verringern (Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit, koronare Ereignisse sind Erkrankungen der Herzkranzgefäße). Um einem koronaren Ereignis bei einer Person vorzubeugen, müssten 167 Menschen ihre Einnahme von Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure erhöhen, und 334 Menschen müssten ihre Einnahme von Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure erhöhen, um dem Tod einer Person an koronarer Herzkrankheit vorzubeugen. Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure vermindern Triglyceride um ungefähr 15 %, haben aber keine Auswirkung auf Fettleibigkeit oder andere Lipide (Evidenz von hoher Vertrauenswürdigkeit).

Mehr α-Linolensäure zu essen (zum Beispiel durch mehr Walnüsse oder angereicherte Margarine) macht wahrscheinlich einen kleinen oder keinen Unterschied auf Todesfälle jeglicher Art, kardiovaskuläre oder koronare Sterblichkeit oder koronare Ereignisse aus. Allerdings führt es wahrscheinlich zu leichter Verminderung kardiovaskulärer Ereignisse und Herzrhythmusstörungen (Evidenz von moderater oder niedriger Vertrauenswürdigkeit). Um einem koronaren Ereignis bei einer Person vorzubeugen, müssten 500 Menschen ihre α-Linolensäure-Einnahme erhöhen und 91 Menschen, um Herzrhythmusstörungen bei einer Person vorzubeugen.

Es gibt wenig Evidenz bezüglich der Auswirkungen von Fischverzehr. Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure reduzieren Triglyceride. Eicosapentaensäure, Docosahexaensäure und α-Linolensäure könnten etwas vor einigen Herzkreislauferkrankungen schützen.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Dies ist die bisher umfangreichste systematische Bewertung der Effekte von n-3-Fettsäuren auf die kardiovaskuläre Gesundheit. Evidenz von niedriger bis moderater Vertrauenswürdigkeit zeigt, dass eine erhöhte LCn3-Aufnahme das Mortalitätsrisiko und das Risiko für koronare Herzkrankheiten leicht vermindern kann sowie die Triglyzeridlevel senkt (Evidenz größtenteils aus Supplementierungsstudien). Die erhöhte Aufnahme von ALA senkt das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Arrhythmie geringfügig.

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Hintergrund: 

n-3-Fettsäuren sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren aus fettreichem Fisch (langkettige n-3-Fettsäuren [LCn3]), wie Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA), oder aus Pflanzen (α-Linolensäure (ALA)). Diese könnten der kardiovaskulären Gesundheit zugutekommen. In Leitlinien wird empfohlen, den Konsum von n-3-Fettsäure-reichen Lebensmitteln zu erhöhen, einige Leitlinien empfehlen sogar n-3-Fettsäuresupplemente. Allerdings konnten gesundheitliche Vorteile in neusten Studien nicht bestätigt werden.

Zielsetzungen: 

Die Bewertung der Effekte einer erhöhten Aufnahme von Fisch und pflanzenbasierten n-3-Fettsäuren auf die Gesamtmortalität, kardiovaskuläre Ereignisse, Adipositas und Blutfettwerte.

Suchstrategie: 

Wir durchsuchten CENTRAL, MEDLINE und Embase bis Februar 2019, zudem ClinicalTrials.gov und das International Clinical Trials Registry der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis August 2019 ohne Spracheinschränkungen. Die Referenzen systematischer Reviews und Bibliographien wurden manuell durchsucht, außerdem kontaktierten wir Studienautoren.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) ein, welche mindestens 12 Monate dauerten und verglichen so Supplemente, angereicherte Lebensmittel oder Ernährungsberatung mit dem Ziel einer erhöhten Aufnahme von LCn3 oder ALA, oder beidem, gegenüber einer üblichen oder geringeren Aufnahme.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autoren begutachteten die Studien unabhängig voneinander bezüglich der Einschlusskriterien, extrahierten Daten und bewerteten die Validität. Wir erstellten jeweils eine separate Random-Effects-Metaanalyse für ALA- und LCn3-Interventionen und bewerteten die Dosis-Wirkungsbeziehungen durch eine Metaregression.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen 86 RCTs (162.796 Teilnehmer) in diese Review-Aktualisierung ein, von denen 28 ein niedriges Gesamtrisiko für Bias hatten. Die Studien dauerten 12-88 Monate und Teilnehmer waren Erwachsene mit unterschiedlichen kardiovaskulären Risiken, die größtenteils aus Ländern mit hohem Einkommen stammten. Die meisten Studien bewerteten LCn3-Supplemente, einige verwendeten allerdings auch LCn3- oder ALA-reiche oder -angereicherte Lebensmittel oder Ernährungsberatung. Diese Interventionen wurden mit Placebo oder der üblichen Ernährungsweise verglichen. Die Dosis von LCn3 reichte von 0,5 g/Tag bis zu mehr als 5 g/Tag (19 RCTs verabreichten mindestens 3 g LCn3 täglich).

Metaanalysen und Sensitivitätsanalysen zeigten kleine oder keine Effekte von erhöhtem LCn3 auf Gesamtmortalität (relatives Risiko [RR] 0,97, 95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,93 bis 1,01; 143.693 Teilnehmer; 11.297 Todesfälle in 45 RCTs; Evidenz von hoher Vertrauenswürdigkeit), kardiovaskuläre Mortalität (RR 0,92, 95 %-KI 0,86 bis 0,99; 117.837 Teilnehmer; 5658 Todesfälle in 29 RCTs; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit), kardiovaskuläre Ereignisse (RR 0,96, 95 %-KI 0,92 bis 1,01; 140.482 Teilnehmer; 17.619 Ereignisse in 43 RCTs; Evidenz von hoher Vertrauenswürdigkeit), Schlaganfall (RR 1,02, 95 %-KI 0,94 bis 1,12; 138.888 Teilnehmer; 2850 Schlaganfälle in 31 RCTs; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit) oder Arrhythmie (RR 0,99, 95 %-KI 0,92 bis 1,06; 77.990 Teilnehmer; 4586 Ereignisse in 30 RCTs; Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit). Erhöhte Einnahme von LCn3 könnte zu einer leichten Verminderungen der Mortalität durch koronare Herzkrankheiten (Anzahl der für die Behandlung erforderlichen Patienten für einen zusätzlichen Nutzen [NNTB] 334, RR 0,90, 95-% KI 0,81 bis 1,00; 127.378 Teilnehmer; 3598 Todesfälle durch koronare Herzkrankheiten in 24 RCTs, Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit) und Ereignisse koronarer Herzkrankheiten (NNTB 167, RR 0,91, 95 %-KI 0,85 bis 0,97; 134.116 Teilnehmer; 8.791 Ereignisse in 32 RCTs, Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit) führen. Insgesamt gab es keine Unterschiede bezüglich Studiendauer oder LCn3-Dosierungen in a priori definierten Subgruppenanalysen sowie Metaregression. Es gibt wenig Evidenz bezüglich der Effekte von Fischverzehr.

Erhöhte ALA-Einnahme führt wahrscheinlich zu einem kleinen oder keinem Effekt der Gesamtmortalität (RR 1,01, 95 %-KI 0,84 bis 1,20; 19.327 Teilnehmer; 459 Todesfälle in 5 RCTs; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit), kardiovaskulärer Mortalität (RR 0,96, 95 %-KI 0,74 bis 1,25; 18.619 Teilnehmer; 219 kardiovaskuläre Todesfälle in 4 RCTs; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit), Mortalität durch koronare Herzkrankheiten (RR 0,95, 95 %-KI 0,72 bis 1,26; 18.353 Teilnehmer; 193 Ereignisse in 3 RCTs; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit) und Ereignisse aufgrund koronarer Herzkrankheiten (RR 1,00, 95 %-KI 0,82 bis 1,22; 19.061 Teilnehmer; 397 Ereignisse in 4 RCTs; Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit). Allerdings könnte eine erhöhte ALA-Einnahme das Risiko für kardiovaskuläre Krankheitsereignisse leicht vermindern (NNTB 500, RR 0,95, 95 %-KI 0,83 bis 1,07; aber RR 0,91, 95 %-KI 0,79 bis 1,04 in RCTs mit insgesamt niedrigem Risiko für Bias; 19.327 Teilnehmer; 884 kardiovaskuläre Ereignisse in 5 RCTs; Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit), und vermindert wahrscheinlich leicht das Risiko für Arrhythmie (NNTB 91, RR 0,73, 95 %-KI 0,55 bis 0,97; 4912 Teilnehmer; 173 Ereignisse in 2 RCTs; Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit). Die Effekte auf Schlaganfälle sind unklar.

Die erhöhte Einnahme von LCn3 und ALA hatte keine oder nur kleine Auswirkungen auf schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, Adipositas, Blutfette und Blutdruck, mit der Ausnahme, dass eine erhöhte LCn3-Einnahme die Triglyzeridlevel abhängig von der Dosis um ungefähr 15 % senkte (Evidenz von hoher Vertrauenswürdigkeit).

Anmerkungen zur Übersetzung: 

A. Wenzel, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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