Podcast: Zugriff von erwachsenen Patienten auf ihre elektronische Patientenakte

Viele Gesundheitsorganisationen verwenden elektronische Patientenakten, um Patientendaten zu verwalten. Es wäre eventuell von Vorteil, wenn auch die Patienten selbst auf ihre Patientenakte zugreifen können. In diesem Podcast spricht Lisa-Maria Norz mit Erstautorin Elske Ammenwerth vom Institut für Medizinische Informatik von der Universität UMIT TIROL in Österreich, über ihren Cochrane Review zu diesem Thema.

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Viele Gesundheitsorganisationen verwenden elektronische Patientenakten, um Patientendaten zu verwalten. Es wäre eventuell von Vorteil, wenn auch die Patienten selbst auf ihre Patientenakte zugreifen können. In diesem Podcast spricht Lisa-Maria Norz mit Erstautorin Elske Ammenwerth vom Institut für Medizinische Informatik von der Universität UMIT TIROL in Österreich, über ihren Cochrane Review zu diesem Thema.

Lisa-Maria: Hallo Elske, kannst Du uns zunächst etwas über elektronische Patientenakten erzählen? Was ist das und wofür wird es genutzt?

Elske: Hallo Lisa-Maria. Nun, viele Gesundheitseinrichtungen nutzen inzwischen so genannte elektronische Patientenakten, um gesundheitsbezogene Informationen über einen Patienten zu speichern. So eine Akte sammelt also digitale Informationen über einen Patienten, wie z. B. Allergien, Diagnose, Therapien, Medikamente und Behandlungsergebnisse. Das behandelnde Personal, beispielsweise ein Arzt in einem Krankenhaus, kann auf diese Informationen zugreifen, um die bestmögliche Versorgung des Patienten zu gewährleisten.

Lisa-Maria: Danke! Und können Patienten selbst auf diese elektronischen Patientenakten zugreifen?

Elske: Ja, einige Gesundheitsdienstleister erlauben es ihren Patienten, auf ihre eigene elektronische Patientenakte zuzugreifen und diese einzusehen. Hierfür werden meist webbasierte Anwendungen, so genannte Patientenportale, genutzt. Ein solcher webbasierter Zugang kann auch zusätzliche, weitere Dienste anbieten, wie zum Beispiel Termin-Erinnerungen an den Patienten, sicherer E-Mail-Austausch zwischen Patient und Arzt oder Bereitstellung allgemeiner Gesundheitsinformationen für den Patienten.

Lisa-Maria: Das klingt gut. Wissen wir, ob dies für den Patienten von Vorteil ist?

Elske: Tatsächlich ist dies noch unklar. Und daher haben wir den Cochrane-Review durchgeführt, um mehr über die Auswirkungen des Zugriffs erwachsener Patienten auf ihre elektronische Patientenakte herauszufinden. Wir wollten sehen, ob dieser Zugriff für Patienten einen Vorteil hat. 
Wir haben insbesondere die Auswirkungen auf das Empowerment der Patienten, die Patientenadhärenz und die Patientenzufriedenheit untersucht. Wir haben noch mehrere weitere Endpunkte analysiert, wie zum Beispiel gesundheitsbezogene Endpunkte sowie Lebensqualität. Und wir haben untersucht, ob dieser Zugang unerwünschte Wirkungen wie Angstzustände oder Depressionen haben kann. 
Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse Gesundheitseinrichtungen bei der Entscheidung helfen, ob sie ihren Patienten so einen Zugang zu elektronischen Patientenakten anbieten sollten. Und wir wollen Patienten bei der Entscheidung helfen, ob sie einen solchen Service nutzen möchten, wenn er ihnen angeboten wird.

Lisa-Maria: Und wie viele Studien habt Ihr gefunden?

Elske: Insgesamt haben wir 10 randomisierte Studien gefunden, an denen zwischen 78 und 4.500 erwachsenen Patienten teilgenommen haben. Sieben der Studien fanden in den USA statt, die anderen in Kanada und Japan. An fünf der Studien nahmen Patienten mit Diabetes teil, der Rest konzentrierte sich auf Patienten mit Asthma, Bluthochdruck oder anderen, meist chronischen Erkrankungen. 
Die Studien verglichen die normale Versorgung plus Zugang zu elektronischen Patientenakten mit der normalen Versorgung alleine. In neun der zehn Studien wurden neben dem reinen Zugang zur elektronischen Patientenakte auch Zusatzleistungen angeboten.

Lisa-Maria: Und was sagen uns diese Studien?

Elske: Die zehn Studien ergaben, dass der Zugang zu elektronischen Patientenakten im Vergleich zur normalen Versorgung wenig bis gar keine Auswirkungen auf das erlebte Empowerment beim Patienten oder auf die Zufriedenheit der Patienten hat. Der Zugang kann jedoch die Anzahl der Patienten leicht erhöhen, welche ihre Risikofaktoren regelmäßig überwachen. 

Lisa-Maria: Wie steht es um den Sicherheitsaspekt? Gab es unerwünschte Wirkungen?

Elske: Keine der Studien berichtet über unerwünschte Wirkungen bei den Patienten wie Angst oder Depression. Wir wissen daher nicht, ob der Patienten-Zugang zur elektronischen Patientenakte diese Probleme verursachen könnte.

Lisa-Maria: Was ist insgesamt die wesentliche Erkenntnis aus eurem Review?

Elske: Die verfügbare Evidenz ist mit zehn Studien begrenzt. Die Auswirkungen des Zugriffs von Patienten auf ihre eigene elektronische Patientenakte sind damit größtenteils ungewiss. Es kann aber die Selbstüberwachung für bestimmte Risikofaktoren in bestimmten Patientengruppen leicht verbessern. 
Dies bedeutet, dass wir weitere Forschung brauchen, vor allem Studien in unterschiedlichen Ländern, Gesundheitssystemen und klinischen Umgebungen. Wir brauchen auch mehr Studien, in denen Patienten über mobile Geräte (wie das Handy) auf ihre Patientenakte zugreifen. Wir müssen auch noch besser erforschen, welche Patientengruppen am meisten von dieser Intervention profitieren könnte und welche zusätzlichen Dienste angeboten werden müssten, um den Nutzen für die Patienten zu erhöhen.

Lisa-Maria: Danke Elske! Wenn jemand das Review lesen möchte, wo findet man es?

Elske: Das Review ist online verfügbar - gehe einfach zu Cochrane Library dot com und gib dort 'Access to Electronic Health Record' in das Suchfeld ein.

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