Kernaussagen
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Nachahmermedikamente von VEGF-Hemmern (Biosimilars) wirken bei feuchter altersabhängiger Makuladegeneration genauso gut wie die Originalmedikamente. Erfasst wurden Zeiträume bis zu einem Jahr.
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Biosimilars von VEGF-Hemmern verursachen vermutlich ähnliche unerwünschte Wirkungen wie die Originalmedikamente. Erfasst wurden Zeiträume bis zu einem Jahr.
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Künftige Forschung sollte Zeiträume länger als ein Jahr erfassen, um sowohl die Wirksamkeit auf die Sehkraft und die sehbedingte Lebensqualität als auch unerwünschte Wirkungen besser einschätzen zu können.
Was ist die feuchte altersabhängige Makuladegeneration?
Die feuchte (neovaskuläre) altersabhängige Makuladegeneration ist eine ernste Augenerkrankung, die zu teilweisem oder vollständigem Verlust des Sehvermögens führt. Weltweit sind Millionen von Menschen davon betroffen. Bei der feuchten altersabhängigen Makuladegeneration bilden sich neue Blutgefäße unter der Makula, dem Bereich des schärfsten Sehens in der Netzhaut im hinteren Teil des Auges. Die neuen Gefäße können durchlässig werden, sodass Blut und Flüssigkeit die Makula schädigen und so allmählich das Sehvermögen verloren geht.
Wie wird die feuchte altersabhängige Makuladegeneration behandelt?
Die feuchte altersabhängige Makuladegeneration wird mit Medikamenten behandelt, die die Neubildung von Blutgefäßen unter der Netzhaut hemmen. Diese sogenannten VEGF(engl. = vascular endothelial growth factor)-Hemmer werden in regelmäßigen Abständen ins Auge gespritzt. Bislang sind fünf verschiedene VEGF-Hemmer zur Behandlung der feuchten altersabhängigen Makuladegeneration zugelassen. Diese Medikamente verhindern eine weitere Schädigung der Netzhaut und tragen so dazu bei, die verbliebene Sehkraft der Betroffenen zu schützen.
VEGF-Hemmer sind teuer und müssen in der Regel jeden Monat gespritzt werden. Die Injektionen können unerwünschte Wirkungen wie Blutungen und Entzündungen des Auges hervorrufen. Eine geringe Anzahl von Menschen bildet Antikörper, die die Medikamente unwirksam machen.
Was sind Biosimilars?
Biosimilars von VEGF-Hemmern sind neu entwickelte Versionen der ursprünglichen VEGF-Hemmer. Sie ähneln dem ursprünglichen Wirkstoff, sind aber nicht genau mit diesem identisch. Da Biosimilar-Medikamente nicht genau die gleiche Struktur wie die Originalmedikamente haben, ist es möglich, dass sie nicht genau die gleichen Wirkungen wie die Original-VEGF-Hemmer haben. Biosimilars werden auf die gleiche Weise ins Auge gespritzt wie die Originalmedikamente, kosten aber weniger.
Was wollten wir herausfinden?
Wir wollten herausfinden, ob Biosimilars von VEGF-Hemmern genauso gut wie die Originalmedikamente einen weiteren Verlust der Sehkraft bei feuchter altersabhängiger Makuladegeneration verhindern. Außerdem wollten wir herausfinden, ob Biosimilars von VEGF-Hemmern ähnliche unerwünschte Wirkungen haben wie die Originalmedikamente.
Wie gingen wir vor?
Wir suchten nach Studien, in denen Biosimilars von VEGF-Hemmern mit den Originalmedikamenten verglichen wurden. Wir fassten die Ergebnisse der Studien zusammen und bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz anhand von Faktoren wie Studienmethoden und Größe der Studien.
Was fanden wir?
Wir fanden neun Studien, in denen insgesamt 3814 Augen mit feuchter altersabhängiger Makuladegeneration untersucht wurden. An fünf Studien nahmen Menschen aus verschiedenen Ländern in Europa, Nordamerika und Asien teil. Zwei Studien fanden in Indien statt, eine Studie wurde in Japan und eine in Südkorea durchgeführt. Alle Studien wurden von den Pharmaunternehmen finanziert, die die Biosimilars entwickelt haben. In den Studien wurden Originalmedikamente der zwei VEGF-Hemmer Ranibizumab und Aflibercept mit entsprechenden Biosimilars verglichen. Die Studien dauerten zwischen 12 und 52 Wochen.
Die Studien belegen, dass sich Biosimilars von VEGF-Hemmern hinsichtlich der Verhinderung eines weiteren Sehkraftverlusts bei feuchter altersbedingter Makuladegeneration entweder gar nicht oder nur minimal von den Originalmedikamenten unterscheiden.
Es gab wahrscheinlich wenig bis gar keinen Unterschied zwischen den Biosimilars und den Originalmedikamenten hinsichtlich:
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sehbedingter Lebensqualität;
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die Augen betreffender, schwerwiegender unerwünschter Ereignisse (diese betrafen etwa 12 bis 14 Personen von 1000 Behandelten); und
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behandlungsbedingter unerwünschter Ereignisse, die zum Tod oder zum Abbruch der Behandlung führten (diese betrafen zwischen 24 und 25 Personen von 1000 Behandelten).
Zwischen Biosimilars und den Originalmedikamenten gibt es möglicherweise nur geringe oder gar keine Unterschiede hinsichtlich:
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der Bildung von Antikörpern, die diese Medikamente unwirksam machen (Antikörper traten bei 44 bis 53 von 1000 Behandelten auf); und
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der Konzentration der Wirkstoffe im Blut (mittlere maximale Serumkonzentration). Das bedeutet, dass die Biosimilars im Körper in ähnlicher Menge verfügbar sind wie die Originalmedikamente, wodurch angenommen werden kann, dass ihre Wirkungsdauer zwischen den einzelnen Verabreichungen gleich ist.
Was schränkt die Evidenz ein?
Was die Verhinderung eines weiteren Sehkraftverlusts betrifft ist die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz hoch oder moderat.
Wir sind weniger sicher in Bezug auf folgende Ergebnisse:
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Unerwünschte Ereignisse, da diese im Zeitrahmen der Studien nicht häufig vorkamen;
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sehbedingte Lebensqualität und mittlere maximale Serumkonzentrationen, da diese nur in zwei Studien angegeben wurden; und
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Produktion von Antikörpern gegen die Biosimilars und die Originalmedikamente, da nur wenige Betroffene Antikörper bildeten.
Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?
Die Evidenz ist auf dem Stand von Juni 2023.
B. Schindler, M. Zeitler, freigegeben durch Cochrane Deutschland