Unbeabsichtigte Folgen der schulischen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie: ein Scoping Review

Warum ist diese Frage wichtig?

SARS-CoV-2 ist ein neuartiger Virus, der erstmals im Dezember 2019 in China entdeckt wurde und sich schnell in der ganzen Welt ausbreitete. Regierungen fast aller Länder haben Maßnahmen ergriffen, um die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu verhindern oder einzudämmen (Präventionsmaßnahmen). Innerhalb von Schulen und der weiteren Gemeinschaft sind eine Vielzahl an Maßnahmen umgesetzt worden, um die Ansteckung von SARS-CoV-2 zu minimieren. Schulen können ein Ort mit besonders hoher Virusübertragung sein, da Kinder und Lehrkräfte über einen langen Zeitraum (mehrere Stunden) in unmittelbarer Nähe zueinander stehen. Ein bereits durchgeführter Review untersuchte die Wirksamkeit schulischer Maßnahmen im Hinblick auf die Übertragung von SARS-CoV-2. Es ist ebenso wichtig, die unbeabsichtigten Folgen dieser Maßnahmen für die Gesundheit und die Gesellschaft zu untersuchen, damit politisch Verantwortliche und auch Eltern fundierte Entscheidungen treffen können. Unbeabsichtigte Folgen einer Maßnahme im Bereich der öffentlichen Gesundheit können nützlich oder schädlich sein (oder eine Mischung aus beidem). Eine Maßnahme im Bereich der öffentlichen Gesundheit kann zu einer Kombination aus Nutzen und Schaden führen. In diesem Review untersuchten wir die Beweislage zu unbeabsichtigten Folgen von Maßnahmen, die die Verbreitung von SARS-CoV-2 in Schulen einzudämmen und zu verhindern suchen. Dieser Review kann daher als Ergänzung zum vorherigen Review über die Wirksamkeit solcher Maßnahmen gesehen werden.

Wie sind wir vorgegangen?

Zunächst durchsuchten wir neun Datenbanken nach Studien, in denen Maßnahmen zur Verhinderung der Virusübertragung in Schulen (Grundschulen, weiterführende Schulen oder beides) untersucht wurden. Wir berücksichtigten alle Studiendesigns und ein breites Spektrum von Endpunkten.

Dann gruppierten wir die identifizierten Studien nach der Art der untersuchten Maßnahmen. Anschließend beschrieben wir, welche Ansätze in den Studien verwendet wurden, wo diese durchgeführt wurden und welche unbeabsichtigten Folgen bewertet wurden.

Was haben wir herausgefunden?

Wir fanden 18 Studien, die unsere Einschlusskriterien erfüllten. Fünf Studien verwendeten Daten aus dem „wirklichen Leben“ (Beobachtungsstudien); fünf Studien verwendeten Daten, die von einem Computer generiert wurden und auf einer Reihe von Annahmen beruhten (Modellierungsstudien); drei Studien waren experimentelle Studien (z. B. im Labor durchgeführt); und vier Studien verwendeten qualitative Methoden, d. h. sie stützten ihre Ergebnisse auf Interviews mit Menschen. Eine Studie verwendete gemischte Methoden und kombinierte zahlenbasierte und nicht- zahlenbasierte (qualitative) Informationen.

In den Studien wurden vier verschiedene Arten von Maßnahmen untersucht. Hierbei handelte es sich um:

- Maßnahmen zur Verringerung der Kontakte (4 Studien): Maßnahmen zur Verringerung der Anzahl der Schülerinnen und Schüler im Schulgebäude (d. h. Verringerung der Anzahl der Schülerinnen und Schüler pro Klasse) und/oder zur Verringerung der Anzahl der Kontakte der Schülerinnen und Schüler (z. B. durch festgelegte Gruppen oder gestaffelte Ankunft, Pausen und Abgänge).

- Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit bei unvermeidbaren Kontakten (14 Studien): Maßnahmen, die sicherere Kontakte zwischen Personen in der Schule und im Klassenzimmer gewährleisten sollen (z. B. Maskenpflicht oder Vorschriften zum Einhalten von Abstand) oder durch veränderte Umgebung oder Aktivitäten Kontakte sicherer gestalten sollen (z. B. verbesserte Reinigungs- oder Belüftungsvorschriften).

- Überwachungs- und Reaktionsmaßnahmen zur Erkennung von SARS-CoV-2-Infektionen (6 Studien): Test- und/oder Screening-Strategien (z. B. Fiebermessen, Screening-Tests für Schülerinnen und Schüler sowie Personal und Tests bei symptomatischen Schülerinnen und Schülern sowie Personal) sowie Selbstisolierung oder Quarantänemaßnahmen.

- Multikomponenten-Maßnahmen (1 Studie): Interventionen, die eine Kombination aus mindestens zwei der oben genannten Maßnahmen beinhalten.

Wir haben die folgenden unbeabsichtigten Ergebnisse untersucht.

- Schulische Folgen (11 Studien), z. B. Veränderungen der Schulleistungen, Versetzung in die nächste Klasse oder Veränderung der Abschlusszahlen.

- Psychosoziale Folgen (7 Studien), z. B. psychische Gesundheit, Ängste vor dem Schulbesuch.

- Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit und das Gesundheitsverhalten über COVID-19 hinaus (3 Studien), z. B. Handekzeme aufgrund von vermehrtem Händewaschen.

- Auswirkungen auf die Umwelt (3 Studien), z. B. Veränderungen der Luftqualität in Klassenzimmern.

- Sozioökonomische Folgen (2 Studien), z. B. wirtschaftliche Belastung der Familien.

Was haben wir festgestellt?

Wir haben ein breites Spektrum unbeabsichtigter Folgen von schulischen Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung von SARS-CoV-2 beobachtet. Die Evidenzbasis ist jedoch gering, und es gibt große Forschungslücken. Der vorliegende Scoping Review ist ein erster Schritt, um das Ausmaß dieser Folgen abzuschätzen. Es sind weitere Untersuchungen erforderlich, um zusätzliche Informationen zu sammeln und eine gründlichere Analyse der Erkenntnisse zu ermöglichen. Die psychosozialen Folgen (z. B. psychische Probleme, Depressionen, Einsamkeit) und die Folgen für Gleichberechtigung und Gleichstellung (z. B. Benachteiligung von Kindern aus einkommensschwachen Haushalten, ungleiche Verteilung der Arbeit zwischen den Geschlechtern für Eltern) bedürfen weiterer Aufmerksamkeit. Wir empfehlen, dass künftige Forschungsarbeiten Interventionen wie feste Gruppen, Wechselunterricht und gestaffelte Ankunfts-, Abfahrts- und Pausenzeiten sowie Test- und Quarantänemaßnahmen untersuchen.

Wie aktuell ist die Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand von März 2021.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

S. Kratzer, freigegeben durch Cochrane Schweiz

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