Nicht-operative Maßnahmen zur Behandlung von Harninkontinenz nach Prostataoperationen

Kernaussagen

- Bei Männern, die nach einer Prostataoperation an Harninkontinenz leiden, bewirkt eine Kombination aus nicht-medikamentösen und nicht-operativen Behandlungsmaßnahmen möglicherweise lediglich einen geringfügigen Unterschied bezogen auf die Kontinenz, die Lebensqualität oder die Anzahl der Männer, bei denen infolge der Behandlung unerwünschte Ereignisse auftreten.

- Es gibt keine verlässliche Evidenz dazu, ob ein Beckenbodentraining in Kombination mit Biofeedback eine Wirkung auf die Inkontinenz oder die Lebensqualität hat. Zudem fanden wir keine Studien, in denen die Wirkung einer elektrischen Stimulation bezogen auf die wichtigsten uns interessierenden Endpunkte untersucht wurde.

- Der Mangel an verlässlicher Evidenz bedeutet, dass weitere Forschung notwendig ist.

Hintergrund

Die Prostata ist eine kleine, walnussgroße Drüse, die an der Produktion der Samenflüssigkeit beteiligt ist. Wenn Männer an Prostatakrebs erkranken oder eine nicht krebsbedingte Vergrößerung der Prostata entwickeln, die den Blasenausgang blockiert (als gutartige Prostatavergrößerung bezeichnet), müssen sie sich unter Umständen einer Operation unterziehen. Nach einer Prostataoperation kann bei den Betroffenen eine Harninkontinenz auftreten: Schätzungen zufolge entwickeln zwischen 2% und 60% der Männer Symptome. Auch wenn sich die Harninkontinenz nach der Operation von selbst bessern kann, haben einige Männer fortdauernde Symptome, die ihre Lebensqualität beeinträchtigen können.

Was wollten wir herausfinden?

Eine infolge einer Prostataoperation auftretende Harninkontinenz kann, soweit möglich, mit nicht-operativen und nicht-medikamentösen Maßnahmen wie einem Beckenbodentraining, elektrischer oder magnetischer Stimulation, Änderungen des Lebensstils (z. B. der Ernährung oder Flüssigkeitsaufnahme) oder Kombinationen dieser Maßnahmen behandelt werden. Der Nutzen dieser Behandlungsmaßnahmen ist jedoch derzeit noch ungewiss. Daher wollten wir ermitteln, ob nicht-operative und nicht-medikamentöse Behandlungsmaßnahmen bei Männern nach einer Prostataoperation zur Verbesserung einer Harninkontinenz beitragen.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten nach Studien, in denen die Wirkung von nicht-operativen und nicht-medikamentösen Behandlungsmaßnahmen auf eine Harninkontinenz bei Männern nach einer Prostataoperation untersucht wurde. Wir verglichen die Ergebnisse der Studien, fassten sie zusammen und bewerteten das Vertrauen in die Evidenz anhand der Methoden, der Größe und der Ergebnisse der Studien.

Was fanden wir?

Wir fanden 25 Studien mit insgesamt 3079 Männern. In 23 dieser Studien wurden Männer aufgenommen, die sich zuvor einer radikalen Prostataoperation unterzogen hatten, bei der die gesamte Prostata entfernt wird. Nur in eine Studie wurden Männer aufgenommen, die sich zuvor einer transurethralen Resektion der Prostata unterzogen hatten, einem operativen Verfahren, bei dem Teile der Prostata über den Penis entfernt werden. Bei einer Studie waren wir uns nicht sicher, welcher Art von Operation sich die teilnehmenden Männer unterzogen hatten.

Vier Studien erhielten keine finanzielle Förderung, sieben wurden ausschließlich von staatlichen Institutionen und eine ausschließlich von einer Stiftung gefördert bzw. finanziert. Eine Studie wurde von einer staatlichen Institution und einer Universität gefördert bzw. finanziert, eine von einer Wohltätigkeitsorganisation und einer Universität und eine von einer Wohltätigkeitsorganisation und einem Pharmaunternehmen. Bei zehn Studien fehlten Angaben zu ihrer Finanzierung.

Hauptergebnisse

Vier Studien berichteten über ein Beckenbodentraining in Kombination mit Biofeedback im Vergleich zu keiner Behandlung, einer Scheinbehandlung und/oder mündlichen oder schriftlichen Anweisungen zur Durchführung der Behandlungsmaßnahme. Ein Beckenbodentraining in Kombination mit Biofeedback kann dazu führen, dass nach 6 bis 12 Monaten mehr Männer über eine Heilung der Inkontinenz berichten. Wird dies von Ärzt*innen eingeschätzt, führt die Behandlung mit Beckenbodentraining in Kombination mit Biofeedback nach 6 bis 12 Monaten weniger wahrscheinlich dazu, dass die Inkontinenz verschwindet. Es ist unklar, ob die Durchführung eines Beckenbodentrainings in Kombination mit Biofeedback einen Einfluss auf unerwünschte Ereignisse auf die Haut (z.B. Hautreaktionen oder blaue Flecken) oder Nebenwirkungen auf die Muskulatur (z.B. Muskelkater oder muskuläre Beschwerden) hat. Die krankheitsspezifische Lebensqualität, die Therapietreue (das Ausmaß, in dem die Teilnehmenden die Behandlung befolgten), und die allgemeine Lebensqualität wurden in keiner Studie für diesen Vergleich thematisiert.

In 11 Studien wurden Kombinationen von nicht-operativen Behandlungsmaßnahmen im Vergleich zu keiner Behandlung, einer Scheinbehandlung und/oder mündlichen oder schriftlichen Anweisungen zur Durchführung der Behandlungsmaßnahmen untersucht. Kombinationen von Behandlungsmaßnahmen bewirken möglicherweise nur einen geringen Unterschied in der Anzahl der Männer, die über eine Heilung oder Verbesserung der Inkontinenz nach 6 und 12 Monaten berichten. Kombinationen von Behandlungsmaßnahmen führen wahrscheinlich lediglich zu einem geringfügigen Unterschied in der krankheitsspezifischen Lebensqualität und wahrscheinlich leidglich zu einem geringfügigen Unterschied in der allgemeinen Lebensqualität nach 6 und 12 Monaten. Wird die Heilung oder Verbesserung der Inkontinenz von Ärzt*innen eingeschätzt, bewirken Behandlungskombinationen nach 6 und 12 Monaten kaum Unterschiede. Jedoch ist unklar, ob die Therapietreue derjenigen Teilnehmer, die eine Kombination von Behandlungsmaßnahmen in Anspruch nehmen, nach 6 bis12 Monaten besser war. Wahrscheinlich gibt es keinen Unterschied zwischen Kombinationen von Behandlungsmaßnahmen und Vergleichsbehandlungen in der Anzahl der Männer, bei denen Nebenwirkungen auf die Haut auftreten. Es ist jedoch unklar, ob Kombinationen von Behandlungsmaßnahmen dazu führen, dass mehr Männer Nebenwirkungen auf die Muskulatur erfahren.

Wir fanden keine Studien mit den uns interessierenden Endpunkte, in denen eine elektrische oder magnetische Stimulation im Vergleich zu keiner Behandlung, einer Scheinbehandlung oder mündlichen oder schriftlichen Anweisungen untersucht wurden.

Was schränkt die Evidenz ein?

Die Vertrauenswürdigkeit der ermittelten Evidenz war unterschiedlich und reichte von sehr niedrig bis hoch. Unsere Bedenken betrafen vor allem die Anzahl der Teilnehmer an den Studien, da viele der Studien klein waren. Wir hatten auch Bedenken, dass die Ergebnisse vieler Studien verzerrt sein könnten. Zudem ist unklar, ob die Evidenz zu offenen/laparoskopischen Operationen auf die robotergestützte radikale Prostatektomie übertragbar ist.

Wie aktuell ist die Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand vom 22. April 2022.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

C. Braun, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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