Interventionen, um ältere Menschen, denen mehrere Medikamente verordnet wurden, bei der Einnahme ihrer Medikamente zu unterstützen

Hintergrund: Älteren Menschen werden häufig mehrere Medikamente verordnet was für sie schwierig zu handhaben sein kann. Fehler bei der Medikamenteneinnahme und die Nicht-Einhaltung der verordneten Einnahme (Einnahme einer zu geringen oder zu großen Menge der Medikamente) können negative gesundheitliche Folgen haben. Die Unterstützung älterer Menschen bei der Einhaltung der verordneten Einnahme ihrer Medikamente könnte dabei helfen, unerwünschte Ereignisse, wie mit der Medikation in Zusammenhang stehende Krankenhauseinweisungen, zu verhindern und gesundheitsbezogene Endpunkte zu verbessern.

Fragestellung: Was sind die Ergebnisse von Studien, die verschiedene Möglichkeiten untersuchen, die Fähigkeit älterer Menschen zur Einnahme und Einhaltung der verordneten Einnahme mehrerer Medikamente zu verbessern?

Suchstrategie: Um geeignete Studien zu finden, durchsuchten wir sieben Online-Datenbanken, Studienregister sowie die Referenzlisten früherer Reviews und berücksichtigten wir Studien, die bis Juni 2019 veröffentlicht worden waren.

Auswahlkriterien: Wir schlossen randomisierte, kontrollierte Studien (RCTs) oder Studien mit einer ähnlichen Methodik ein, in denen eine Gruppe, die eine Intervention zur Verbesserung der Fähigkeit der Medikamenteneinnahme und ihrer Einhaltung erhielt, mit einer Gruppe, die die Regelversorgung (keine Intervention) erhielt, verglichen wurde. Wir schlossen Studien mit älteren Menschen (≥ 65 Jahre) ein, die zu Hause lebten (oder aus dem Krankenhaus wieder nach Hause entlassen wurden) und regelmäßig mindestens vier verordnungspflichtige Medikamente einnahmen.

Hauptergebnisse: Wir ermittelten 50 Studien mit insgesamt 14.269 Teilnehmern. Alle Studien untersuchten Interventionen verglichen mit der Regelversorgung; sechs Studien verglichen zudem zwei verschiedene Interventionsarten.

Vierzehn Studien untersuchten Beratungsinterventionen, bei denen die Teilnehmer zu ihren Medikamenten beraten wurden oder eine Gesundheitsfachperson ihre Medikamente begutachtete. Sieben Studien untersuchten Verhaltensinterventionen, darunter die Änderung der Einnahmezeit, das Umsortieren von Medikamenten in Pillendosen mit mehreren Fächern zur Vereinfachung der Einnahme oder das Versenden von Textnachrichten zur Erinnerung an die Einnahme. In 29 Studien wurden Interventionen, die beratungs- und verhaltensorientierte Komponenten enthielten, untersucht.

Die ermittelten Studien unterschieden sich erheblich darin, wo, wie und welche Interventionen durchgeführt wurden und wie und wann die Fähigkeit der Medikamenteneinnahme oder ihre Einhaltung erhoben wurde. Aufgrund dieser Unterschiede und Problemen bei der Art der Durchführung der Studien wurde die Qualität der Evidenz insgesamt als niedrig oder sehr niedrig eingestuft.

Die niedrige Qualität der Evidenz bedeutet, dass der Einfluss gemischter Interventionen auf die Fähigkeit der verordneten Medikamenteneinnahme nicht ermittelt werden konnte. Wir fanden keine Studien, die nur Beratungsinterventionen oder nur verhaltensorientierte Interventionen zur Verbesserung der Fähigkeit der verordneten Medikamenteneinnahme untersuchten.

Evidenz von niedriger Qualität deutet darauf hin, dass verhaltensorientierte Interventionen und gemischte Interventionen im Vergleich zur Regelversorgung den Anteil der Personen, die die Einnahme der ihnen verordneten Medikamente zufriedenstellend einhalten, erhöhen. Allerdings bedeutet die sehr niedrige Qualität der Evidenz, dass die Wirkungen alleiniger Beratungsinterventionen unklar sind. Die niedrige und sehr niedrige Qualität der Evidenz bedeutet, dass für keine der untersuchten Interventionen gezeigt werden konnte, wenn mit kontinuierlichen Messungen wie den prozentualen Anteilen der eingenommenen Medikamente erhoben, die Einhaltung der verordneten Medikamenteneinnahme wirksam verbessern.

Evidenz von niedriger Qualität deutet zudem darauf hin, dass gemischte Interventionen möglicherweise die Anzahl von Einweisungen ins Krankenhaus oder in die Notaufnahme verringern und nur zu einer geringen oder keiner Veränderung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität führen. Evidenz von moderater Qualität zeigt, dass alleinige Beratungsinterventionen wahrscheinlich lediglich eine geringe oder keine Wirkung auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität oder auf Einweisungen in eine Notaufnahme oder ein Krankenhaus haben. Die Wirkung von alleinigen verhaltensorientierten Interventionen auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität oder Einweisungen in eine Notaufnahme oder ein Krankenhaus sind aufgrund der sehr niedrigen Qualität der Evidenz ungewiss. Die Wirkungen von verhaltensorientierten Interventionen oder Beratungsinterventionen Interventionen oder gemischten Interventionen auf die Sterblichkeit ist unklar.

Die Zahl der Studien, die eine Interventionsart mit einer anderen verglichen, war begrenzt, und es war uns nicht möglich, klare Schlussfolgerungen zu einem der wesentlichen Endpunkte zu ziehen.

Schlussfolgerungen der Autoren: Die in den Studien untersuchten Interventionen unterschieden sich erheblich und es gab Probleme hinsichtlich der Durchführung der Studien, was ihre Ergebnisse möglicherweise beeinflusst hat. Es war uns nicht möglich, die Wirkung der Interventionen auf die Fähigkeit der Medikamenteneinnahme zu bestimmen. Evidenz von niedriger Qualität deutet darauf hin, dass alleinige verhaltensorientierte und gemischte (verhaltensorientierte und pädagogische) Interventionen den Anteil der Personen erhöhen, die die ihnen verordnete Medikamenteneinnahme einhalten. Evidenz von niedriger und sehr niedriger Qualität ermittelte keine Wirksamkeit einer Interventionsart bezogen auf die Verbesserung der Einhaltung der Medikamenteneinnahme, wenn diese mit einer kontinuierlichen Messung erhoben wurde. Methodisch hochwertige Studien sind notwendig, um die wirksamste Möglichkeit zur Verbesserung der Fähigkeit der Medikamenteneinnahme und der Einhaltung der verordneten Medikamenteneinnahme bei älteren Erwachsenen, denen mehrere Medikamente verschrieben wurden, zu ermitteln.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Alleinige verhaltensorientierte oder gemischte Interventionen mit beratungs- und verhaltensorientierten Anteilen erhöhen möglicherweise den Anteil der Personen, die die ihnen verordneten Medikamente zufriedenstellend einnehmen, jedoch sind wir bezüglich der Wirkung von alleinigen Beratungsinterventionen nicht sicher. Es wurde keine Interventionsart gefunden, die, wenn mit einer kontinuierlichen Variablen ermittelt, die Adhärenz verbesserte, wobei alleinige Beratungsinterventionen und gemischte Interventionen eine lediglich geringe oder gar keine Wirkung zeigten und die Qualität der Evidenz es nicht ermöglichte, die Wirkung von alleinigen verhaltensorientierten Interventionen zu ermitteln. Es war uns nicht möglich, die Wirkung der Interventionen auf die Fähigkeit der Medikamenteneinnahme zu bestimmen. Die Qualität der Evidenz für die dargestellten Ergebnisse ist aufgrund von Heterogenität und methodischen Mängeln der im Review enthaltenen Studien begrenzt. Weitere methodisch hochwertige RCTs sind erforderlich, um die Wirkung von Interventionen zur Verbesserung der Fähigkeit der Medikamenteneinnahme und Medikamentenadhärenz bei älteren Erwachsenen, denen mehrere Medikamente verschrieben wurden, zu ermitteln.

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Hintergrund: 

Ältere Menschen, die mehrere Medikamente einnehmen, repräsentieren einen großen und wachsenden Teil der Bevölkerung. Der Umgang mit mehreren Medikamenten kann herausfordernd sein, und dies trifft häufig auf ältere Menschen zu, die häufiger als jüngere Menschen von mehreren Krankheiten und körperlichen sowie kognitiven Beeinträchtigungen betroffen sind. Eine gute Fähigkeit der verordneten Medikamenteneinnahme und Medikamentenadhärenz sind notwendig, um eine sichere und wirksame Medikamentenanwendung zu gewährleisten.

Zielsetzungen: 

Das Ziel des Reviews war es, die Wirksamkeit von Interventionen zur Verbesserung der Fähigkeit der Medikamenteneinnahme und/oder Medikamentenadhärenz bei älteren, nicht in betreuten Einrichtungen oder Pflegeeinrichtungen lebenden Menschen, denen die längerfristige Einnahme mehrerer Medikamente verordnet wurde, zu evaluieren.

Suchstrategie: 

Wir durchsuchten MEDLINE, Embase, das Cochrane Central Register of Controlled Trials (CENTRAL), PsycINFO, CINAHL Plus und International Pharmaceutical Abstracts von ihrem Gründungsdatum bis Juni 2019. Wir durchsuchten auch graue Literatur, Online-Studienregister und die Referenzlisten der eingeschlossenen Studien.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien (RCTs), Quasi-RCTs und Cluster-RCTs ein. Für den Einschluss geeignete Studien waren solche, die Interventionen untersuchten, deren Ziel die Verbesserung der Fähigkeit der Medikamenteneinnahme und/oder die Medikamentenadhärenz war. Die in den Studien untersuchten Personen waren Personen im Alter von ≥ 65 Jahren (oder mit einem mittleren/medianen Alter von > 65 Jahren), die im eigenen häuslichen Umfeld lebten oder aus dem Krankenhaus zurück nach Hause entlassen wurden, und die vier oder mehr regelmäßig verordnete Medikamente einnahmen (oder in denen die Teilnehmer im MIttel/Median mehr als vier Medikamente einnahmen). Interventionen, die sich an Pflegende älterer Menschen richten, die diese Kriterien erfüllen, wurden ebenfalls eingeschlossen.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Autoren überprüften unabhängig voneinander die Zusammenfassungen und Volltexte der für den Einschluss geeigneten Studien, extrahierten Daten und beurteilten das Risiko für Bias unter den eingeschlossenen Studien. Wir führten, soweit möglich, Meta-Analysen durch und verwendeten ein Random-Effects-Modell für die Ermittlung der Gesamt-Effektschätzer, relative Risiken (RR) für dichotome Ergebnisse und Mittelwertdifferenzen (MD) oder standardisierten Mittelwertdifferenzen (SMD) für kontinuierliche Endpunkte, zusammen mit den zugehörigen 95% Konfidenzintervallen (KI). Wenn eine Meta-Analyse nicht möglich war, wurde eine narrative Evidenzsynthese erstellt. Die Gesamt-Vertrauenswürdigkeit der Evidenz zu jedem Endpunkt bewerteten wir mithilfe des GRADE-Ansatzes (Grades of Recommendation, Assessment, Development and Evaluation). Die primären Endpunkte waren die Fähigkeit der Medikamenteneinnahme und die Medikamentenadhärenz. Die sekundären Endpunkten umfassten die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL), Einweisungen in die Notaufnahme oder ins Krankenhaus und die Mortalität.

Hauptergebnisse: 

Wir identifizierten 50 Studien mit insgesamt 14.269 Teilnehmern, darunter 40 RCTs, sechs Cluster-RCTs und vier Quasi-RCTs. Alle eingeschlossenen Studien untersuchten Interventionen versus die Regelversorgung; sechs Studien berichteten zudem über einen Vergleich zwischen zwei Interventionen als Teil eines dreiarmigen RCT-Designs.

Die Interventionen wurden anhand ihrer beratungs- und/oder verhaltensorientierten Komponenten eingeteilt: 14 Studien beinhalteten alleinige Beratungsinterventionen, sieben Studien alleinige verhaltensorientierte Interventionen, und 29 Studien beinhalteten gemischte Interventionen mit beratungs- und verhaltensorientierten Anteilen. Unser Vertrauen in die Ergebnisse bezogen auf die Wirksamkeit der Interventionen war insgesamt niedrig bis sehr niedrig. Grund hierfür war die große Heterogenität der eingeschlossenen Studien und das hohe oder unklare Risiko für Bias der meisten Studien in mehreren Domänen.

Fünf Studien evaluierten Interventionen zur Verbesserung der Fähigkeit der Medikamenteneinnahme und 48 evaluierten Interventionen zur Verbesserung der Medikamentenadhärenz (drei Studien evaluierten beides).

Keine Studie untersuchte alleinige Beratungsinterventionen oder alleinige verhaltensorientierte Interventionen zur Verbesserung der Fähigkeit der Medikamenteneinnahme. Aufgrund der niedrigen Qualität der Evidenz in fünf Studien, in denen die Fähigkeit zur Medikamenteneinnahme jeweils unterschiedlich gemessen wurde, war es uns nicht möglich, die Wirkungen von gemischten Interventionen auf die Fähigkeit der Medikamenteneinnahme zu bestimmen.

Evidenz von niedriger Qualität deutet darauf hin, dass alleinige verhaltensorientierte Interventionen (RR 1,22, 95 % Konfidenzintervall (KI) 1,07 bis 1,38; 4 Studien) und gemischte Interventionen (RR 1,22, 95 % KI 1,08 bis 1,37; 12 Studien) den Anteil der Personen, die ihre Medikamente wie verordnet einnehmen (d.h. „adhärent“ sind), im Vergleich zur Regelversorgung erhöhen. Die Ergebnisse von zwei Studien mit verschiedenen Interventionsarten konnten wir nicht in die Meta-Analyse einbeziehen; eine zeigte eine positive Wirkung auf die Adhärenz, die andere eine lediglich geringfügige oder gar keine Wirkung. Die niedrige Qualität der Evidenz bedeutet, dass wir uns hinsichtlich der Wirkung von alleinigen Beratungsinterventionen (5 Studien) auf den Anteil der Personen, die ihre Medikamente wie verordnet einnehmen, unsicher sind.

Evidenz von niedriger Qualität deutet darauf hin, dass alleinige Beratungsinterventionen (SMD 0,16, 95 % KI -0,12 bis 0,43; 5 Studien) und gemischte Interventionen (SMD 0,47, 95 % KI -0,08 bis 1,02; 7 Studien), wenn mit kontinuierlichen Messungen der Adhärenz ermittelt, lediglich eine geringe oder gar keine Wirkung auf die Medikamentenadhärenz haben. Wir schlossen 10 Studien (vier mit alleinigen Beratungsinterventionen und sechs mit gemischten Interventionen) von der Meta-Analyse aus, darunter vier Studien mit unklaren oder nicht verfügbaren Ergebnissen. Evidenz von sehr niedriger Qualität bedeutet, dass wir hinsichtlich der Wirkung von alleinigen Verhaltensinterventionen (3 Studien) auf die Medikamentenadhärenz unsicher, sind wenn diese mit kontinuierlichen Endpunktemessungen ermittelt wurde.

Evidenz von niedriger Qualität deutet darauf hin, dass gemischte Interventionen die Zahl der Einweisungen in die Notaufnahme und ins Krankenhaus (RR 0,67, 95 % KI 0,50 bis 0,90; 11 Studien) im Vergleich zur Regelversorgung verringern könnten, obwohl die Ergebnisse aus sechs weiteren Studien, die wir nicht in Meta-Analysen einbeziehen konnten, darauf hindeuten, dass diese Art der Intervention möglicherweise eine geringere oder überhaupt keine Auswirkung auf diese Endpunkte hat. Entsprechend weist Evidenz von niedriger Qualität darauf hin dass gemischte Interventionen lediglich zu einer geringen oder gar keinen Veränderung der HRQoL führen (7 Studien) könnten. Aufgrund der sehr niedrigen Qualität der Evidenz sind wir hinsichtlich der Wirkung auf die Mortalität unsicher (RR 0,93, 95 % KI 0,67 bis 1,30; 7 Studien).

Evidenz von moderater Qualität zeigt, dass alleinige Beratungsinterventionen verglichen mit der Regelversorgung wahrscheinlich keinen oder lediglich einen geringen Effekt auf die HRQoL (6 Studien) und die Anzahl der Einweisungen in die Notaufnahme oder ins Krankenhaus (4 Studien) haben. Evidenz von sehr niedriger Qualität bedeutet, dass wir hinsichtlich der Wirkungen von verhaltensorientierten Interventionen auf die HRQoL (1 Studie) oder die Anzahl der Einweisungen in die Notaufnahme oder ins Krankenhaus (2 Studien) unsicher sind. Wir haben keine Studie identifiziert, die die Wirkung von alleinigen Beratungsinterventionen oder alleinigen verhaltensorientierten Interventionen auf die Mortalität untersuchte.

Sechs Studien verglichen zwei verschiedene Interventionen. Aufgrund der begrenzten Anzahl von Studien, die dieselben Interventionsarten und Vergleiche untersuchten, können wir jedoch keine robusten Schlussfolgerungen zu einem der Endpunkte formulieren.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

J.Gerhards, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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