Nahrungsergänzung mit Vitaminen und Mineralstoffen zur Vorbeugung von Demenz oder zur Verzögerung des kognitiven Abbaus bei Menschen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung

Fragestellung

Dieser Review untersuchte, ob bei Menschen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung das Risiko der Entwicklung von Demenz reduziert werden kann, oder ob der weitere Abbau des Gedächtnis und Denkvermögens verhindert werden kann, indem sie Vitamin- und Mineralstoffergänzungsmittel einnehmen.

Hintergrund

Geringfügige Veränderungen bei Erinnerungs- und Denkvermögen sind beim Älterwerden üblich. Sollten diese Änderungen schlimmer sein, als im normalen Alterungsprozess zu erwarten ist, aber noch nicht schlimm genug, dass eine Person ihre üblichen Aktivitäten nur schwierig bewerkstelligen kann, dann spricht man von leichter kognitiver Beeinträchtigung (mild cognitive impairment (MCI)). Menschen mit MCI haben ein erhöhtes Risiko in Zukunft eine Demenz zu entwickeln.

Vitamine und Mineralstoffe sind natürlich vorkommende Substanzen, die in der Ernährung notwendig sind, um die Gesundheit aufrecht zu erhalten. Sie haben viele verschiedene Funktionen im Körper und viele sind essentiell, damit das Gehirn richtig funktioniert. Es wird vermutet, dass eine Ergänzung der normalen Ernährungsweise mit zusätzlichen Dosen dieser Vitamine und Mineralstoffe helfen könnte das Denkvermögen einer Person zu erhalten und Demenz vorzubeugen.

Studienmerkmale

Wir fanden acht randomisierte kontrollierte Studien (randomised controlled trials (RCTs)), die vier verschiedene Arten von Vitamin- oder Mineralstoff-Pillen untersuchten, indem sie diese mit Placebos (Pillen ohne jeglichen Wirkstoff) verglichen. Bei den getesteten Vitaminen handelt es sich um B-Vitamine (Vitamin B6, Vitamin B12 und Folsäure), Vitamin E und Vitamin E und C, die zusammen verabreicht wurden. Der einzige getestete Mineralstoff war Chrom.

Hauptergebnisse und Qualität der Evidenz

Vitamin B Kombinationen versus Placebo

In fünf Studien mit insgesamt 879 Teilnehmenden, wurden B-Vitamine mit Placebo verglichen. Vier verwendeten Kombinationen aus Vitamin B6, Vitamin B12 und Folsäure; eine kleine Studie testete ausschließlich Folsäure. Keine dieser Studien berichtete, ob einer der Teilnehmenden eine Demenz entwickelte oder nicht. Diese Studien fanden keinen Unterschied bei Erinnerungs- und Denkvermögen zwischen den Gruppen der Teilnehmenden, welche Vitamin B Nahrungsergänzungsmittel erhielten und denjenigen, die ein Placebo erhalten haben. Die Behandlung dauerte zwischen sechs Monate und zwei Jahre. Unser Vertrauen in die Ergebnisse der unterschiedlichen Tests, die in den Studien verwendet wurden, reicht von moderat bis sehr niedrig. Eine Nahrungsergänzung mit Vitamin B über zwei Jahre hinweg schien beim Erinnerungsvermögen in einer kleinen Untergruppe bei einer Studie zu helfen, welche zu Beginn der Studie durch einen bestimmten Bluttest identifiziert werden konnte. Eine Studie fand heraus, dass es vermutlich keine Auswirkung auf die Lebensqualität der Teilnehmenden gab. In einer Studie wurden die Gehirne einiger Teilnehmenden untersucht und danach berichtet, dass B-Vitamine das Schrumpfen des Gehirns verlangsamen könnten.

Schädliche Auswirkungen und Todesfälle wurden nur für sehr wenige Teilnehmende berichtet und wir können nicht nachvollziehen, ob diese Schäden von diesen oder ähnlichen Kombinationen von B-Vitaminen kamen.

Vitamin E versus Placebo

Eine Studie mit 516 Teilnehmenden verglich eine relativ hohe Dosis Vitamin E (2000 I.E./Tag) mit Placebo bei Menschen, die außerdem ein Multivitaminpräparat mit 15 I.E. Vitamin E einnahmen (die Empfehlung liegt bei ca. 30 I.E. Vitamin E pro Tag). Das Risiko aufgrund von einer Alzheimer Erkrankung (die häufigste Form von Demenz) eine Demenz zu entwickeln, wird vermutlich nicht durch eine 3-jährige Behandlung mit hochdosiertem Vitamin E beeinflusst. Die Qualität der Evidenz für andere Endpunkte war geringer, aber vermutlich hat diese Vitamin E Dosis auch hier keinen Effekt auf spezifische Gedächtnis- oder Denkleistungen oder darauf, wie gut die Menschen ihre täglichen Aktivitäten bewerkstelligten.

Vitamin E und C versus Placebo

Eine Studie mit 256 Teilnehmenden verglich eine Kombination von Vitamin C und E mit Placebo. Es wurden keine Auswirkungen auf das allgemeine Erinnerungs- oder Denkvermögen gefunden, allerdings hatten wir wegen der Qualität der Evidenz nur wenig Vertrauen in dieses Ergebnis.

Chrompicolinat versus Placebo

Nur eine sehr kleine Studie mit 26 Teilnehmenden untersuchte die Auswirkung von Chrom- Nahrungsergänzungsmitteln. Diese Studie war zu klein, um daraus irgendwelche Schlussfolgerungen zu ziehen.

Schlussfolgerungen

Die Menge und die Qualität der Evidenz aus der Forschung zu Vitamin- und Mineralstoffergänzungsmitteln zur Behandlung von MCI bei Menschen ohne Nährstoffmangel ist begrenzt. Im Moment ist es nicht möglich irgendwelche Nahrungsergänzungsmittel zu identifizieren, die das Risiko für Menschen mit MCI eine Demenz zu entwickeln verringern oder deren Symptome wirksam behandelt können. Es bedarf noch weiterer Forschung darüber, damit wir unsere Fragestellung beantworten können.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Die Evidenz zu Nahrungsergänzung mit Vitaminen und Mineralstoffen als Behandlungen für MCI ist sehr begrenzt. Dreijährige Behandlung mit hochdosiertem Vitamin E reduziert wahrscheinlich nicht das Risiko der Entwicklung einer Demenz. Allerdings haben wir keine Daten zu diesem Endpunkt für andere Nahrungsergänzungsmittel. Nur B-Vitamine wurden in mehr als einer randomisierten kontrollierten Studie (RCT) untersucht. Es besteht keine Evidenz zu erfolgreichen Auswirkungen der Supplementierung mit B-Vitaminen für sechs bis 24 Monate auf die Kognition. Evidenz aus einer einzigen Studie, in der sich durch Vitamin B-Einnahme eine verminderte Rate an Hirnatrophie bei Teilnehmern zeigte sowie eine nutzbringenden Wirkung von Vitamin B auf das episodische Gedächtnis bei Menschen mit höherem Ausgangs-tHcy erkennbar war, rechtfertigt den Versuch einer Wiederholung.

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Hintergrund: 

Vitamine und Mineralstoffe haben viele Funktionen im Nervensystem, die wichtig für die Gesundheit des Gehirns sind. Es gibt Hinweise darauf, dass verschiedene Nahrungsergänzungsmittel mit Vitaminen und Mineralstoffen dabei helfen können, kognitive Funktionen aufrecht zu erhalten und die Entwicklung von Demenz zu verzögern. Dieser Review untersucht dazu die Evidenz von Studien an Menschen, die bereits leichte kognitive Einschränkungen (mild cognitive impairment = MCI) hatten.

Zielsetzungen: 

Die Bewertung der Auswirkungen von Supplementierung mit Vitaminen und Mineralstoffen auf kognitive Funktionen und die Inzidenz von Demenz bei Menschen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung.

Suchstrategie: 

Wir durchsuchten ALOIS, das Spezialregister der Cochrane Dementia and Cognitive Improvement Group (CDCIG) sowie MEDLINE, Embase, PsycINFO, CENTRAL, CINAHL, LILACs, Web of Science Core Collection, ClinicalTrials.gov und das WHO Portal/ICTRP, von Beginn des jeweiligen Registers bis zum 25. Januar 2018.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte oder quasi-randomisierte, placebokontrollierte Studien ein, die oral verabreichte Vitamin- oder Mineralstoffzusätze bei Teilnehmern mit diagnostizierter leichter kognitiver Beeinträchtigung bewerteten, und welche die Inzidenz von Demenz oder kognitiven Endpunkten, oder beidem, untersuchten. Wir waren an Studien interessiert, die generell auf ältere Menschen übertragbar sind, und schlossen daher Studien aus, deren Teilnehmer unter schweren Vitamin- oder Mineralstoffmängeln litten.

Datensammlung und ‐analyse: 

Wir suchten nach Daten zu unseren primären Endpunkten, nämlich der Inzidenz von Demenz und von allgemeiner kognitiver Funktion. Sekundäre Endpunkte waren episodisches Gedächtnis, Exekutiv-Funktionen, Geschwindigkeit der Verarbeitung, Lebensqualität, funktionelle Leistung, klinischer Gesamteindruck, unerwünschte Ereignisse und Sterblichkeit. Datenerhebung und -analyse führten wir nach den Standardmethoden für systematische Reviews von Cochrane durch. Mithilfe des Cochrane Tools bewerteten wir das Risiko für Bias der eingeschlossenen Studien. Wir fassten Vitamine und Mineralien entsprechend ihres mutmaßlichen Wirkmechanismus zusammen. Wo wir es für klinisch angemessen hielten, poolten wir Daten mithilfe von Random-Effects-Methoden. Wir nutzten die GRADE Methode, um die generelle Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für jeden Vergleich und Endpunkt zu bewerten.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen insgesamt 8 RCTs ein, darunter 5 Studien mit 879 Teilnehmern, die Nahrungsergänzung mit B-Vitaminen untersuchten. In vier Studien war die Intervention eine Kombination der Vitamine B6, B12 und Folsäure; in einer bestand sie nur aus Folsäure. Die Dosierungen variierten. Wir waren der Ansicht, dass in diesen Studien einige Risiken für Performance- und Attrition-Bias und selektive Berichterstattung bestanden. Unsere primären Wirkungsendpunkte waren die Inzidenz von Demenz und Maße der allgemeinen kognitiven Funktion. Keine der Studien berichtete die Inzidenz von Demenz, und die Evidenz zu allgemeinen kognitiven Funktionen war von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit. Für B-Vitamine, die für sechs bis 24 Monate eingenommen wurden, gab es wahrscheinlich nur eine kleine oder keine Auswirkung auf episodisches Gedächtnis, ausführende Funktionen, Geschwindigkeit der Verarbeitung von Informationen oder Lebensqualität. Die Evidenz zu unseren anderen sekundären klinischen Endpunkten, einschließlich Schäden, war spärlich oder von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit. Es gab Evidenz aus einer Studie, dass unter Teilnehmern, die B-Vitamine einnahmen, über zwei Jahre hinweg möglicherweise eine langsamere Rate an Hirnatrophie auftreten könnte. Dieselbe Studie berichtete Subgruppenanalysen, basierend auf Ausgangsserumspiegeln von Homozystein (tHcy) und fand Evidenz, dass B-Vitamine das episodische Gedächtnis bei Menschen verbessern könnten, deren tHcy anfänglich über dem Median lag.

Wir schlossen eine Studie ein (n = 516), in der mit Vitamin-E supplementiert wurde. Vitamin E wurde zweimal täglich in Form von 1000 IE Alpha-Tocopherol verabreicht. Wir waren der Ansicht, dass diese Studie ein Risiko für Attrition-Bias und Bias aufgrund selektiver Berichterstattung aufwies. Vermutlich hatte Vitamin E keine Auswirkung auf die Wahrscheinlichkeit, dass MCI sich nach drei Jahren zu Alzheimer Demenz entwickelt (Hazard-Ratio [HR] 1,02; 95 % Konfidenzintervall [KI] 0,74 bis 1,41; n = 516; 1 Studie, Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit). Ebenfalls bestand keine Evidenz zu einer Wirkung an anderen Zwischenzeitpunkten. Mit den verfügbaren Daten konnten wir keine Analysen durchführen, aber die Autoren berichteten keine signifikanten Effekte von dreijähriger Supplementierung mit Vitamin E auf allgemeine kognitive Funktionen, episodisches Gedächtnis, Geschwindigkeit der Verarbeitung, klinischen Gesamteindruck, funktionelle Leistung, unerwünschte Ereignisse oder Sterblichkeit (fünf Todesfälle in jeder Gruppe). Wir betrachteten dies als Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit.

Wir schlossen eine Studie (n = 256) zu kombinierter Supplementierung mit Vitamin E und C und eine Studie (n = 26) zu Supplementierung mit Chrom-Picolinat ein. In beiden Fällen gab es einen einzigen einschlussfähigen kognitiven Endpunkt, aber da wir die Evidenz als von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit bewerteten, konnten wir uns möglicher Auswirkungen nicht sicher sein.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

PLS: J. Gauch; Abstract: A. Wenzel, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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