Helfen psychosoziale Behandlungen Menschen mit einer Stimulanzien-Konsumstörung?

Kernaussagen

- Psychosoziale Behandlungen verringern die Zahl der Behandlungsabbrüche bei Personen mit Stimulanzien-Konsumstörung und verlängern wahrscheinlich die Dauer der Stimulanzienabstinenz im Vergleich zu keiner Behandlung.
- Im Vergleich zur Regelversorgung tragen psychosoziale Behandlungen dazu bei, dass die Betroffenen länger in Behandlung bleiben, haben aber wahrscheinlich wenig bis keinen Einfluss auf die Häufigkeit des Stimulanzienkonsums.
- Es sind weitere Studien erforderlich, in denen verschiedene psychosoziale Ansätze verglichen werden, um besser zu verstehen, welche Behandlungen für wen, wann und in welchem Kontext am besten geeignet sind.

Was ist eine Stimulanzien-Konsumstörung?

Eine Stimulanzien-Konsumstörung ist durch einen starken Drang zum Konsum von Psychostimulanzien und die Unfähigkeit gekennzeichnet, den Konsum zu kontrollieren. Zu den Psychostimulanzien gehören Kokain, Amphetamine, Crack und MDMA. Psychostimulanzien sind nach Cannabis die weltweit am zweithäufigsten konsumierte illegale Droge. Der Konsum von Stimulanzien kann schwerwiegende medizinische Folgen haben, darunter Wahnvorstellungen und Halluzinationen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, AIDS, Virushepatitis und sexuell übertragbare Infektionen. Menschen mit einer Stimulanzien-Konsumstörung haben ein hohes Risiko, in Autounfälle, Verbrechen, sexuellen Missbrauch und zwischenmenschliche Gewalt verwickelt zu werden.

Wie wird eine Stimulanzien-Konsumstörung behandelt?

Derzeit sind keine Arzneimittel zur Behandlung der Stimulanzien-Konsumstörung zugelassen. Daher werden psychosoziale Behandlungen als geeignete Alternativen angesehen. Psychosoziale Behandlungen beziehen sich auf die Gedanken und das Verhalten der Betroffenen und sollen ihnen helfen, mit Störungen durch Stimulanziengebrauch umzugehen. Es gibt zahlreiche Formen psychosozialer Therapien, die jeweils auf unterschiedlichen theoretischen Grundlagen basieren und erklären, wie sie Menschen bei Veränderungsprozessen unterstützen. Die am weitesten verbreiteten psychosozialen Behandlungen für Stimulanzien-Konsumstörungen sind die folgenden.

- In der kognitiven Verhaltenstherapie wird versucht, Menschen dabei zu helfen, ihre dysfunktionalen Überzeugungen, negativen Gedankenmuster und problematischen Verhaltensweisen zu erkennen und zu ändern. Dies geschieht durch den Einsatz von Verhaltensexperimenten und Entwicklung von Bewältigungsstrategien.
- Im Rahmen des Kontingenzmanagements werden Personen für positive Verhaltensänderungen durch Geld, Gutscheine oder andere Anreize belohnt, wenn sie den Konsum von Stimulanzien einstellen.
- Die motivierende Gesprächsführung zielt darauf ab, die widersprüchlichen Gefühle der Betroffenen in Bezug auf ihren Drogenkonsum aufzulösen und ihre Veränderungsbereitschaft zu erhöhen.
- Die psychodynamische Therapie nutzt die therapeutische Beziehung zwischen einem Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin und einem Klienten oder einer Klientin, um unbewusste Konflikte zu lösen und Einsicht zu entwickeln.
- Bei der Zwölf-Schritte-Moderation handelt es sich um Behandlungen, die Methodik und Konzept der Anonymen Alkoholiker übernommen haben.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten herausfinden, ob psychosoziale Behandlungen Menschen mit einer Stimulanzien-Konsumstörung dabei helfen, den Konsum von Psychostimulanzien zu reduzieren oder einzustellen.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten nach Studien, in denen die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip einer von zwei oder mehr Behandlungsgruppen zugeteilt wurden. In diesen Studien wurde eine psychosoziale Behandlung mit keiner Behandlung oder der üblichen Versorgung (Beratung, Aufklärung oder Informationen zum Stimulanzienkonsum) verglichen. Wir fassten die Ergebnisse der Studien zusammen und bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz auf der Grundlage von Faktoren wie Studienmethoden und Genauigkeit der Ergebnisse.

Was fanden wir?

Wir fanden 64 Studien, an denen insgesamt 8241 Personen mit einer Stimulanzien-Konsumstörung teilnahmen. Fast drei Viertel der Studien betrafen Personen, die Kokain oder Crack konsumierten. Die meisten Studien wurden in den USA durchgeführt, außerdem gab es 4 Studien in Spanien, je 3 in Australien und im Vereinigten Königreich, je 2 in der Schweiz, in Brasilien und im Iran sowie je eine in den Niederlanden und in Südafrika. Insgesamt wurde in den Studien eine durchschnittliche Behandlungsdauer von 4 Monaten angeboten, wobei die Studienprogramme von einer einzigen Sitzung bis zu einem 12-monatigen Programm reichten. Die Studien untersuchten die verschiedenen Arten von psychosozialen Behandlungen, die oben beschrieben wurden.

In den meisten Studien wurde eine psychosoziale Behandlung mit keiner Behandlung verglichen. In zwölf Studien wurde die psychosoziale Behandlung mit der üblichen Versorgung verglichen. In 14 Studien wurde eine Art der psychosozialen Behandlung mit einer anderen Art verglichen.

Hauptergebnisse

Im Vergleich zu keiner Behandlung verringern psychosoziale Behandlungen die Zahl derjenigen, die die Studie vorzeitig verlassen, und erhöhen wahrscheinlich die Dauer der Abstinenz von Stimulanzien (d. h. sie erhöhen die Abstinenz). Sie verringern auch die Häufigkeit des Stimulanzienkonsums. Sie helfen wahrscheinlich dabei, die Abstinenz während der Behandlungsphase zu verlängern, haben jedoch langfristig möglicherweise nur einen geringen oder keinen Einfluss auf die dauerhafte Abstinenz.

Verglichen mit der üblichen Versorgung reduzieren psychosoziale Behandlungen die Zahl derer, die die Behandlung vorzeitig beenden. Sie helfen möglicherweise kaum oder gar nicht dabei, die Abstinenz während der Behandlungsphase und langfristig zu verlängern. Sie haben wahrscheinlich wenig bis gar keine Wirkungen auf die Häufigkeit des Stimulanzienkonsums.

In fünf Studien wurde untersucht, ob psychosoziale Behandlungen negative Wirkungen haben. Davon gaben vier Studien an, dass keine negativen Wirkungen auftraten.

Was schränkt die Evidenz ein?

Sowohl die behandelnden Personen als auch die Teilnehmenden wussten, welche Art von Behandlung sie erhielten. Dies könnte ihr Verhalten verändert und die Ergebnisse beeinflusst haben. In den meisten Studien wurden die berichteten Angaben zum Stimulanzienkonsum jedoch durch eine Urinanalyse überprüft. Die fehlende Verblindung dürfte daher keinen entscheidenden Einfluss gehabt haben. Wir sind nicht sicher, ob die Zuweisung der Teilnehmenden zu den Gruppen ordnungsgemäß erfolgte, da die meisten Studien nur unzureichende Informationen über diesen Prozess lieferten. Es gab nur wenige und kleine Studien, in denen psychosoziale Behandlungen mit der üblichen Versorgung verglichen wurden. Daher sind die Ergebnisse für diese Vergleiche unsicher.

Wie aktuell ist die Evidenz ?

Die Evidenz ist auf dem Stand vom 26. September 2023.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

B. Schindler, L. Gorenflo, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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